Freischwimmen
Freischwimmen
Ein Mond ist an ihrem Schlüsselbein zu sehen, ein fein gestochenes Tattoo. Auf dem Rücken ein nackter Frauenkörper mit einem Kassettenrekorder, eine Trompete auf ihrem Arm, dahinter ihre Brust. Ihr Bein ist aufgestellt und man sieht den Ansatz ihres Nippels. Sie ist leicht nach vorn gebeugt, sodass eine Falte unter ihrer Brust entsteht. Nackte Haut, mehr nicht.
Ein Blick durch die Kamera: Mal ist der nackte Körper komplett der Kamera ausgesetzt, nichts ist versteckt. Mal deutet das Bild lediglich an, was mit einer einzigen Bewegung sichtbar werden könnte. Tageslicht fällt auf den nackten Körper der Musikerin Loni Lipp, die Kamera erfasst nur das. Hinter ihr ein beiger Hintergrund – keine Ablenkung, keine Verdeckung.
In welchen Momenten fühlst du dich am freiesten? Die Fotografin Lisa Nguyen beschäftigt sich bei ihrem Konzept für die Ausstellung „10 im Quadrat“ der Junge-Leute-Redaktion der SZ mit dieser Frage.
Loni Lipp, die sich als Musikerin Loni Elle nennt, mag es nicht, ihren Körper verstecken zu müssen. Oft fühlt sie sich nicht so wohl vor der Kamera, aber das Nackt-Shooting war für sie das Leichteste von allen.
In welchen Momenten fühlst du dich am freiesten? Die Fotografin Lisa Nguyen beschäftigt sich bei ihrem Konzept für die Ausstellung „10 im Quadrat“ der Junge-Leute-Redaktion der SZ mit dieser Frage.
Loni Lipp, die sich als Musikerin Loni Elle nennt, mag es nicht, ihren Körper verstecken zu müssen. Oft fühlt sie sich nicht so wohl vor der Kamera, aber das Nackt-Shooting war für sie das Leichteste von allen.
„Die Atmosphäre war sehr Zen und intim“, sagt Lisa Nguyen. „Es war mein erstes Nackt-Shooting. Loni hat null Probleme, alles an ihrem Körper zu zeigen.“ Die Fotos zeigen, wie wohl sich Loni Lipp in ihrem Körper fühlt. Sie wünscht sich sogar, dass ihre Brüste in der Ausstellung „10 im Quadrat“ im Farbenladen des Feierwerks zu sehen sind.
„Wenn ich einen Teil von meinem Körper nicht zeigen dürfte, würde sich das wieder wie ein Verstecken anfühlen. Das würde den Sinn der Freiheit an dem Foto nehmen“, sagt sie.
In den vergangenen eineinhalb Monaten haben zehn junge Fotografinnen und Fotografen zehn Musikerinnen und Musiker porträtiert.
Entstanden sind 100 Fotografien für die Ausstellung „10 im Quadrat“.
In den vergangenen eineinhalb Monaten haben zehn junge Fotografinnen und Fotografen zehn Musikerinnen und Musiker porträtiert.
Entstanden sind 100 Fotografien für die Ausstellung „10 im Quadrat“.
Hinter der Kamera als Münchner Fotografen: Max Blaumeiser, David Buchner, Dominik Patzelt, Lilia Piperova, Lisa Nguyen, Lilith Kampffmeyer, Laurin Hirsch, Ferdinand Putz, Claudia Sobe und Viktoriya Zayika.
Vor der Kamera als Münchner Musiker: Benito Altmann, Elias Bohatsch, Annika Lange, Elan Pinar, Daniel Fahrländer, Cosima Kiby, Sofia Lainovic, Loni Lipp, Maria Ferreira und Niklas Halm.
Die Ausstellung wird den ganzen Mai im Farbenladen des Feierwerks zu sehen sein. Zehn unterschiedliche Konzepte, mit Fotostrecken von jeweils zehn Bildern, die unterschiedlicher fast nicht sein könnten.
Wie wertvoll es ist, den Austausch zwischen diesen zwei Welten zu schaffen, zeigen die Fotostrecken. Auch, wie sehr sich Musik und Fotografie in kreativen Prozessen bereichern können. Bei der Ausstellung kommt es zu Vernetzung, Reibung, aber auch zu aufwallenden Emotionen. Ein Aufeinanderprallen. Immer wieder wurden Musikerinnen und Musiker aus ihrer Komfortzone gerissen, haben sich darauf eingelassen und sind über sich selbst hinausgewachsen.
Sie mussten sich Fragen stellen: Was ist nur ungewohnt, vielleicht ungemütlich? Und wo liegen die eigenen Grenzen?
Das wurde besonders deutlich bei den Shootings mit dem Fotografen David Buchner. Drei Musiker wollten sich nicht so fotografieren lassen, wie David Buchner es an sich geplant hatte. Elias Bohatsch hat sich, wie einige andere, darauf eingelassen.
Auf einen abgedunkelten Raum, ein Studiolicht, vor Elias Bohatsch drei Stricke und Stacheldrähte, an denen drei von ihm geschriebene Briefe befestigt sind.
Die Musikerinnen und Musiker sollten davor Briefe schreiben, um loszulassen. Von Personen, Dingen, Erlebnissen oder Orten.
Die Musikerinnen und Musiker sollten davor Briefe schreiben, um loszulassen. Von Personen, Dingen, Erlebnissen oder Orten.
Das Thema Abschiednehmen hat den Fotografen David Buchner, seit er 2019 nach München zog, nicht losgelassen. Ein Thema, das schwierig für ihn ist. Um dieses Gefühl zu verdeutlichen, hat er sich für makabere Symbole entschieden. Ein Konzept, das für manche am schwersten war, mitzugehen, andere freuten sich am meisten darauf.
So verhält es sich bei einigen Konzepten. Elan Pinar, der sich als Musiker Allan Cari nennt, hat am meisten Überwindung für sein Shooting mit der Fotografin Viktoriya Zayika benötigt. Viktoriya Zayikas Konzept heißt „Achillesferse“. Sie fragte die Musiker im Vorhinein, was ihre verletzliche Stelle ist. Als wunder Punkt wurde genannt: Sich mit anderen zu vergleichen, die Angst vor Verlusten, Loslassen, die eigene Haut – oder wie bei Elan Pinar: seine Beine.
Nun sitzt er vor der Kamera von Viktoriya Zayika; nur seine Beine sind im Bild, abwärts der Knie, mit rosa und lila Farben betont.
Nun sitzt er vor der Kamera von Viktoriya Zayika; nur seine Beine sind im Bild, abwärts der Knie, mit rosa und lila Farben betont.
Durch das Shooting ist Elan Pinar klar geworden, wie viel Zeit und Energie er verschwendet hat, über vermeintliche Schwächen nachzudenken, ohne dass das anderen Menschen überhaupt aufgefallen wäre.
Eines fällt den Musikern auf: Bei „10 im Quadrat“ entstehen intime Porträts. Model zu sein bedeutet, auch in unterschiedlichste Rollen zu fallen. Auch, sich fallen zu lassen. Sich vor Fotografen zu öffnen, die sie noch nie zuvor gesehen haben. Eine Herausforderung.
Das spürt auch Niklas Halm, der sich als Musiker Nkalis nennt, bei seinem Shooting mit Lilith Kampffmeyer. Er lässt sich zurück in den Stuhl fallen. Sein leerer Blick wandert zur Kamera.
Tiefe Augenringe, ein wenig verschwitzt, fertig. Ein Bild von sich, wie es auch in seinen Liedern zu spüren ist. Nach düsteren, langen Nächten.
Tiefe Augenringe, ein wenig verschwitzt, fertig. Ein Bild von sich, wie es auch in seinen Liedern zu spüren ist. Nach düsteren, langen Nächten.
Genauso, wie es das Konzept von Lilith Kampffmeyer vorsieht. Sie sieht das Fotostudio wie eine Theaterbühne an. Sie überzeichnet Eigenschaften und Themen der Musiker bühnenhaft, fast als wären sie der Protagonist ihres eigenen Schauspiels.
Zurück zur Freiheit: Singen, ganz schief und laut und schreien, so laut wie es nur irgendwie geht – und niemand hört es. Unter Wasser wird genau das möglich.
Ein Dienstagabend im April. Die Fotografin Lisa Nguyen trifft sich mit der Musikerin Sofia Lainovic in einem Schwimmbad, sie wollen Bilder im Wasser machen.
Sofia Lainovic fühlt sich in diesen Momenten unter Wasser am freiesten, in denen ihr klar wird, mit welch einer Wucht sie jetzt schreien könnte.
Sofia Lainovic fühlt sich in diesen Momenten unter Wasser am freiesten, in denen ihr klar wird, mit welch einer Wucht sie jetzt schreien könnte.
Deswegen war für Lisa Nguyen direkt klar: Sie machen ein Shooting im Wasser. Bis vor ein paar Minuten hat es noch in Strömen geregnet, fotografieren müssen sie trotzdem. Jetzt, während die beiden ins Schwimmbad laufen, scheint die Sonne plötzlich.
Lisa Nguyens Fotostecke zeigt, wie unterschiedlich Freiheit für jeden Mensch aussehen kann. Im Bikini im Wasser wie bei Sofia Lainovic. Oder ganz nackt. Für viele würde das zu Scham oder Unwohlsein führen. Für Loni Lipp ist es eine Befreiung.
Die Fotografinnen und Fotografen
Lisa Nguyen
„Stell dir vor, da ist Meer“, sagt Lisa Nguyen. Ein Meeresrauschen ist im Hintergrund zu hören. Für Niklas Halm, als Musiker nennt er sich Nkalis, bedeutet Freiheit: Sonne, Meer und Strand. Es ist Anfang April. München hat kein Meer oder Strand zu bieten, aber dafür sind die Temperaturen an diesem Tag nahezu so heiß wie im Hochsommer. Der heißeste Tag des Jahres, bis dahin.
