Maxim Biller zur Verleihung des Nicolas-Born-Preises

Was ist schön?

Große Romane sind voller Musik – aber in Deutschland muss man die Poesie schon selbst entdecken. Vom Elend einer Literaturvermittlung, die bis heute auf Germanistenprosa und andere scheintote Texte setzt.

Von Maxim Biller
27. November 2024

Seit ich lesen konnte, gab es immer ein Buch, das ich jeden Tag öffnete, spätestens vor dem Einschlafen. Früher in Prag war es „Die Schatzinsel“ von Louis B. Stevenson, natürlich auf Tschechisch, oder „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ von Jules Verne. Die „Drei Musketiere“ und den „Grafen von Monte Christo“ konnte ich sogar fast auswendig, das war dann schon in Hamburg. Und weil ich Karel Čapeks „Krieg mit den Molchen“ liebte – wütende Tiefseebewohner kommen aus dem Meer, lernen sprechen und kämpfen und erobern die Menschenwelt –, kletterte ich nach der Schule im Arbeitszimmer meines Vaters auf seinen großen Lederstuhl mit den Rollen und zog wild schwankend aus dem obersten Fach seines Bücherregals die tschechische Ausgabe eines anderen Čapek-Romans.

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