Zum Sehen, zum Lesen, zum Hören

Beste Screwball-Comedy, ein Buch über die Flucht auf eine Berghütte und Musik, die mehr als rosig ist: Acht Kulturempfehlungen für ein entspanntes Wochenende.

27. März 2025

Zum Sehen

Comedy-Serie

The Residence

auf Netflix

Ein Staatsbankett im Weißen Haus. Ein Toter. 157 Verdächtige. Angesichts dessen, dass man heute nicht mehr viel zu lachen hat im Weißen Haus, klingt das womöglich gewagt, stellt sich aber als großes Glück heraus: Die erfolgreiche Netflix-Serie „The Residence“ ist beste Screwball-Comedy mit viel Platz für Referenzen großer Whodunit-Krimis. Verantwortlich zeichnet die erfolgreiche US-Produzentin Shonda Rhimes („Scandal“, „Grey’s Anatomy“). Und, wer war es? Das muss die passionierte Ornithologin und, okay, auch Kommissarin vom Metropolitan Police Department Cordelia Cupp herausfinden. 

Dokumentation

Pandoras Vermächtnis

Ab 3. April im Kino

Nachdem sich Daniel Kehlmann in seinem neuesten Roman „Lichtspiel“ bereits an der Nazi-Deutschland-Geschichte des Filmregisseurs G.W. Pabst abgearbeitet hat, wagen sich dessen Enkelsöhne Ben und Daniel zusammen mit Marion Jaros und der Regisseurin Angela Christlieb an einen eher privaten Blick auf den Filmemacher. Im Dokumentarfilm „Pandoras Vermächtnis“ wird die Geschichte einer Familie erzählt, aus Fragmenten aus Pabst-Filmen sowie „Trude“ Hennings Erinnerungen. Mit sehr feinem Gespür und ohne dabei anklagend zu sein.

Dokumentation

An der Spitze

Apple TV+

Während in amerikanischen Filmstudios, bei Disney etwa oder Warner Bros, die DEI-Programme zur stärkeren Repräsentation von marginalisierten Gruppen abgeschafft werden, erscheint bei Apple TV+ ein Zweiteiler zur Geschichte von Black Hollywood. Legendäre Schauspieler wie Jamie Foxx, Morgan Freeman, Halle Berry und Octavia Spencer erzählen in der Dokuserie „An der Spitze“ vom Weg zum Ruhm. Mit den aktuellen Entwicklungen in Hollywood muss man befürchten, dass der Weg für schwarze Schauspieler nicht leichter wird. Umso empfehlenswerter ist die Serie.

Dokumentation

Eternal You

ab 3. April, ARD Mediathek

Ein Mensch, der in seinem Leben digitale Medien benutzt, hinterlässt bei seinem Tod einen Haufen Daten. Daten, aus denen man mittels künstlicher Intelligenz digitale Abbilder bauen kann. So ist es heute schon möglich, verstorbene künstlich wiederzubeleben und mit ihnen zu interagieren: zu schreiben, zu reden, ihnen zuzuhören. „Eternal You“ durchleuchtet dieses Phänomen eindrucksvoll. Denn natürlich hat das Vor- und Nachteile - aber über die muss man ja erstmal reden. 

Zum Lesen

Roman

Wild wuchern

Katharina Köller

Wie existiert man weiter, wenn man sich und die Welt eigentlich gar nicht mehr ausstehen kann? Das fragt sich Marie in Katharina Köllers neuem Roman „Wild wuchern“, nachdem ihr Freund sie wiederholt misshandelt hat. Die Modedesignerin flüchtet vor dem nicht mehr aushaltbaren Alltag auf eine Hütte in den Bergen. Dort lebt ihre Cousine schweigsam eremitisch vor sich hin und versorgt Ziegen. Marie schließt sich ihr an. Und lernt natürlich viel mehr als Holzhacken. 

Roman

Märtyrer!