Auf einer Straße in der Münchner Innenstadt holt Lisa Nguyen ihre „Spielzeug-Kamera“ hervor und ist bereit zum Shooten. Sie fotografiert die Musikerinnen und Musiker inspiriert von den Momenten, in denen sie sich am meisten frei fühlen. Sie selbst würde sich in alltäglichen Situationen beim Eis schlecken abbilden. Lisa Nguyen ist schwarz gekleidet, wie immer. „Wir haben nicht viele Shots“, mahnt sie und lächelt. Sie fängt an Anweisungen zu geben. Immer nur 15 bis 20 Fotos lässt sie sich pro Shooting, denn sie fotografiert analog.
Das erste Mal ist sie bei ihrem Fotodesign-Studium auf analoge Fotografie gestoßen, ihr gefällt die andere Arbeitsweise. „Es ist schön in einer Welt, die so schnelllebig ist, etwas zu haben, was ganz langsam funktioniert“, sagt Lisa Nguyen. Es sind die analogen Bilder, die sie am längsten mag, denn „man erinnert sich immer an die Momente und kann sich wieder in die Stimmung hineinfühlen“.
Für ihre Schwester hat Lisa Nguyen bereits als Kind oft Fotos gemacht. Ihr Vater hat ihr ihre erste Kamera heimlich, zu einer Klassenfahrt in der achten Klasse, gekauft – sehr teuer für ihn damals. Damit hat sie angefangen, Selbstporträts zu machen, diese sind heute verstaut auf einer Festplatte. Bisher hat Lisa Nguyen sich nicht getraut, die Bilder darauf anzuschauen, ihr fällt es schwer, sich an die Zeit zurückzuerinnern. Mit zwölf hat sie angefangen, mit ihren Freundinnen und Freunden Fotoshootings zu organisieren. Aufgewachsen ist sie in Stuttgart, mittlerweile ist sie 26 Jahre alt und in den Endzügen ihres Studiums an der Hochschule München.
Als sich das Fotografieren vor vier Jahren durch das Studium nicht mehr kreativ und echt angefühlt hat, wollte sie allein durch Vietnam reisen. Als Kind war sie schon oft mit ihren Eltern dort, die dort aufgewachsen sind. „Ich habe nur analoge Kameras und einige Filme mitgenommen.“ Vor Ort hat sie die Menschen, denen sie begegnet ist, fotografiert. Daraus ist dann ein Projekt entstanden, die Bilder gehören bis heute zu ihren liebsten.
Eine langsame Herangehensweise bei ihren Shootings prägt ihre Fotografie, es ist ihr wichtig, „auf die einzelnen Personen einzugehen und dass sich viel im Prozess entwickelt“. Deshalb gefällt ihr an den Shootings für die Ausstellung „10 im Quadrat“, dass man meistens allein mit dem Model ist, „das passiert nur selten“. Sich so mit den Personen auseinanderzusetzen, gibt ihr Freiheit.
Viktoriya Zayika
An diesem Tag hat Viktoriya Zayika gleich vier Shootings nacheinander, alle in den Fotostudios der Hochschule München. Sie studiert Fotodesign und kann sich deshalb dort einbuchen. Entspannte Musik läuft im Hintergrund, ihre Herbstplaylist. Zuvor hat sie Gespräche mit den Musikerinnen und Musikern geführt und sich in einem Notizbuch notiert, was sie mit ihnen ausprobieren möchte.
Der Name von Viktoriya Zayikas Konzept: die Achillesferse. Inspiriert an der Verletzlichkeit der Models legt sie ihr Konzept aus. Dabei ist unter anderem: Sich vergleichen, loslassen, Angst vor Verlust und die eigene Haut. Nur fällt auf: Keine Schwäche hat sich wiederholt.
Viktoriya Zayika lässt die Models in ihrer Wunschfarbe von einer Stylistin schminken, heute ist Laura Einzmann an Viktoriya Zayikas Seite. Die erste Reaktion, wenn sich die Musiker im Spiegel sehen, ist fast immer: „Woah, wie gruselig“, sagt Viktoryia Zayika und lacht.
Sie arbeitet mit Verzerrung und Folien im Prozess des Fotografierens. Ihr gefällt es, dass so viel dem Zufall überlassen ist. Auch zu sehen, „wie viel Millimeter ausmachen“. Und sie experimentiert mit verschiedenen Medien. „Mode hat so eine laute Sprache“, sagt sie. „Sie bildet unsere Zeit, die Gesellschaft, die Politik und unsere Werte ab.“ Für Viktoriya Zayika ist es spannend, wenn Mode, Kunst, Fotografie und eine Botschaft zusammenkommen. In ihrer Kunst erscheinen die abgebildeten Menschen oft gar nicht greifbar, wie in einer anderen Welt. Dadurch möchte sie die Vielseitigkeit der Personen darstellen.
Vor neun Jahren ist Viktoriya Zayika nach München gezogen, ihr Ziel war es, hier zu studieren. Nur was, das wusste sie damals noch nicht. In Kiew in der Ukraine ist sie aufgewachsen, sie hat schon mit sieben Jahren in der Schule Deutsch gelernt und kannte München bereits von einem Austausch. Zuerst hat sie Theaterwissenschaften studiert, sich dann aber für Fotografie umentschieden. Dreimal hat Viktoriya Zayika sich an der Hochschule München für Fotodesign beworben, bevor sie genommen wurde. In der Zeit hat sie angefangen, als Quereinsteigerin zu arbeiten.
Nun ist sie 26 Jahre alt und bald fertig mit dem Studium. In ihrer Bachelorarbeit, an der sie aktuell arbeitet, beschäftigt sie sich mit ihrer Herkunft. Es werden keine professionellen Models zu sehen sein, sondern die Erfahrungen Ukrainerinnen und Ukrainer sollen den Fotos Emotionen geben. Für Viktoriya Zayika sind ihre Konzepte eine Form von Verarbeitung, das verbindet sie mit den Musikerinnen und Musikern, die ihre Musik meist auch als Ventil nutzen.
Viktoriya Zayikas eigene schwache Stelle ist der Umgang mit Menschen. So ist sie auch zur Fotografie gekommen. Unter Menschen ist sie gerne, aber nur „als Betrachterin“, sagt sie, sie geht weniger gerne auf Menschen zu. Mit der „Fotografie als Grund“ fällt ihr das leicht. Die Fotografie sieht sie eher als Szene, in der sie die Beobachterin sein darf. Wie wohl sie sich in der Rolle fühlt, merkt man. Viktoriya Zayika ist zurückhaltend, sanft und zart. Wenn sie hinter der Kamera steht, hat sie jedoch genaue Vorstellungen, geht auf und ist wie in ihrer eigenen Welt.
Lilia Piperova
Plötzlich fängt es an zu hageln. Lilia Piperova bleibt draußen, mitten auf der Piazza del Popolo in Rom und wartet. Der sonst fast schon überfüllte Platz wird menschenleer und es passiert genau das, worauf Lilia Piperova gehofft hat. Eine einzige Frau läuft gelassen mit einem Regenschirm über den Platz. Lilia Piperova zückt ihre Kamera und drückt ab. Mit ihrer Fotografie möchte sie zeigen, „dass wir alle in einer Welt von Chaos und vielen Menschen leben, aber jede Person trotzdem für sich läuft“. Sie sucht nach Momenten, in denen Stille ist und nur eine einzige Person zu sehen ist. Lilia Piperova mag es lieber, Momente einzufangen, anstatt sie zu inszenieren.
Kurz vor ihrem ersten Shooting ist Lilia Piperova aufgeregt und etwas verunsichert. „Ich habe nicht oft Shootings, gerade auch nicht mit Leuten, die ich nicht kenne“, sagt Lilia Piperova. Die meisten anderen Fotografinnen und Fotografen der Ausstellung „10 im Quadrat“ lernen die Fotografie in einem Studium oder einer Ausbildung, Lilia Piperova studiert Architektur. Ihr war es wichtig, nicht Fotografie zu studieren, sie wollte durch den Druck nicht die Leidenschaft und das Hobby verlieren. Durch das Architekturstudium hat sie eine andere Perspektive auf das Fotografieren bekommen, sie arbeitet nun viel mit Geometrien und Licht.
Fotografieren hat sie mit zwölf Jahren begonnen. Früher hat sie viele Porträts fotografiert, konzentriert sich jetzt aber mehr auf Landschaften und Silhouetten. Mit 15 Jahren hat sie einen Kurs absolviert, um die Technik hinter der Fotografie zu verstehen. Sie hatte die Kamera überall dabei und viel herumprobiert. Mittlerweile hatte Lilia Piperova bereits zwei Ausstellungen. Die Erste war in der U-Bahn-Galerie an der Universität, dort hat sie eine Galeristin entdeckt, bei der sie in ihrer Galerie ausstellen konnte. Fotografie kann sie sich beruflich deutlich besser vorstellen als Architektur, die Architektur sieht sie als gute Basis, die ihr bereits „viele Türen öffnen“ konnte.
Lilia Piperova hat ein Shooting-Set-up in der Wohnung ihrer Eltern aufgebaut. Das Equipment dafür hat sie bei einem Fotowettbewerb gewonnen. Aus dem Nebenraum sind Operngesänge während des ersten Shootings mit Annika Lange zu hören. Lilia Piperovas Mutter ist Opernsängerin und gibt an diesem Tag eine Gesangsstunde. Beide Eltern sind Musiker, trotzdem hat es Lilia Piperova zur Fotografie gezogen.
