Deutschland und die Zeitenwende

Es lebe die Dritte Republik

Diese Wochen sind Stoff für künftigen Geschichtsunterricht, unser Land darf nicht dasselbe bleiben. Ein Gründungsmanifest.

Text: Nils Minkmar, Collagen: Stefan Dimitrov
10. Mai 2022 - 7 Min. Lesezeit

Indem Kanzler Olaf Scholz in seiner Rede zum 77. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus das zeitgeschichtliche Gedenken und damit eine der wesentlichen Säulen der bundesrepublikanischen Identität mit dem Schicksal der Ukraine verknüpfte, nahm er eine jetzt schon prägende Setzung vor. Mehr noch als seine „Zeitenwende“, die erst einmal eine Beschreibung der Nachrichtenlage war, markiert die Kopplung der heiligsten bundesrepublikanischen Werte – die Lehren, die aus Krieg und Totalitarismus gezogen werden – mit der Pflicht zur Solidarität mit den Opfern des Putin-Regimes einen neuen Abschnitt in der Geschichte dieses Landes: Wir erleben in diesen Tagen den Beginn der dritten Bundesrepublik.

Die erste, die rein westdeutsche BRD war ein vom Kalten Krieg geprägtes Gebilde mit großer Armee, einer Bundeshauptstadt voller Spione und sonst im Wesentlichen ein Flugzeugträger der U.S. Air Force. Der nächste russische Panzer stehe wenige Hundert Kilometer von seinem Schreibtisch, pflegte Helmut Kohl zu sagen, um Kollegen zu verblüffen, und das beschrieb die politische Gesamtlage gut. Man schätzte sich glücklich um jedes Jahr ohne Angriff, jagte Briefträger mit linken Ansichten und betrachtete die Deutschen und Europäer auf der anderen Seite der Mauer mit Staunen und Sorge. Meist ignorierte man sie.

Deutschland und die Zeitenwende

Es lebe die Dritte Republik

Diese Wochen sind Stoff für künftigen Geschichtsunterricht, unser Land darf nicht dasselbe bleiben. Ein Gründungsmanifest.

Indem Kanzler Olaf Scholz in seiner Rede zum 77. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus das zeitgeschichtliche Gedenken und damit eine der wesentlichen Säulen der bundesrepublikanischen Identität mit dem Schicksal der Ukraine verknüpfte, nahm er eine jetzt schon prägende Setzung vor. Mehr noch als seine „Zeitenwende“, die erst einmal eine Beschreibung der Nachrichtenlage war, markiert die Kopplung der heiligsten bundesrepublikanischen Werte – die Lehren, die aus Krieg und Totalitarismus gezogen werden – mit der Pflicht zur Solidarität mit den Opfern des Putin-Regimes einen neuen Abschnitt in der Geschichte dieses Landes: Wir erleben in diesen Tagen den Beginn der dritten Bundesrepublik.

Die erste, die rein westdeutsche BRD war ein vom Kalten Krieg geprägtes Gebilde mit großer Armee, einer Bundeshauptstadt voller Spione und sonst im Wesentlichen ein Flugzeugträger der U.S. Air Force. Der nächste russische Panzer stehe wenige Hundert Kilometer von seinem Schreibtisch, pflegte Helmut Kohl zu sagen, um Kollegen zu verblüffen, und das beschrieb die politische Gesamtlage gut. Man schätzte sich glücklich um jedes Jahr ohne Angriff, jagte Briefträger mit linken Ansichten und betrachtete die Deutschen und Europäer auf der anderen Seite der Mauer mit Staunen und Sorge. Meist ignorierte man sie.