Menschen aus der ganzen Welt haben der Fotografin Katja Kemnitz für ihr Vorher-Nachher-Fotoprojekt ihre gebrauchten Stofftiere angeboten.
Aber sie konnte nur die in die Sammlung aufnehmen, bei denen es realistisch war, das neuwertige Gegenstück zu finden – weil zum Beispiel die Marke noch auf dem Waschzettel stand oder durch ein Logo auf dem Kuscheltier erkennbar war.
Die Idee für das Projekt, an dem sie acht Jahre lang arbeitete, hatte die Fotografin wegen des Stoffhundes ihrer Tochter:
Die große Liebe meiner Kindheit war unsere Katze Zora. Sie war immer kampfbereit, noch heute ist auf meinem rechten Arm eine dünne weiße Narbe von ihren Krallen. Deswegen musste ich oft auf den zweiten Platz meiner Kindheits-Zuneigung ausweichen: ein etwa wadenhohes Berner-Sennenhund-Stofftier. Mit ihm lebte ich aus, was Zora nie erlaubt hätte. Ich streichelte, drückte, rieb, hielt, kuschelte, warf und trug ihn. Sein weiches Fell wurde mit den Jahren struppiger und fester, seine Kunstledernase platzte auf.
Die Fotos aus der Sammlung von Katja Kemnitz auf diesen Seiten zeigen, dass es keinen größeren Beweis für die Liebe eines Kindes zu seinem Kuscheltier gibt als plattgedrücktes Fell, weggeknibbelte Augen, einen gräulichen Schmutzfilm. Für ihr Projekt suchte die Fotografin nach zerliebten Kuscheltieren und jeweils ihrem ladenneuen Gegenstück. Viele Kuscheltiere fotografierte sie in ihrer Heimatstadt Bonn – der Postweg war manchen Eltern und erwachsenen Kuscheltierbesitzern aus anderen Städten zu riskant, erzählt sie in unserem Videotelefonat. Zu groß die Gefahr, dass das Tier in der Post verloren ginge.
Ich wäre dankbar für einen so eleganten Ausweg aus dem Kuscheltierbesitz gewesen. Während unsere Katze mich noch in meiner Jugend begleitete und meine Reflexe weiter schulte, verlor ich irgendwann das Interesse an meinem Stofftier. Lange ließ ich den Hund noch etwas schuldbewusst auf meinem Bett sitzen, was bei 90 Zentimetern Matratzenbreite schon noch als Liebesbeweis zählt. Später kippte meine nostalgische Treue in Scham um. Ich wollte kein Kind mehr sein und stand also vor der Frage, vor der fast alle Jugendlichen und Erwachsenen einmal stehen: wie man ein jahrelang geliebtes Kuscheltier auf eine diskrete Weise loswird.
Natürlich ist der Mülleimer keine Option, zumindest nicht, wenn man ein schlagendes Herz in der Brust hat. Ich hätte nie den Stoffhund (mit Augen! Er sieht mich an!) zwischen alte Papiertaschentücher in den Müllbeutel drücken können. Also wählte ich den Weg, den wohl viele Menschen wählen: Ich lagerte den Hund erst in meinem Kleiderschrank und später in einem Pappkarton im Keller meiner Eltern ein. Während mir die Vorstellung schwerfiel, in meinem Jugendzimmer und später in meinem WG-Zimmer auch nur einen Kubikzentimeter Platz für den Hund herzugeben, tat ich mich leicht damit, großzügig mit der Lagerfläche meiner Eltern umzugehen.
Später, als ich längst erwachsen war, räumte meine Mutter den Keller auf, mistete Kartons aus und setzte den Hund auf das Bett im Gästezimmer. Es war ein Arrangement, mit dem alle Seiten leben konnten. Bis klar wurde, dass der Haushalt meiner Eltern nicht mehr lange bestehen wird. Da stand ich vor der Frage, ob ich auch in meinem eigenen Keller gern meine Kindheitszeichnungen und Bilderbücher aufheben möchte – und den Stoffhund.
Ich wählte wieder den feigen Weg. Bei meinem vorigen Besuch machte ich ein Erinnerungsfoto von ihm und ließ ihn dann einfach auf dem Bett sitzen, in der Hoffnung, dass meine Mutter sich diskret darum kümmern und ich niemals erfahren würde, was aus ihm wurde. Ich habe sie dann aber doch gefragt. Sie habe, sagte sie mir am Telefon, den Hund an Halloween zwei Kindern geschenkt, die an der Tür geklingelt und sich sehr über das Kuscheltier gefreut hätten. Ich weiß nicht, ob das stimmt – oder ob meine Mutter mich einfach nur sehr liebt.