Lilia Piperova singt zwar gerne, fühlt sich aber sehr unwohl auf der Bühne oder vor der Kamera. Sie hat sich bewusst den Platz hinter der Kamera ausgesucht. Bei ihrem Konzept für „10 im Quadrat“ möchte Lilia Piperova die Musikerinnen in eine Stimmung fallen lassen, in denen sie in ihren Gefühlen sind und Bewegungen einfangen. Dafür stellt sie ihnen vor dem Shooting Fragen, um herauszufinden, welche Emotionen sie mit ihrer Musik verbinden. Alle Musiker haben eine andere Emotion genannt.
Claudia Sobe
„Ich bringe jeden aus seiner Komfortzone“, sagt Claudia Sobe und lacht schadenfreudig. Aber wie schafft sie das? Claudia Sobe mag es zu überraschen, absurde, ungewohnte Kombinationen abzubilden. Für ihr Shooting mit dem Musiker Niklas Halm stapfen die beiden samt Kamera durch die Isar. In der Mitte der Thalkirchener Brücke angelangt, kann losgelegt werden. Claudia Sobe dirigiert, und schnell versammelt sich eine kleine Traube an neugierigen Zuschauern.
Oder: Musikerin Sofia Lainovic kniet vor einem Tiergehege im Tierpark Hellabrunn, sie trägt Stulpen aus Kunstpelz. Wenn man Claudia Sobes Bilder betrachtet, kann man regelmäßig Gesellschaftskritik wiederfinden, egal, ob von ihr beabsichtigt oder nicht. Und den Musiker Elan Pinar fotografiert sie auf der Theresienwiese. Um die Wiese als Symbol für Bayern zu betonen, bemalt sie sein Gesicht in hellblauem Karo-Muster und Oberkörperfrei.
Für ihr Konzept für die Ausstellung „10 im Quadrat“ hat Claudia Sobe zehn unterschiedliche Münchener Orte gewählt. Zum Beispiel den Olympiaberg, den Tierpark oder die Theresienwiese. Die 20-Jährige ist Münchnerin und mag die Stadt, jeder dieser Orte ist für sie von schönen Erinnerungen geprägt. Dazu malt sie die Gesichter aller Musikerinnen und Musiker mit Körperfarbe an. Das hat sie bereits für ein anderes Fotoprojekt finalisiert, inspiriert von Yves Klein, nur umgekehrt. Er hat seine Models mit blauer Farbe angemalt und sie an eine weiße Leinwand gepresst, Claudia Sobe nimmt die Haut der Models als Leinwand.
Claudia Sobe mag es, wenn der Zufall und die Inszenierung aufeinandertreffen. „Wenn man merkt, dass so eine Situation natürlich nicht passieren würde.“ Beide Seiten der Fotografie sind ihr sehr wichtig, die gestellte, aber auch mal lediglich Momente mit ihren Freundinnen und Freunden festzuhalten.
Erst einmal hat Claudia Sobe in einem Studio fotografiert. Am liebsten shootet sie draußen und arbeitet mit dem, was die Umgebung hergibt. „Ich kann überall hingehen und immer etwas dazu bauen“, sie mag es, diesen Freiraum beim Fotografieren zu haben. Die Orte lässt sie auf sich zukommen und erkundet auch gerne Orte, an die sie normalerweise nicht kommen würde.
Vergangenes Jahr hat Claudia Sobe ihren Schulabschluss gemacht und danach ihr Fotodesign-Studium begonnen. Außerdem hat sie bereits an einer Ausstellung in dem Zwischennutzungsprojekt Gabriele teilgenommen und das Musikcover der Musikerin Malva fotografiert. Schon lange, bevor Fotografie für sie beruflich infrage kam, hat Claudia Sobe angefangen, ihre Freunde abzuknipsen. So hat sie den Spitznamen in ihrem Freundeskreis erhalten: die rasende Reporterin.
Laurin Hirsch
Man lernt vom Scheitern. Man macht trotzdem immer weiter und eines Tages schafft man es. Dann passieren vielleicht sogar kleine Wunder. Das verbindet Laurin Hirsch mit seinen zwei Leidenschaften. Es ist die Fotografie und der Breakdance. Vor allem die Street- und Dokumentarfotografie, für die er besonders brennt. Wenn er Fotos machen geht, „ist das etwas, was ich für mich allein habe“, sagt er. In dem Moment sich nicht beeinflussen zu lassen, „komplett konzentriert zu sein und alles andere ausschalten zu können“. Er geht raus, läuft herum, ist auf der Suche, „fast schon meditativ“. Er beobachtet und sucht nach Momenten, in denen er das Leben und Menschen einfangen kann.
Mittlerweile ist er fast immer mit seiner analogen Kamera unterwegs. Dadurch ist auch viel dem Zufall überlassen, im richtigen Moment die richtigen Einstellungen zu haben zum Beispiel. Das Breakdancen integriert er auch immer wieder in seiner Arbeit. Der 22-Jährige dokumentiert häufig die Breakdance-Szene in München. Er liebt es Dinge, die passieren, festzuhalten und immer wieder darauf zurückgreifen zu können.
Laurin Hirsch ist jetzt im sechsten Semester seines Fotodesignstudiums. Aber angefangen hat seine Begeisterung für Fotografie, als er spontan mit 14 Jahren bei einem Fotomarathon in Lübeck mitgemacht hat. Dort hat er eine kleine Kamera gewonnen und mit dieser dann immer mehr fotografiert. Gerade mit einem Freund hat er viel gemeinsam fotografiert, sie konnten einander immer gut anspornen.
Laurin Hirsch kocht einen Haufen Zwiebelschalen aus und legt eine zwei mal vier Meter große Leinwand darin ein. Um einen „schmutzigen Look“ zu erschaffen, wie er sagt. Danach gab es nicht nur viel Zwiebelkuchen, sondern auch die Basis für sein Konzept für die Ausstellung „10 im Quadrat“.
„Sprachgewand“ heißt sein Konzept. Darauf soll jeder Musiker seine Gedanken zum Thema Sprache teilen. Angeregt hat ihn das bayerische Genderverbot, „trotzdem soll es um Sprache generell gehen. Und wenn jemand möchte, kann man sich auch auf das Verbot beziehen“, sagt Laurin Hirsch – mit Acrylfarbe, Stiften oder Spraydosen. Danach wird fotografiert.
Laurin Hirsch fotografiert an Orten, an denen sich die Musiker wohlfühlen oder kreativ sind. Die Leinwand drapiert Laurin Hirsch immer anders, mal als Kleid, mal als Treppe oder, wie bei Loni Lipp, wie ein Bettlaken aus dem Fenster schüttelnd.
Dominik Patzelt
„Woah, so habe ich mich noch nie gesehen“, sagt Cosima Kiby, als sie die ersten Shots von sich sieht. Dominik Patzelt steht lässig hinter der Kamera und schmunzelt. Ein Buzz Cut, schwarzes Sweatshirt, lockere Jeans und darunter, nur leicht sichtbar, die Cowboy Stiefel. Passend dazu läuft im Hintergrund leise Rockmusik aus den Siebzigerjahren vor sich hin. Dominik Patzelt sieht aus, als hätte er nie etwas anderes getan.
So richtig mit dem Fotografieren angefangen hat er erst auf der Fachoberschule für Gestaltung. Immer wieder hat er dort seine Freundinnen und Freunde fotografiert und gemerkt, dass ihm das Fotografieren von Menschen am meisten Spaß macht. Dominik Patzelt war immer schon fasziniert von Filmen und letztlich war „Blow Up ausschlaggebend für das, was ich jetzt mache“, sagt er.
Um in die Fotografie zu schnuppern, hat er ein Praktikum gemacht, woraus kurzerhand eine Ausbildung zum Fotografen geworden ist. Nun studiert Dominik Patzelt Fotodesign an der Hochschule in München. Neben dem Studium assistiert er viel und lebt davon.
Dominik Patzelt, 25, fotografiert die Musiker für die Ausstellung „10 im Quadrat“ in starken Close-ups. Nur einen Teil des Gesichts hat er im Bild und fokussiert sich komplett auf die Mimik. Durch diese starke Reduzierung wirken die Ausdrücke der Musiker für sich. Er hebt Facetten hervor, die sonst nicht zum Vorschein kommen würden. So nah hat er sich bisher selbst nicht fotografiert.
Die meisten Shootings hat Dominik Patzelt die vergangenen Jahre mit professionellen Models gehabt. Ihm ist es wichtig, während der Shootings einen Wohlfühlort zu schaffen, egal, ob für erfahrene oder nicht erfahrene Models. Mit seiner Fotografie möchte er die Menschen vor der Kamera in all ihren Facetten darstellen. Deshalb möchte er sich auch immer mit ihnen während des Shootings unterhalten und fotografiert sie am liebsten in ihren eigenen Klamotten.
Mit Menschen zu shooten, die nicht regelmäßig vor der Kamera stehen, hat Momente hervorgebracht, die er schon fast ein wenig vergessen hat. Dass jemand sich in einem bestimmten Licht nicht mag oder eine Seite hat, von der er lieber fotografiert wird, zum Beispiel. Das auch mal wieder zu erleben, „fand ich erfrischend“, sagt Dominik Patzelt.
Dominik Patzelt liebt es zu fotografieren. „Es ist wie ein Hunger“, hat ein Freund von ihm mal gesagt – und Dominik Patzelt kann sich damit nur zu gut identifizieren. Wenn er es länger nicht gemacht hat, verspürt er „einen Drang, wieder zu fotografieren“, sagt Dominik Patzelt. Es sind die kleinen Momente, in denen er immer wieder merkt, wie sehr er es liebt. Wenn er während eines Shootings auf den Laptop spickt, ein tolles Bild sieht und sich so richtig darüber freut. Oder auf dem Weg nach Hause, wenn ihn seine Gedanken nicht loslassen, was er mit der Bearbeitung macht und welche Bilder er auswählt.
