Fehl am Platz
Als Zugvogel muss der Weißstorch für vieles als Symbol herhalten. Aufbruch und Abschied, Fernweh und Freiheit.
Sein Flug zeigt den Wandel der Welt an: Verschwindet er im Norden aus seinem Nest, dann stehen dort lange Nächte bevor. Und kehrt er zurück aus dem Winterquartier, wirkt auch die Rückkehr der Wärme fast greifbar.
Weil der Weißstorch als Segelflieger bestimmte Aufwinde braucht, die sich nur über Land bilden und nicht über Wasser, umfliegt er auf seinem Weg in den Süden das Mittelmeer.
Ostzieher nutzen dafür den Bosporus. Westzieher die Straße von Gibraltar. Was in Gedichten romantisch als Reise beschrieben wird, ist Ausdruck einer Suche nach Nahrung, die viele Opfer fordert.
Wer kann, hält die Strecke darum möglichst kurz. So überwintern seit ungefähr 30 Jahren immer mehr Westzieher direkt auf der Iberischen Halbinsel, statt bis in die Sahelzone zu fliegen. Warum sie auf den Weiterflug verzichten können?
Da wären die milderen Winter in Europa und die feuchten Reisfelder, in deren Umgebung der Weißstorch viel Nahrung findet. Vor allem aber die vielen offenen Mülldeponien, in deren Nähe sie sich niederlassen, Felder aus Fleischresten und Servietten.
Der spanische Fotograf Txema Salvans war beeindruckt davon, wie sich die Störche, wie er sagt, auf der Iberischen Halbinsel an die »Dystopie unserer Zeit« angepasst haben.
Und suchte nach den ersten Fotos von Nestern immer gezielter nach Industriegebieten mit Störchen, die er auf wöchentlichen Routen mit seinem Wagen abfuhr.
Er fand die Vögel über Bahnstrecken und im Geäst der Strommasten, nistend zwischen Zweigen aus Stahl. Für ihn ein Zeichen ihrer Resilienz.
Auch die Nahrungssuche auf den Mülldeponien ist für Weißstörche gefährlich, natürlich. Kunststoff kann im Hals steckenbleiben und den Magen verstopfen. Wer etwas Falsches frisst, wird vergiftet. Von den Deponien profitieren die Weißstörche dennoch.
Störche, die in ihrer Nähe bleiben, haben etwas höhere Überlebenschancen als solche, die weiterziehen. Das zeigen Daten des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie, die von einem Team um die Biologin Andrea Flack ausgewertet wurden.
Von dem Müll auf der Iberischen Halbinsel zehren auch die Westzieher aus Deutschland. Sie verausgaben sich weniger, sparen Energie und kehren früher in ihre Brutgebiete zurück.
Man kann das finden, wie man will, aber dass der Nabu im vorigen Jahr rund 10.700 Brutpaare zählte, nachdem es 30 Jahre zuvor nur etwa 3200 gewesen waren, hat viel mit menschlichem Abfall zu tun.
Wie sich die Population in Zukunft entwickeln wird, ist unklar. Offene Mülldeponien sollen in der EU bis zum Jahr 2035 die Ausnahme sein, das Klima verändert sich.
Den Wandel der Welt zeigen die Weißstörche jedenfalls weiter an, auch ohne lange Reise.
Fehl am Platz
Als Zugvogel muss der Weißstorch für vieles als Symbol herhalten. Aufbruch und Abschied, Fernweh und Freiheit.
Sein Flug zeigt den Wandel der Welt an: Verschwindet er im Norden aus seinem Nest, dann stehen dort lange Nächte bevor. Und kehrt er zurück aus dem Winterquartier, wirkt auch die Rückkehr der Wärme fast greifbar.
Weil der Weißstorch als Segelflieger bestimmte Aufwinde braucht, die sich nur über Land bilden und nicht über Wasser, umfliegt er auf seinem Weg in den Süden das Mittelmeer.
Ostzieher nutzen dafür den Bosporus. Westzieher die Straße von Gibraltar. Was in Gedichten romantisch als Reise beschrieben wird, ist Ausdruck einer Suche nach Nahrung, die viele Opfer fordert.
Wer kann, hält die Strecke darum möglichst kurz. So überwintern seit ungefähr 30 Jahren immer mehr Westzieher direkt auf der Iberischen Halbinsel, statt bis in die Sahelzone zu fliegen. Warum sie auf den Weiterflug verzichten können?
Da wären die milderen Winter in Europa und die feuchten Reisfelder, in deren Umgebung der Weißstorch viel Nahrung findet. Vor allem aber die vielen offenen Mülldeponien, in deren Nähe sie sich niederlassen, Felder aus Fleischresten und Servietten.
Der spanische Fotograf Txema Salvans war beeindruckt davon, wie sich die Störche, wie er sagt, auf der Iberischen Halbinsel an die »Dystopie unserer Zeit« angepasst haben.
Und suchte nach den ersten Fotos von Nestern immer gezielter nach Industriegebieten mit Störchen, die er auf wöchentlichen Routen mit seinem Wagen abfuhr.
Er fand die Vögel über Bahnstrecken und im Geäst der Strommasten, nistend zwischen Zweigen aus Stahl. Für ihn ein Zeichen ihrer Resilienz.
Auch die Nahrungssuche auf den Mülldeponien ist für Weißstörche gefährlich, natürlich. Kunststoff kann im Hals steckenbleiben und den Magen verstopfen. Wer etwas Falsches frisst, wird vergiftet. Von den Deponien profitieren die Weißstörche dennoch.
Störche, die in ihrer Nähe bleiben, haben etwas höhere Überlebenschancen als solche, die weiterziehen. Das zeigen Daten des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie, die von einem Team um die Biologin Andrea Flack ausgewertet wurden.
Von dem Müll auf der Iberischen Halbinsel zehren auch die Westzieher aus Deutschland. Sie verausgaben sich weniger, sparen Energie und kehren früher in ihre Brutgebiete zurück.
Man kann das finden, wie man will, aber dass der Nabu im vorigen Jahr rund 10.700 Brutpaare zählte, nachdem es 30 Jahre zuvor nur etwa 3200 gewesen waren, hat viel mit menschlichem Abfall zu tun.
Wie sich die Population in Zukunft entwickeln wird, ist unklar. Offene Mülldeponien sollen in der EU bis zum Jahr 2035 die Ausnahme sein, das Klima verändert sich.
Den Wandel der Welt zeigen die Weißstörche jedenfalls weiter an, auch ohne lange Reise.
Der Fotograf
Txema Salvans studierte nicht nur Fotografie, sondern auch Biologie. Er interessiert sich besonders für die Anpassungsfähigkeit von Arten: Sein Fotoband Perfect Day (2020) zeigt Menschen beim Sonnenbaden – zwischen Bauzäunen und Beton.