Es gibt eine schöne Anleitung für den perfekten Strandkörper. Sie ist leicht: Man sollte einen Körper haben und ihn zum Strand bewegen. Schon hat man die Form vollendet: Strandkörper.
Nur jede zweite Frau ist mit ihrem Körper zufrieden, bei Männern sind es 65 Prozent. Fast zwei Drittel würden sich gerne äußerlich verändern, ein Drittel empfindet vorherrschende Schönheitsvorstellungen als persönlich belastend.
Der Wind, die Wellen, die Gischt, das gleißende Licht, die Brandung – alles scheint etwas vom Körperdruck wegzunehmen. Weil die Sinneserfahrung so dominant ist. Wasser, das trägt, Wind, der zerrt, Sand, der klebt und trocknet und rieselt. Und weil Zeit am Meer so gegenwärtig ist.
Im Laufe eines Tages verbringen Menschen durchschnittlich die Hälfte ihrer Gedanken in der Vergangenheit, mit dem Nacharbeiten von Passiertem, oder in der Zukunft: Was will ich noch, was soll passieren, was muss ich erledigen? Für das Jetzt und Hier bleibt am Tag nur die andere Hälfte Aufmerksamkeit übrig. Das mag im Alltag aufgehen, wenn die Wege bekannt sind, die Sinne unbeansprucht mittrotten, die Bedürfnisse routiniert aufs Feierabendbier warten. Am Meer geht das nicht.
Das Meer fordert auf zum Ganz-hier-Sein, und genau das sorgt für Wohlbefinden. Vielleicht ist es das, was die Londoner Designerin Emilia Wickstead meinte, als sie schrieb: »Fliehen und ruhig am Strand sitzen – das ist meine Vorstellung vom Paradies.«
Vielleicht ist es auch das schöne Gefühl, mit dem eigenen unperfekten Körper, der hier halb nackt herumspringt, den Raum für weitere zu schaffen. Weil jede Delle eine weitere möglich macht, weil jeder Mut den nächsten ermutigt, weil jedes Nicht-Urteilen den Raum öffnet, offen zu sein. Womöglich ist das nicht nur am Strand eine gute Herangehensweise: Wer sich nicht jedem Druck beugt, der beugt den Druck. Dann ist Fastnacktsein irgendwann ein solidarischer Akt. Inklusion im Bikini sozusagen.
Denn wenn alle nur in Badekleidung herumlaufen, geraten die Dinge wieder in Relation: Wenig ist heilsamer als die Realität. Echte Körper, die echte Dinge machen bei echtem Licht. Da liefert das Strandspazieren eine erdende Auszeit von der glatten Oberfläche auf Instagram. Und zwar nicht aus diesem giftigen Mindset heraus: Die anderen sind auch nicht richtig dünn/cellulitefrei/breitschultrig. Sondern andersherum: Die allermeisten sind schön in ihrem Abschalten, Nicht-mehr-den-Bauch-Einziehen, Genießen, Entspannen und Echt-Sein.
Haben Sie sich schon mal von jemandem angezogen gefühlt, der wunderschön nur daliegt? Sympathie entsteht doch nicht über Form, sondern über Funktion. Die Eigenart der Bewegung, die Nützlichkeit des Körpers, seine Besonderheit in Aktion – all das wirkt einnehmend. Die Art, wie jemand eine Sandburg baut, die kindliche Vehemenz beim Wellenhüpfen, der Einsatz beim Volleyball, das Liebevolle am Picknick-Vorbereiten, die Selbstvergessenheit beim Muschelnsuchen, das Seelenruhige beim Aufs-Meer-Gucken.
Und bei wem all das nicht wirkt – das Loslassen nicht und nicht das Rationalisieren – dem hilft vielleicht der pure Trotz:
Man kann aber auch ganz praktisch vorgehen: Einfach am ersten Tag zehn Kilometer am Strand spazieren gehen – für das brennend-straffe Gefühl am ganzen Körper sorgt ab Strandtag zwei dann der Muskelkater.