Lilith Kampffmeyer
Bunt, mit ganz viel Farbe würde sich Lilith Kampffmeyer in ihrem eigenen Konzept abbilden. Wenn jemand die Inszenierung so richtig liebt, dann ist es wohl Lilith Kampffmeyer. Als Bühne sieht die 26-Jährige auch ihr Fotostudio, wenn sie Shootings organisiert.
Lilith Kampffmeyer liebt es, „eigene kleine Welten zu kreieren, wenigstens für einen Tag oder ein paar Stunden“, sagt sie. Und wenn man sich vor ihre Fotos stellt, wird man automatisch hineingezogen in ihre Welten.
„Ich habe das nie geplant, dass ich fotografieren möchte. Es war ein krasser Umweg“, sagt sie. Eigentlich wollte Lilith Kampffmeyer schon seit sie klein war auf die große Bühne. Als Jugendliche hat sie im Gärtnerplatztheater und Residenztheater gespielt. Dafür ist sie extra nach München gependelt, denn bis sie 20 war, hat sie in einem Dorf in der Nähe von Ingolstadt gelebt. Für die Zeit nach der Schule war ihr großer Traum, Schauspiel zu studieren.
Drei Jahre infolge ist sie vorsprechen gegangen, aber es hat nie funktioniert. „Nach dem dritten Mal war ich so frustriert“, sagt sie. Deshalb hat sie sich überlegt, was sie an Schauspiel so liebt und wie es in ein anderes Medium übersetzbar ist. „Ich mag die Arbeit mit Menschen wahnsinnig gerne und das Inszenierte“, die Eigenschaften konnte sie in der Fotografie wiederfinden. Deshalb hat sie sich spontan dazu entschieden, sich auf das Fotodesign-Studium an der Hochschule München zu bewerben. Da gab es nur zwei Probleme: Lilith Kampffmeyer hatte noch nie richtig fotografiert und dazu noch die Bewerbungsfrist verpasst. Durch die Corona-Pandemie wurde die Frist einen Monat nach hinten verlegt. Lilith Kampffmeyer hat „innerhalb eines Monats ein Portfolio auf die Beine gestellt und wurde direkt genommen“, sagt sie.
Für ihr Konzept bei der Ausstellung „10 im Quadrat“ stylt sie die Musikerinnen und Musiker überzeichnet, passend zu ihren Eigenschaften und ihrer Musik. Davor hat sie sich mit allen lange unterhalten, mit einigen auch getroffen, in einem Café oder einer Bar. Für das Styling arbeitet sie mit dem Kostümverleih Treibstoff und einer Stylistin zusammen.
„Vor einem Shooting gibt es so viel Organisation, Aufregung und Stress, aber ich finde das mega toll. Auch weil es mir das Gefühl gibt, dass etwas entsteht und ich es nur bis zu einem gewissen Grad beeinflussen kann“, sagt Lilith Kampffmeyer.
Da steht Lilith Kampffmeyer also, in grüner Samthose, oben zusammengebunden und ein lockeres schwarzes Shirt darüber. Sie lehnt sich zurück, die Kamera, so groß wie ihr Kopf, auf den Musiker Benito Altmann gerichtet und fängt an zu knipsen. Benito Altmann trägt eine lockere schwarze Hose mit goldenen Sternen, ein weißes Shirt mit rotem Herz – von Lilith Kampffmeyer selbst darauf genäht – und einen hellblauen Mantel. Auf dem Kopf bekommt er noch eine kleine Krone aufgesetzt. Zweieinhalb Stunden haben Lilith Kampffmeyer und Benito Altmann sich zuvor in einer Rooftop-Bar getroffen. Nun, ein paar Wochen später, steht das Shooting unter dem Motto: Kraft und Liebe.
Ferdinand Putz
„Fotografie ist etwas sehr Intimes“, sagt Ferdinand Putz. Er sitzt in einem italienischen Restaurant in der Nähe des Fotostudios seiner Ausbildung. Das darf er für die Shootings der Ausstellung „10 im Quadrat“ nutzen. Es ist ein Samstagabend und nun ist Feierabend angesagt, seit dem Morgen hatte er Shootings. Der April neigt sich bereits dem Ende zu und Ferdi Putz konnte nicht früher als an diesem Tag anfangen, weil er krank geworden ist und durch seine Ausbildung nur am Wochenende fotografieren kann. „Aber alles easy, das schaffe ich locker“, sagt er und ist tiefenentspannt.
Er fängt an zu erzählen. Weil ein Mensch sich vor der Kamera sehr öffnen muss, fotografiert er am liebsten seine eigenen Freundinnen und Freunde. „Dort herrscht eine andere Vertrauensbasis“, sagt er. Wie sie zu posieren haben und was sie ausdrücken sollen, gibt er auch nicht gerne vor. „Wenn die Pose von der Person kommt, sieht es meist natürlicher aus und hat dadurch mehr Wirkung“, sagt er. Deshalb empfindet er es als oft schwerer, mit professionellen Models zu shooten, „denn die wissen, wie in der Branche posiert wird, was erwartet wird und bringen oft wenig neue Ideen mit ein“. Ein Mensch weiß nicht, wie das Foto hinterher aussehen wird. Für Ferdi Putz ist es wichtig ein Grundvertrauen, auch zu professionellen Models aufzubauen. Am meisten interessiert sich Ferdi Putz für die Mode Fotografie, obwohl er die Modebranche auch kritisch ansieht. Aber Ferdi Putz liebt die Farben, Formen und die Kreativität, die er als Fotograf in der Mode hat.
Vor drei Jahren wollte Ferdi Putz nach seinem Abitur direkt etwas Praktisches beginnen. Deshalb entschied er sich für die Ausbildung zum Fotografen, nun steckt er in den Endzügen. „Ich habe mir überlegt, was ich mit meinem Leben machen möchte. Ich wollte etwas, was mir jeden Tag Spaß macht“, sagt Ferdi Putz. Das war die Fotografie – und jetzt wirkt es so, als könne er gar nicht genug davon bekommen. Für Ferdi Putz ist die Ausbildung genau richtig, „jeden Tag passiert etwas Neues, ich komme an Orte, die ich sonst nie sehen würde und es gibt so oft Überraschungen“, sagt er. Damit meint er etwa Momente, in denen er in das Studio kommt und Thomas Gottschalk ihn in Unterhose fragt, ob Ferdi Putz ihm noch einen Espresso macht. Oder wenn Joko Winterscheidt vor ihm mit einer Breze im Mund steht.
Einen großen Einfluss hatte sein Vater auf ihn. Er fotografiert selbst, seitdem er 16 Jahre alt ist und „bei uns gab es nie viel Technik zu Hause, aber Kameras waren immer da“, sagt Ferdi Putz. Er immer viel ausprobiert, angefangen mit analoger Fotografie. „Die Technik zu verstehen, hat mir sehr für die Digitalfotografie geholfen, weil sie darauf aufbaut“, sagt er. Während des Lockdowns durch Covid hat Ferdi Putz die Fotografie immer ernster genommen. Angefangen hat es damit, dass er fast täglich in den Englischen Garten zum Fotografieren gegangen ist. Mit der Zeit hat Ferdi Putz immer mehr Freunde fotografiert, die Fotos hinterher mit seinem Vater angeschaut und bewertet.
Für die Ausstellung „10 im Quadrat“ hat Ferdi Putz mit allen Musikerinnen und Musikern ein Vorgespräch geführt. Jeder von ihnen wird in die Situation eines kreativen Lochs versetzt. Ferdi Putz fotografiert alle vor verschiedenen Farben, sie sollen die Kreativität abbilden. Die Ideenlosigkeit wird durch den Gesichtsausdruck dargestellt – und die Musiker bringen einen Gegenstand mit, der sie in ihrem kreativen Prozess bestärkt.
David Buchner
Warme Sommertage und Ausflüge in einen Freizeitpark in der Oberpfalz. Eine längere Anreise, auf dem Weg dorthin immer ein Besuch bei einer Freundin seiner Mutter und dann der Tag im Freizeitpark – ein Traum für den kleinen David Buchner. Daran denkt David Buchner am liebsten, wenn er an seine Kindheit zurückdenkt. Später hat er angefangen, sich für Lost Places zu interessieren, dort Fotos zu machen. Einmal hat er es geschafft, noch mal zu dem Park zu fahren, der mittlerweile geschlossen wurde. Ein prägender Tag für David Buchner. Er konnte die Erinnerung an diese Tage sich so wieder klarer verschaffen. „Das verlassen zu sehen, war krass. Alles am Park war verändert. Außer das warme Gefühl, das ist geblieben. Auch in die Gebäude konnte man noch hineingehen, nur diesmal waren sie nicht mehr belebt“, sagt er. Vor dem Besuch in diesem Park experimentierte er mit seiner Fotografie herum, ohne großes Konzept. Seit diesem Tag weiß er, seine Fotos sollen immer Wärme übertragen.
In seiner Fotografie möchte David Buchner, 28, abstrakt Erinnerungen wiedergeben. 2019 ist er von seinem Heimatort nach München gezogen. Seither lässt ihn das Thema Loslassen und Abschied nehmen nicht los. Einige Freundschaften sind zu Ende gegangen, und „die Leute haben Löcher in mir hinterlassen, die sind mir erst viel zu spät aufgefallen“, sagt er. Deshalb hat David Buchner sich dazu entschieden, sein Konzept für die Ausstellung „10 im Quadrat“ daran zu inspirieren.
