Zum Sehen, zum Lesen, zum Hören
Zum Sehen

Drama-Serie
Sovjet Jeans

Kaum zu glauben, dass ein paar blaue Hosen mal Anlass für so viel Ärger waren. Der junge Kostümbildner Renars trägt Jeans. Das Problem ist: Er tut das Ende der 1970er-Jahre in der Sowjetrepublik Lettland. Und dort stehen Jeans als Symbol für die verhasste westliche Welt. Renars hat aber einen gut, darf sogar mit Jeans handeln, solange er für den KGB spitzelt. Aber: Das Blatt wendet sich, als man von ihm Informationen über die Gastregisseurin Tina verlangt, in die er sich gerade verguckt hat. „Sovjet Jeans“ in der Arte-Mediathek ist eine bemerkenswerte Milieustudie über einen paranoiden Staat, der vor lauter Feinden vergisst, sich Freunde zu suchen.
Doku-Serie
Oktopus!

2020 landete Netflix mit „Mein Lehrer, der Krake“ einen kleinen Hit: Eine Unterwasser-Doku über die besondere Beziehung eines Tauchers zu einem Oktopus-Weibchen. Nun widmet sich die Konkurrenz dem achtarmigen Tier, in der zweiteiligen Prime-Serie „Octopus!“. Das Ass im Amazon-Ärmel ist Phoebe Waller-Bridge, bekannt etwa aus der Serie „Fleabag“ und gefeiert für ihren klugen, die vierte Wand durchbrechenden Humor. Waller-Bridge bricht als Off-Stimme auch in der Dokumentation mit Genre-Konventionen, sie erzählt nicht nur, sie kommentiert und interagiert. Doch der Star des Films ist jemand anderer: Oktopus-Dame Doris.
Dokumentation
Selenskyj: Vom Entertainer zum Staatsmann

Wenn sich Fiktion in die Wirklichkeit einmischt, ist das manchmal unglaublich. Und doch gibt es da Wolodimir Selenskij, der einmal als Komiker die Rolle des ukrainischen Präsidenten spielte und wenig später tatsächlich zum Präsidenten der Ukraine gewählt wurde. In der Arte-Dokumentation „Selenskyj: Vom Entertainer zum Staatsmann“ wird nun dieses Phänomen erforscht, die Fiktion mit der Wirklichkeit gegengeschnitten. Da werden aus Sätzen des fiktiven Präsidenten plötzlich dunkle Vorahnungen des echten. Prophetisch, ja unglaublich fast. „Verlieren ist schlimmer als sterben“, sagte Selenskij damals als Komiker. Heute wiegen diese Worte bleischwer.
Drama
Sieben Tage

Als die iranische Frauenrechtlerin Maryam aus dem Gefängnis freigestellt wird, um ihre Herzkrankheit behandeln zu lassen, organisiert ihre Familie für sie eine Möglichkeit zu fliehen. Aber sie will nicht gehen. Oder: Sie kann nicht. Für die iranische Frauenrechtlerin ist Widerstand wichtiger. Und so lässt sie sich nur für ein Treffen mit ihrer Familie aus dem Land schleusen, aber nicht ohne zu sagen und zu erklären, dass sie zurückkehren muss.„Sieben Tage“ von Ali Samadi Ahadi und Mohammad Rasoulof ist ein bedrückendes Drama über Flucht und darüber, was es bedeutet, sich von seiner Familie, seiner Sprache und seiner Heimat trennen zu müssen.
Zum Lesen

Graphic Novel
Sonntag

Ein Sonntag, an dem einfach gar nichts passieren soll. Das klingt so verlockend wie unmöglich. Meistens passiert doch irgendwas. Und wenn nicht, wird man unruhig. Oliver Schrauwen hat mit der Graphic Novel „Sonntag“ einen solchen seines Vetters Thibault Schrauwen dokumentiert. Und die Graphic Novel leistet dabei mit ihrer besonderen Form etwas Außergewöhnliches. Eine doppelte Perspektive: Auf grafischer Ebene beobachtet man Thibault von außen, durch den Tag, bei einfachen Dingen, wie Kaffeemachen. Auf der Textebene geht man seinen Gedanken nach. Und wenn er einen Ohrwurm von James Brown hat, liest man die Lyrics, wie sie sich in seinem Kopf festgesetzt haben. Get up, ah!
Roman
Gespensterfische

Multiperspektivisch ist auch Svealena Kutschkes Psychiatrieroman „Gespensterfische“. Kapitelweise springt man dort zwischen Figuren hin und her, alle mit eigener Sprache und eigener Zeit. Zusammengehalten wird das durch das Gebäude der psychiatrischen Klinik. Und durch Sätze, die man sich am liebsten ins Gedächtnis einschreiben würde. Hauptfigur Laura recherchiert zum Schicksal einer Patientin und entdeckt ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Klinik. Wie Laura setzt man auch selbst die Fragmente zusammen, mit jedem Kapitel knüpft man nach und nach ein Netz aus Motiven und Figuren. Kutschke weiß mit ihrer Sprache zu verführen und mit ihrer Form herauszufordern.
Zum Hören

Podcast
Konsum und Konkurs

Kaufhäuser sind ja eigentlich so was wie Thomas Müller. Auch wenn man kein Fan von ihnen ist, ist man doch froh, wenn sie noch da sind. Oder? Weihnachtseinkäufe erledigt man zwar mittlerweile online, aber wenn man an Weihnachtseinkäufe denkt, denkt man doch nicht an kalte Laptopbildschirme und den tristen „Bestellen“-Knopf, sondern noch immer an die Spielzeuge in Schneelandschaften im Kaufhof-Schaufenster. Ist es nun doch Zeit, Abschied zu nehmen? Die Journalisten Manuel Gogos und Christoph Spittler gehen für Deutschlandfunk Kultur auf Forschungsreise und fahren auf Rolltreppen durch die Geschichte der Warenhäuser.
Pop
Strike Up the Band

Der junge Lowell George wurde einst als Gitarrist von Frank Zappa gefeuert, weil der Mothers of Invention-Leader ihn für zu talentiert hielt. George solle lieber sein eigenes Ding machen. Also machte George sein eigenes Ding: Little Feat hieß das dann, und die Band entwickelte sich in den späten Siebzigern zum Liebling der Popintellektuellen, die die Sound lasen und später die Spex. George starb 1979. Danach blieb für Little Feat lange nur noch die Mittelmäßigkeit. Bis jetzt. „Strike Up the Band“ ist ein Comeback, wie man es sich kaum noch erhoffen wollte. Ihr bestes Album seit 40 Jahren.