Ein abgedunkelter Raum, Stricke und Stacheldrähte, die vor den Musikerinnen und Musikern herunterhängen sollen, ein Studiolicht. Die Lichtbrechungen auf seinen Fotos stellen die Wärme dar, „die sich wie ein roter Faden durch die Bilder zieht“. An den Stacheldrähten befestigt: drei Briefe, die alle Musiker vor dem Shooting schreiben sollen, um loszulassen. Von Personen, Dingen, Erlebnissen oder Orten. Der Musiker Allan Cari hat die Briefe an seine Ex-Freundin, an seine Kinderspielzeuge und an seine Haare, die er abgeschnitten hat, verfasst. An diesem Tag wird der Musiker Elias Bohatsch bei David Buchner vor der Kamera stehen. Elias Bohatsch läuft in den Raum, mustert ihn kurz, sagt „Nice!“ und lächelt.
Musik hat einen großen Einfluss auf David Buchners Fotografie. Dafür sammelt er viele Songtexte und lässt sich davon inspirieren. Momentan hört er gerne Elektro-, Country-, Metal-, aber auch Musik aus den Siebzigerjahren, zum Beispiel viel Bob Dylan. „Ich höre alles Mögliche und bin auch offen für alles. Wenn man sich in Genres einsperrt, verpasst man echt viel“, sagt David Buchner. Als es vor circa neun Jahren mit Musik als Hobby nicht geklappt hat, entdeckte David Buchner das Fotografieren für sich. Damals ist er herumgelaufen und hat von allem möglichem mit einem Monochrom-Filter Fotos geschossen. Eine lange Zeit hat er alles schwarz-weiß aufgenommen, so konnte David Buchner viel mit Licht experimentieren. Als er immer mehr fotografierte, gab es eine Zeit, in der er oft zu Lost Places gegangen ist, die haben ihn sehr begeistert. Nachdem er sich eine bessere Kamera gekauft hat, fing David Buchner an, mit Farben zu arbeiten. Mittlerweile fotografiert er immer sehr konzeptionell.
Zurück zu David Buchners Konzept für „10 im Quadrat“: Warum er sich für solch ein Set-up entschieden hat? Er wollte morbide Symbole, um zu unterstreichen, wie schwer das Thema für ihn war. Für ihn wurden die Dinge, von denen er Abschied nahm, unerreichbar. Dafür sollen die Symbole stehen.
Max Blaumeiser
Max Blaumeiser steckt mitten in einem Umzug, um sein Praktikum in München anzufangen. Er studiert Sportpublizistik, als seine Mutter ihn fragt, was er sich zu seinem Geburtstag wünsche. Eine Kamera. Irritierte Blicke von seinem besten Freund und seiner Mutter. Geschenkt bekommen hat er sie nicht, sich dafür aber selbst gekauft. Weil er in München damals noch niemanden kannte, ist er nach seinen Schichten nachts allein fotografieren gegangen. Erst mal alles Mögliche, in U-Bahnen zum Beispiel. Dabei hat er gemerkt wie viel Spaß ihm das bereitet im Gegensatz zum Sportjournalismus, den er tagsüber im Praktikum nur absitzt. Vor fünf Jahren war das. Nun ist Max Blaumeiser, 28, wieder in München und studiert Fotodesign an der Hochschule. Nebenher assistiert er viel, vorwiegend in der Modebranche.
„Am meisten Spaß macht es mir, wenn ich die Bilder danach anschaue und zufrieden bin. Für die Momente mache ich es“, sagt er. Er liebt so ziemlich alles am Prozess der Fotografie, „sonst würde ich es auch nicht machen“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Am meisten arbeitet Max Blaumeiser analog. Seine Fotos entwickelt er selbst in der Dunkelkammer und vergrößert die Negative auf Fotopapier. Pro Bild dauert das etwa ein bis zwei Stunden. Das Ergebnis und die Ästhetik sind es ihm wert, einen so großen Aufwand dafür aufzubringen.
„Ich will mit Fotografie nicht unbedingt Information vermitteln, sondern Emotion“, sagt Max Blaumeiser. Er möchte Gefühle mit seinen Bildern bei anderen Menschen auslösen. „Genau das ist so schwer, weil es über eine Metaebene funktionieren muss. Aber wenn das klappt, macht es ein gutes Foto für mich aus.“
Max Blaumeiser möchte für sein Konzept für die Ausstellung „10 im Quadrat“ die Ästhetik als Leitfaden, der sich durch seine Fotostrecke zieht. Deshalb fotografiert er alles im Querformat, immer zur blauen Stunde. Das ist, wenn die Sonne gerade untergegangen ist oder kurz davor aufzugehen. Zu dem Zeitpunkt am Tag ist die Farbtemperatur in der Luft kühler als sonst. Diesen bläulichen Ton bricht Max Blaumeiser mit einem wärmeren Blitz. Nach diesem Konzept zu fotografieren, ist neu für ihn. Max Blaumeiser stellt sich gerne selbst die Herausforderung, bei Projekten herumzuexperimentieren und erst im Prozess zu lernen.
Die Musikerinnen und Musiker
Daniel Fahrländer
Fahrlæand singt in seinen Songs so offen über mentale Gesundheit, wie es fast keiner könnte. Er spricht über seine Emotionen und verarbeitet den Verlust seiner Mutter, die sich das Leben genommen hat. Es ist ihm wichtig, offen darüber zu sprechen und anderen Menschen zu zeigen, dass sie nicht allein sind, ihnen Mut zu machen. Wie gut ihm das gelingt, zeigt er immer wieder.
Es ist 2019, Daniel Fahrländer steht auf der Bühne und performt. Mitten in der Menge fällt ihm eine Frau auf, die weint. Nach dem Konzert erzählt sie ihm, wie sehr sie sich in einem seiner Songs wiederfinden konnte. „Das war ein super magischer Moment“, sagt Daniel Fahrländer. „Es gibt nichts Besseres auf dieser Welt, als auf der Bühne zu stehen“, sagt er und seine Augen strahlen, wenn er davon spricht. „Alles“ gibt es ihm, die Reaktionen auf seine Musik zu sehen und seine Texte zu teilen.
Daniel Fahrländer ist schon lange in der Münchner Musikszene unterwegs, aber mit seinem Soloprojekt erst seit Mai 2023. Als Kind wollte er Schlagzeug lernen – weil das zu laut war, hat ihm seine Mutter eine Gitarre zugelegt. Das hat ihm dann schnell nicht mehr gereicht, Daniel Fahrländer „wollte rockiger unterwegs sein“ und hat sich deshalb eine E-Gitarre gekauft.
Der Drang, für andere zu spielen, kam schnell, deshalb hat er nach seiner Schulzeit die Band Naked Superhero gegründet. Um die zehn Jahre bestand die Band. Mit fast derselben Besetzung hat die Band sich neu erfunden. Als Youth Okay wollten sie sich von ihrem alten Image trennen. Mit der Covid-Pandemie haben sie gemerkt, dass sie nicht mehr dieselben Vorstellungen haben, deshalb löste sich die Band auf.
Daniel Fahrländer war klar, dass Musik immer noch an erster Stelle für ihn stehen soll. Erst kam ihm nicht in den Sinn, ein Soloprojekt anzugehen, er „fand es immer toll, in Bands zu spielen“. Dennoch haben ihn zwei Kollegen dazu ermutigt, und so hat er „die beste Entscheidung getroffen“, sagt Daniel Fahrländer.
Sein erstes Shooting für die Ausstellung „10 im Quadrat“ steht an. Im pinkfarbenen Hoodie läuft er auf die Münchner Hochschule zu und zieht einen Koffer hinter sich her. Gleich drei Shootings stehen heute an und im Gepäck: seine zwei Lieblingsjacken, verschiedene T-Shirts und Pullis zur Auswahl. „Alle meine Ängste stehn bereit“, singt er in seinem Song „Weinen“ und darum soll es jetzt mit Viktoriya Zayika auch gehen. Das Shooting ist inspiriert an der größten Angst der Musikerinnen und Musiker. Dazu suchen sie sich eine Farbe aus, in der sie geschminkt werden möchten. Pink-rote Farbe wird nun von einer Stylistin auf Daniel Fahrländers Stirn aufgetragen, er wird zum ersten Mal in seinem Leben geschminkt. Wo Daniel Fahrländer gerade noch gescherzt und gelacht hat, ist er nun während des Shootings in sich gekehrt und ganz bei sich.
Niklas Halm
Wenn Niklas Halm, 26, sich jetzt an einen anderen Ort beamen könnte, dann wäre das nach Portugal. In der Nähe von Lissabon hat er für mehr als ein Jahr gelebt. Dort hat er zeitweise eine Werbeagentur aufgebaut. dann aber gemerkt, dass es ihm mit dem Leben in Deutschland neben der Arbeit besser geht, „weil dort ist es jeden Tag wie in einem Casino“, sagt er. So richtig zu Hause fühlt er sich momentan nirgendwo, „es gab schon so viele Orte, die ein Zuhause waren, dass der Sinn davon verloren ist.“
Niklas Halm, der sich als Musiker Nkalis nennt, sitzt am Ufer der Isar in Thalkirchen. An diesem Tag findet sein Shooting mit Claudia Sobe für die Ausstellung „10 im Quadrat“ statt. Er ist glücklich, dass Claudia Sobe diesen Ort für das Shooting gewählt hat. Hätte er sich einen Ort in München aussuchen können, wäre das hier, an der Isar.
Niklas Halm hat viele Tattoos, lacht viel und zündet sich beiläufig eine Zigarette an. Für sein Shooting mit Claudia Sobe hat sie ihn gebeten, einen Anzug mitzunehmen – den besitzt er nicht. Stattdessen hat er aber ein Hemd, eine Weste und eine Badehose dabei. Claudia Sobe bindet ihm eine Krawatte um, mehr oder weniger improvisiert, denn beide können das nicht, wie sie bemerken. Sie lachen.
Mit sieben Jahren ist Niklas Halm von München nach Malaysia gezogen, wegen des Jobs seiner Eltern. „Man konnte sich dort fast alles erlauben“, sagt Niklas Halm, er ist in einem Umfeld aufgewachsen ohne viele Regeln. Die Korruption dort ist so hoch, dass „jede Regel mit Geld zu begleichen ist“. Auf seiner internationalen Schule dort „gab es Leute, die haben in Blechhütten gewohnt, mit Hühnchen neben den Abwasserkanälen“ dann welche, die sehr reich waren und in riesigen Hochhäusern gelebt haben. Die Insel, auf der er gelebt hat, „war in etwa zur Hälfte mit Dschungel und Einheimischen bedeckt und die andere Hälfte ist für Ausländer gebaut“, sagt Niklas Halm. Große Einkaufszentren und Häuser. Das Leben dort und die Gegensätze haben Niklas Halms Musik sehr geprägt. In seinen Songs erzählt er viele Anekdoten aus der Zeit.
Schon früh hat Niklas Halm angefangen, Gitarre und Schlagzeug zu spielen, später hat er aufgelegt. „Das lief aber erst mal nicht so gut“, deshalb hat Niklas Halm angefangen zu produzieren. Auf diese Beats begann er dann zu singen und zu rappen. Heute ist seine Musik sehr melancholisch, er singt über das Scheitern, bringt aber auch Humor mit in seine Musik. „Musik ist wie Therapie für mich“, sagt Niklas Halm, er singt über Dinge, die er im Alltag nicht spricht, und verarbeitet sie. Wenn er die Sachen ausspricht, „ist es nicht mehr so bedrückend“.
Sofia Lainovic
Sofia Lainovic, 24, trägt eine schwarze Jeans, die sie heute erst abgeschnitten hat. Dazu ein leicht transparentes, schwarzes Top und schwarze Plateau-Stiefel. Die Sängerin der Band Johnny Fab Kaufmann sitzt auf einem Stuhl in der Sonne vor dem Zirka-Space im Kreativquartier. Sie hat auch ein Soloprojekt unter ihrem Namen, dort singt und schreibt sie alle Songs selbst. „Das eine ist wie eine Art Ventil, so wie Tagebuch schreiben. Und das andere Projekt mache ich einfach, weil ich es liebe, zu singen“, sagt sie. Die einzige Distanz zu ihren persönlichen Texten ist die englische Sprache, in der sie schreibt. Meistens geht es um ihr eigenen Erfahrungen, die sie beschäftigen. Aktuell studiert Sofia Lainovic Lehramt, in Deutsch und Politikwissenschaften, möchte aber nach dem Studium am liebsten komplett der Musik nachgehen.
Sofia Lainovic kann am besten in ruhigen, intimen Momenten schreiben, während einer langen Zugfahrt verspürt sie etwa oft den Drang dazu. Aber für sie wird „Kunst erst zur Kunst, wenn sie in Kommunikation geht“, also wenn sie anfängt, ihre Songs mit anderen zu teilen.
Eine Mathelehrerin aus ihrer früheren Schule hat sie vor einigen Jahren gefragt, ob Sofia Lainovic ein Lied für sie schreiben kann. Sie wollte den Kindern mitgeben, dass sie sich nicht ärgern lassen sollen und gut sind, wie sie sind. Eigentlich eher weniger Sofia Lainovic’ Themen, aber die Lehrerin war begeistert von ihrem Lied. So sehr, dass sie es professionell aufnahm. Damit hat die Lehrerin angeboten, Sofia Lainovic’ musikalischen Werdegang finanziell zu unterstützen.
Seitdem sie siebzehn ist, performt sie ihre Lieder immer wieder live, meist mit ihrem Bruder. Verändert hat sich ihre Musik sehr. Ihr „Wirkungsraum ist beschränkt auf den Text, die Melodie und die Stimme“, weshalb die Veränderungen hauptsächlich von außen kamen. Besonders hat Sofia Lainovic gelernt, besser Grenzen ziehen zu können, gerade bei Menschen, auf die sie in der Musikbranche angewiesen ist. Etwa ehrlich zu sagen, wenn ihr eine Umsetzung nicht gefällt oder Anfragen für Buchungen mit deutlich zu wenig Bezahlung abzulehnen.
Sich selbst als Künstlerin und ihre Musik als Kunst zu beschreiben, fällt Sofia Lainovic schwer. Sie ist eine bescheidene Person, hört interessiert anderen Menschen zu. Wenn sie ein wenig aufgeregt ist, fängt sie an, mehr zu reden.
Das Shooting mit Max Blaumeiser fällt ihr am schwersten bisher. „Du willst einfach nur mich einfangen, wie ich bin. Die meisten anderen wollten etwas Absurdes“, sagt sie. Max Blaumeiser macht lediglich Bilder von ihr in der blauen Stunde. Es gibt kein aufwendiges Outfit, wenig Ablenkung, nur sie vor einer Wand.
Annika Lange
„I’m done with you all / I’m empty of thoughts“ – eine sanfte, zarte Stimme. R’n’B, Soul und Pop-Klänge, ein dämmernder Himmel. Annika Lange, die sich als Musikerin Annika Lisia nennt, sitzt in einer Wüste. Lange blonde Haare, über ihren Kopf eine Glaskugel und ein fast bis zum Boden reichendes, schwarzes Kleid. Gedankenverloren singt sie „Pictures in my mind / Waiting for them to be gone“. Szenen aus dem Musikvideo ihres Songs „Goodbye“. Ein Song aus ihrem Debütalbum. Melancholie in Text und Sound sind typisch und fast schon unvermeidbar für sie.
Annika Lange ist ein sehr tiefsinniger Mensch, reflektiert viel und verarbeitet das in ihren Liedern. „Es war wie eine Reise durch mich selbst“, sagt Annika Lange über die Veröffentlichung ihres Albums im vergangenen Jahr. So intime Texte zu teilen, war wie „ein Moment der Lösung und Befreiung“. Das steht im Kontrast zu ihrem lebensfrohen Auftreten. Diesen Kontrast wollte Lilith Kampffmeyer, in ihrem Shooting für die Ausstellung „10 im Quadrat“ hervorheben, ihre „Goofy-Persönlichkeit“ zeigen. Dafür wurde die 29-Jährige von Lilith Kampffmeyer in Ballerinas, einen hellblauen Anzug fotografiert, ihre Haare in jede Richtung gestylt. „Es macht so Spaß, jedes Mal wieder in eine andere Rolle zu schlüpfen. Es ist fast wie eine Art Therapie“, sagt Annika Lange zu den Shootings.
Schon seit sie klein ist, tanzt Annika Lange Ballett, spielt Klavier und singt. Nach dem Abitur machte sie einen dreimonatigen Schauspielkurs, entschied sich aber doch für ein BWL-Studium in Wien und Madrid. Zu der Zeit ist sie immer wieder auf Open Stages aufgetreten. Nach dem Studium machte sie eine einjährige Jazz-Gesangsausbildung, hat sich dann aber doch erst mal für die Businessbranche entschieden. Gearbeitet hat Annika Lange damit in Bozen und München. Mit der Zeit hat Annika Lange aber gemerkt, dass es sie doch zur Musik zieht und sie sich „beengt gefühlt hat im Bürojob“.
Annika Lange hat angefangen, Songtexte zu schreiben. „Das hat sich aus Tagebuch und Gedichte schreiben so ergeben“, sagt sie. Es ist zu ihrem Ventil geworden. Das Texten ist mit das Wichtigste in der Musik für sie geworden. Das Schwerste waren für Annika Lange anfangs die Auftritte, sie hatte mit starkem Lampenfieber zu kämpfen. Mittlerweile fühlt sie sich sehr wohl auf der Bühne.
Wie mutig es ist, die Musik zum Beruf zu machen, weiß Annika Lange nur zu gut. Oft war sie hin- und hergerissen, wusste sie nicht, welchen Weg sie gehen möchte. So hat es bei ihr einige Zeit gedauert, bis sie diesen Schritt gewagt hat und ihrer Leidenschaft nachgeht. Jahrelang gab es BWL und die Musik in ihrem Leben. Seit zwei Jahren macht sie nun, wofür sie brennt, und hat „Goodbye“ gesagt – zu dem Bürojob.
Maria Ferreira
„Ich dachte, um ehrlich zu sein, Deutschland ist eine Stadt in der Schweiz“, sagt Maria Ferreira und lacht. Sie sitzt vor dem Spiegel. Stylistin Laura Einzmann bemalt sie am Rücken in orangen und gelben Farben. Maria Ferreira trägt ein bodenlanges, schwarzes, elegantes Kleid mit tiefem Rückenausschnitt.
Mit 13 Jahren ist sie von Portugal nach Deutschland gezogen. Geboren ist sie in Nigeria und hat dort bis zur Grundschule gelebt. Maria Ferreira ist halb Nigerianerin und halb Portugiesin. Weil in Portugal in den Schulen viel Wert auf Poesie gelegt wird, hat sie schon früh angefangen, Gedichte zu schreiben. Ihre ersten Songtexte als Kind, wie sie jetzt sagt. Später hat sie dann Coversongs auf Instagram gepostet. Dadurch ist sie an ihre ersten Jobs gekommen, das waren Auftritte auf Hochzeiten, Geburtstagen oder afrikanischen Festen. Ende 2019 wurde sie von ihrem Producer angeschrieben, ob sie Lust hat, einen Song aufzunehmen. „Da ist mir bewusst geworden, dass es viel leichter ist, Musik zu veröffentlichen, als ich gedacht habe“, sagt sie.
Mit vollen Namen heißt die 22-jährige Musikerin Maria Omowonoula Ferreira. Ihr Künstlername ist Wonoula, ihr mittlerer Namen, aber gekürzt. Wonoula schreibt über Momente, die sie selbst erlebt oder hautnah miterlebt. Sie hört Beats und schreibt darauf Texte, deswegen ist es ihr wichtig, die Emotionen, über die sie schreiben möchte, zu den Beats zu fühlen. In „Shakara“, ein Afro- und R’&B’-Song, singt sie über Menschen in Nigeria. Sie haben viele Facetten und Kulturen, „aber ein paar Gemeinsamkeiten haben sie, die Menschen in Nigeria haben sehr viel Stolz und versuchen, ihre Armut oftmals zu verdecken, wodurch sie schnell viel Geld unnötig ausgeben“, darüber singt sie in „Shakara“. „Sie lieben es auch, einen glamourösen Lifestyle zu leben“, sagt Maria Ferreira. Ihre Mutter ist auch so. Maria Ferreira sagt erst, dass sie selbst nicht so ist. Sie sieht sich ihre Sommersprossen, die sie sich aufgemalt hat, im Spiegel an und erzählt, dass sie es schon mag, immer anders und meistens schick auszusehen. Dann sagt sie, „es hat sich wohl doch auf mich abgefärbt“. Sie lacht.
In Nigeria war Maria Ferreira zuletzt 2006, wird aber dieses Jahr wieder dorthin reisen. Für sie ist die Kultur trotzdem ein großer Teil von ihr. Hier in Deutschland hat es einige Zeit gedauert, bis sich Maria Ferreira wohlgefühlt hat. „Ich habe mich immer ein bisschen fehl am Platz gefühlt, unter schwarzen, aber auch unter weißen Leuten“, sagt sie. „Ich bin zu schwarz, um weiß zu sein, und zu weiß, um schwarz zu sein“, jetzt hat sie viele Freundinnen und Freunde, die wie sie mixed sind, das hat ihr sehr geholfen.
Cosima Kiby
Ein Herumklimpern auf Klaviertasten. Strahlende Augen von einer kleinen Cosima Kiby an Weihnachten. Sie ist erst drei Jahre alt und hat womöglich in diesem Moment ihre Liebe zur Musik entdeckt. Wenn Cosima Kiby daran denkt, wie sie zur Musik gekommen ist, war diese schon immer da. Aber diese Erinnerung hat sich eingebrannt, die sie immer wieder hervorrufen kann, wenn sie das Video anschaut, das diesen Moment festhält.
Angefangen hat Cosima Kiby dann aber so richtig mit 13 Jahren. Da fing sie an, ihre ersten Songs zu schreiben, auf Englisch damals noch. Heute sind alle ihre Lieder auf Deutsch. Ihre ersten Aufnahmen hat ihr damals ihre Mutter bezahlt. Cosima Kiby hat es so gut gefallen, dass sie angefangen hat, für ihre Aufnahmen zu sparen. 2021 hat sie angefangen nur noch Deutsch zu singen. Was zuerst unangenehm war, liebt sie jetzt umso mehr. Cosima Kiby hat durch das Singen auf Deutsch eine neue Liebe zu der Sprache entwickelt. „Ich hatte Angst davor, dass jeder genau versteht, worüber ich spreche“, sagt Cosima Kiby, aber „die Schönheit liegt darin herauszufinden, wie man etwas sagt, ohne es direkt zu sagen.“ Jeder soll ihre Texte für sich verstehen. „Es fühlt sich ehrlicher an, wenn es auf Deutsch ist, nackter.“
Ehrlich, genau so will sie auf der Bühne zu sein. Keine Künstlerpersönlichkeit zu haben, sondern authentisch sein, so wie sie im Alltag auch ist. Die 26-Jährige hat beides: traurige und „happy“ Songs, aber die traurigen bedeuten ihr mehr, „sie sind vielschichtiger“. In dem Jahr, in dem Cosima Kiby begann, deutsche Musik zu veröffentlichen, wurde ihre Mutter krank und starb. Das hat sie sehr in ihrer Musik beeinflusst und auch ermutigt, weiter auf Deutsch zu singen, weil ihre Mutter das schon immer toll fand. Ihre Mutter hat sie immer sehr darin bestärkt, Musik zu verfolgen und hat ihr wahrscheinlich auch ein bisschen das ermöglicht, was ihr selbst nicht möglich war.
Es ist ein Morgen, Ende März. Man kann die ersten Tage wieder ohne Winterjacke aus dem Haus gehen. Cosima Kiby steht gemeinsam mit dem Fotografen Dominik Patzelt vor der Münchner Hochschule. Sie trägt eine neongrüne Sweatshirt-Jacke und freut sich, dass sie sich für das Shooting mit Dominik Patzelt keine Gedanken machen muss, was sie anzieht. An diesem Tag hatte sie keine Lust, sich darüber Gedanken zu machen. Wenn sie durch die Münchner Hochschule läuft, schaut sie begeistert umher und zeigt auf verschiedene Orte und sagt: „Hier sollte ich mal ein TikTok drehen!“ Sie ist selbst für die Musik viel auf den sozialen Medien, sieht das aber auch sehr kritisch.
Cosima Kiby ist ein sehr aufgeschlossener, offener Mensch, aber auch viel tiefgründiger, als sie zuerst oft wirkt. Sie mag es nicht, in Schubladen gesteckt zu werden, „das passiert viel zu schnell und zu oft“. Cosima Kiby würde sich wünschen, dass man anfängt, Menschen „nicht als eine Schublade zu sehen, sondern als ganze Kommode“, mit allen Facetten.
Elias Bohatsch
Was haben ein Kochtopf und die musikalische Früherziehung gemeinsam? Für Elias Bohatsch so einiges. In der musikalischen Früherziehung sollte er nämlich einen Kochtopf mitbringen. Als er seine allererste Solonummer auf einem Kochtopf aufführte, war seiner Musiklehrerin klar, dass er Schlagzeug lernen sollte. Kurzerhand hat er sein erstes Schlagzeug und Unterricht bekommen und schnell realisiert, das ist sein Ding.
Einmal kurz vorgespult: Elias Bohatsch ist jetzt schon seit acht Jahren in der Band Wait oft the World Drummer. An diesem Tag steht sein Shooting mit David Buchner an, dafür sollte er im Vorhinein drei Briefe verfassen – um von Dingen, Personen oder Ereignissen loszulassen. Nun soll er die Briefe an das von David Buchner aufgebaute Set befestigen. Zwischen Stacheldraht und Stricken schaut er in die Kamera und David Buchner knipst ab. Die Briefe zu verfassen, war nicht schwer für ihn, „es hatte etwas sehr Therapeutisches“, sagt er. Als er die Konzepte gesehen hat, ist ihm David Buchners als Erstes aufgefallen und er hat direkt angefangen, sich darüber Gedanken zu machen.
Wenn Elias Bohatsch alias Push auf der Bühne steht, spielt er „am liebsten laut und energetisch“, sagt er. Privat spielt er auch gerne Hip-Hop, ihn begeistern oft die einfacheren Beats. Dann kann das, was er spielt, nebenherlaufen und er kann sich mehr auf die Show und seine Band Kollegen einlassen. Im vergangenen Jahr hat die Band ihr Debütalbum released und ist einen Tag nach Veröffentlichung auf Tour gegangen. Der Auftakt war ein Heimspiel, im fast ausverkauften Ampere in München. Push erzählt, wie besonders das war: „Da war so viel Energie dabei, die Leute sind ausgeflippt.“ Viele konnten die Songs schon mitsingen, obwohl sie noch nicht lange veröffentlicht waren, „das war ein unfassbares Gefühl“. Die Tour im Allgemeinen war sehr prägend für die Band. Sie waren auch in Städten, in denen sie nicht damit gerechnet haben, dass Menschen sie überhaupt kennen und „es waren trotzdem immer einige da und hatten Spaß“.
Sein Spitzname Push wurde ihm in der sechsten Klasse gegeben. Elias Bohatsch war damals einer der Ersten mit einem ziehbaren Schulrucksack. Um den Rucksack ziehen zu können, musste er auf einen „Push“-Knopf drücken. Deswegen der Spitzname.
Push ist gerade wieder in der Schule, er macht sein Referendariat als Mathe- und Physiklehrer. Danach hat er vor, sich zeitweise komplett auf die Musik zu fokussieren. „In den letzten paar Jahren habe ich erst die wahnsinnige Parallelität zwischen dem Lehramt und meiner Faszination für Musik erkannt“, sagt Elias Bohatsch. „In beiden Fällen bin ich voll süchtig nach Anerkennung“, die Bestätigung, dass er verständlich erklären kann, und anderen so zu helfen hat ihm auch den Anreiz gegeben, Lehrer zu werden. Für ihn ist das auf einer Ebene damit, wenn Menschen ihm nach einem Konzert loben, dass er gut gespielt hat. Beide Bereiche in seinem Leben sind für ihn eine Bühne, auf der er performt. Trotz dessen hat er zwei verschiedene Persönlichkeiten und ist als Lehrer nicht der Push, der halb nackt aufs Schlagzeug einschlägt.
Loni Lipp
Warme Sonnenstrahlen scheinen auf Loni Lipps Gesicht und sie schaut verträumt aus ihrem Fenster. Sie trägt die rosafarbene Bluse, die das Licht durchscheinen lässt und nur ein paar Nuancen heller als ihre lilafarbenen Haare ist. In der Hand hält sie eine bemalte Leinwand, sie lässt sie leicht aus dem Fenster fallen, fast als würde sie die Leinwand schütteln wie ein Bettlaken.
Nur ein paar Minuten zuvor, auf der Straße vor dem Haus, in dem Loni Lipp wohnt: die 22-Jährige kniet auf dem Steinboden auf der ausgebreiteten Leinwand. Loni Elle, so nennt sie sich als Musikerin, fängt an, Gedanken und Sprüche mit Acrylfarben und Stiften hinzuzufügen. Es ist das Shooting mit Laurin Hirsch, für die Ausstellung „10 im Quadrat“. Die Musikerinnen und Musiker sollen ihre Gedanken zum Thema Sprache teilen. Loni Lipp schreibt mit roter Acrylfarbe: „Literatur lehrt uns mitfühlen.“ Sie teilt ihre Gedanken dazu. „Wenn wir uns alle mehr bilden und mehr darüber nachdenken würden, was andere Menschen denken, wäre schon so viel getan“, sagt sie. Die Menschen wären viel sensibler für andere Lebensrealitäten.
Bevor sie richtig sprechen konnte, lag Loni Lipp in der Küche, hat vor sich hingesungen und sich Geschichten zu der Prinzessin, die ihren Prinzen trifft, ausgedacht. So weit hat sie es damit getrieben, bis ihre Eltern Uhrzeiten ausgemacht haben, wann in der Küche gesungen werden darf. Loni Lipp wirkt manchmal – wie wahrscheinlich damals schon – wie in ihrer eigenen Welt. Ihr Vater ist auch Musiker und konnte ihr so schon früh verschiedene Instrumente wie Klavier und Gitarre zeigen.
Die Musik war schon immer ein großer Teil in Loni Lipps Leben. Nach ihren ersten Klavierstunden hat sie als Kind angefangen, ihre eigenen Songs zu schreiben. Heute studiert Loni Lipp an der Hochschule in München Jazz-Bass, davor war sie an der Jazzschool und hat Jazzgesang studiert. Dort konnte sie sich mehr und mehr ihrer Liebe zum Jazz widmen.
Ihre Liebe zu Bühnen hat Loni Lipp wohl entdeckt, als ihr Vater sie als Kind mit auf Festivals genommen hat. „Fergie von Black Eyed Peas, mit den Stöckelschuhen und tollen Outfits, habe ich bewundert, ich wollte sein wie sie“, sagt Loni Lipp.
Loni Lipp ist nicht gerne vor der Kamera, „so richtig locker lassen konnte ich nicht“, sagt sie. Trotzdem gefällt es ihr, sich auf die Shootings einzulassen. Es ist aufregend und sie mag es, neue Dinge auszuprobieren. Mit Lisa Nguyen hatte sie zum Thema Freiheit ein Nacktshooting. Das Shooting ist ihr am leichtesten gefallen, „ich fühle mich so frei, wenn ich nackt bin“. Sie wünscht sich sogar, dass ihre Nippel bei der Ausstellung zu sehen sind. „Wenn ich einen Teil von meinem Körper nicht zeigen dürfte, würde sich das wieder wie ein Verstecken anfühlen. Das würde den Sinn der Freiheit an dem Foto nehmen“, sagt sie.
Benito Altmann
An diesem Tag ist Benito Altmanns Geburtstag. Das trifft sich gut, denn er bekommt eine Krone auf den Kopf gesetzt. Dazu trägt er eine lockere schwarze Hose mit goldenen Sternen, ein weißes Shirt mit rotem Herz von Lilith Kampffmeyer selbst darauf genäht, und einen hellblauen Mantel. Im Rampenlicht steht er, angestrahlt von Lilith Kampffmeyers warmen Studiolicht.
Inspiriert von Bands wie Red Hot Chili Peppers und Green Day wollte Benito Altmann mit etwa elf Jahren Gitarre lernen. So lange hat er seine Eltern damit genervt, bis er eine Gitarre von Tengelmann bekommen hat. „Da war auch nach ein paar Wochen klar, dass man damit nichts machen kann“, sagt er. Dabei ist es nicht lange geblieben, schon bald ist Benito Altmann umgestiegen auf die klassische Gitarre, dann auf eine E-Gitarre.
Mit Schulfreunden zusammen hat Benito Altmann in seiner ersten Band gespielt, damals nur Gitarre. Mit der Band Exclusive haben sie Indie-Songs gespielt und auf Deutsch gesungen, „das hat wohl ziemlich den Nerv der Zeit getroffen“, sagt Benito Altmann. Denn über die Zeit hat die Band drei Alben herausgebracht, war viel auf Tour und bei Sony Music unter Vertrag. Vier Jahre lang hat die fünfköpfige Band Musik gemacht. Irgendwann sind ihre Interessen auseinandergegangen und so hat sich die Band aufgelöst.
Benito Altmann wollte dann etwas komplett anderes machen, hat deswegen VWL in Barcelona studiert. Wegen der Corona-Pandemie ist er schließlich zurück nach München. Nach einer Covid-Erkrankung ist Benito Altmann zum Arzt gegangen, um seine Lunge anschauen zu lassen. Zu der Zeit hat er überlegt, mit dem Singen anzufangen. „Der Arzt hat mich gefragt, ob ich Leistungssport mache oder singe, weil ich so ein überdurchschnittlich großes Lungenvolumen habe“, sagt er. Danach war für ihn klar, dass er nun Sänger wird. In seiner Zeit in Barcelona schrieb er einige Texte und Gedichte. Gemeinsam mit zwei Freunden hat er Sounds aufgenommen, der erste Song von Freak ist entstanden. Für Live-Aufnahmen haben die drei einen Schlagzeuger gebucht, mit ihm haben sie sich so gut verstanden, dass sie ihn in die Band aufgenommen haben.
Mit Exclusive konnte Benito Altmann damals von der Musik leben, jetzt arbeitet er in einem Start-up. Ob er sich so ein Leben wieder vorstellen könne? Mittlerweile schon. „Es ist einige Zeit vergangen und ich würde meine anderen Interessen nicht mehr so krass in den Hintergrund stellen wie damals“, sagt er.
Zurück zum Shooting mit Benito Altmann und Lilith Kampffmeyer. Das neuste Album von Freak wird unter dem Namen „Kraft und Liebe“ veröffentlicht werden. Passend dazu ist Benito Altmann heute gestylt worden. Das neue Album wird deutlich positiver als das erste. Es erinnert ihn daran, „mit Freunden zu raven, etwas Nices zu erreichen. Aber auch, wie etwas erst mal positiv wirken kann, einen riesigen Deal zu unterschreiben, zum Beispiel, und dann negative Erfahrungen in der Musikindustrie zu machen. Desillusion zu erleben“, erzählt Benito Altmann mit seiner tiefen Stimme.
Elan Pinar
Ins Träumen kommen und wie in einer anderen Welt sein. Das passiert bestenfalls, wenn Elan Pinar die Texte für seine Musik schreibt. „Dabei entstehen die besten Ideen. Die besten Texte entstehen aber, wenn ich mich richtig reinfuchse“, sagt er. Ein Jahr lang hat Elan Pinar in Paris gewohnt, für ihn war das die beste Umgebung, um kreativ zu sein. „Ich musste mich nur in die U-Bahn setzen und bin mit zwei fertigen Texten ausgestiegen“, sagt er. Elan Pinar erzählt von dieser Zeit, als wäre das in einem Film passiert. Klischees bestätigt er, „ich bin einfach eine Basic-Bitch“, sagt er und lacht. Sogar das Rauchen hat er in Paris wegen eines Dates angefangen.
Elan Pinar, 27, der sich als Musiker Allan Cari nennt, schreibt in seinen Liedern viel über Liebe und Intimität. Seine Musik vermittelt eine entspannte Stimmung. „Wenn Leute meine Lieder hören, sollen sie ein Gefühl dafür bekommen, wo ich abhänge und wer ich bin“, sagt er. Elan Pinar würde aber gerne politischer und sozialkritischer in seiner Musik werden. Studiert hat er Politikwissenschaften. „Wenn ich über die Welt nachdenke, werde ich sehr zynisch“, sagt er. Das würde er gerne mit politischen Aussagen in seiner Musik verpacken, mehr für Dinge einstehen. „Ich merke immer wieder, ich bin zu angepasst für den kreativen Bereich und zu viel Kanake für einen Corporate-Job. Ich möchte aber beides sein. Ich möchte zeigen, dass ich mich ernsthaft mit den Geschehnissen unserer Welt auseinandersetzen kann, aber trotzdem kreativ sein kann“, sagt er.
Elan Pinar baut alle Sprachen und Slangs mit in seine Musik ein. Sprechen kann er Türkisch, Deutsch, Französisch und ein wenig Italienisch. Seine Eltern sind aus der Türkei. Schon als Kind hat er sich in den Schlaf gesungen, bevor er richtig sprechen konnte. Dort hat er auch schon immer deutsche und türkische Wörter vermischt. Mit acht Jahren hat Elan Pinar angefangen Instrumente zu spielen, damals Klarinette und Saxofon. Dass er seine ersten Songs aufnahm, hat allerdings eine Weile gedauert. Ihm war es wichtig Menschen zu finden, die ihn bei der Produktion von Liedern gut unterstützen können. Mit 23 Jahren wurde sein erster Song veröffentlicht.
Bei dem Shooting mit Lilith Kampffmeyer trug Elan Pinar einen Rock. Er empfindet es als interessant, mit Männlichkeit und Weiblichkeit zu spielen. „Ich komme daran nicht vorbei, mich auch mit Männlichkeit auseinanderzusetzen. Ich fühle mich sehr im Reinen mit dem, was ich verkörpere, und dem Bild von Männlichkeit, das ich reproduziere. Das habe ich Lilith Kampffmeyer erzählt, und sie hatte dann die Idee mit dem Rock. Mir war klar, ich wollte mich auf die Shootings einlassen, jetzt ziehe ich es auch durch. Und es sah toll aus.“