Kaveh Akbar

Es ist noch keine Ewigkeit her, dieses Amerika vor Trump. Und doch fühlt sich Kaveh Akbars aktueller Roman so an, als sei er aus ferner Vergangenheit. Akbar betreibt mit seiner Hauptfigur Cyrus Shams eine Studie über das linke Amerika und zeigt auch dessen doppelmoralischen Konflikt vielschichtig und unterhaltsam. Vielleicht ein Buch, das in der Rückschau ein bisschen verstehen helfen kann, wie wir dort landen konnten, wo wir heute sind.

Zum Hören

Pop

Musik aus meinem Leben

Hildegard Knef

2025 ist Thomas-Mann-Jahr. Aber auch: Hildegard-Knef-Jahr. Den meisten ist sie sträflicherweise nur als alte Schlagersängerin im Kopf. Die mit den roten Rosen. Knef war viel mehr! Eine begnadete Schauspielerin, eine charismatische Musikerin, eine extrovertierte Künstlerin. Das zeigt auch der Film „Ich will alles. Hildegard Knef“ von Luzia Schmid, ab 3. April im Kino. Ein neues Best-of-Album ist auch kürzlich erschienen. Zeit, sich mal wieder der Grande Dame zu widmen, die dieses Jahr 100 Jahre alt geworden wäre.

Pop

Forever Howlong

Black Country, New Road

Selten sieht man eine Transformation so geglückt wie bei der Band Black Country, New Road. Früher im Post-Punk-Gewand, heute irgendwo zwischen der Spontanität von Jazz und der Struktur von Barock-Pop. Und dazwischen Bowie, Beatles und Beach Boys. Ja, das klingt verrückt. Mit ihrem dritten fantastischen Studioalbum „Forever Howlong“ dürfte sich die Band im Indie-Olymp ein Plätzchen suchen.

Favorit der Woche

Das Ubuweb

ubu.com

Ubuweb ist zurück (ubu.com). Die Schattenbibliothek für Avantgardekunst und Subkulturen hatte 2024 offiziell den Betrieb eingestellt. 30 Jahre seien genug, hieß es damals. Seit 1. Februar ist die Seite wieder aktiv. „Angesichts der politischen Veränderungen in Amerika und anderswo auf der Welt haben wir beschlossen, unser Archivieren neu zu starten und Ubu wieder wachsen zu lassen“, steht in der Begründung. Betrieben wird die Seite von Kenneth Goldsmith, einem Dichter und Autor von 32 Büchern und einem Auftritt im Obama-White-House in der Biografie.

Als reiner Eskapismus ist Ubuweb ein wunderbarer Kaninchenbau. Doch Eskapismus ist nur eine Nebenwirkung. Goldsmiths Archiv ist in erster Linie ein Kulturschatz. Die Menge an Filmen, Videos, Tonaufnahmen, Bildern, Comics und Texten ist seit dem Start der Seite zu einem enormen Archiv angewachsen. Wollte man da einen Kanon bestimmen, wäre das am ehesten das späte 20. Jahrhundert aus der Perspektive der Weltkulturhauptstadt New York. Da findet sich Jean-Michel Basquiats Kinofilm „Downtown 81“ genauso wie Videoinstallationen von Yoko Ono oder Choreografien von Sidi Larbi Cherkaoui, eine Zimmerperformance von Jonathan Meese, Animationen von Maria Lassnig oder die Telefongedichte des Giorno Poetry Systems. Das Urheberrecht ist da nur ein bürgerliches Konzept. Wobei es – das ist Goldsmith wichtig – bisher keinen einzigen Urheberrechtsprozess gab. Bei Beschwerden nimmt er die Werke auch wieder vom Netz.

Geld verdient er damit ohnehin nicht. Das Ubuweb trägt sich durch Spenden, vor allem in Form von Speicherplatz und Datenvolumen, die Universitäten und Kulturstiftungen zur Verfügung stellen. Deswegen sieht Goldsmith das Ubuweb gerade jetzt als eine Form des Widerstands: „In einer Zeit, in der unser kollektives Gedächtnis systematisch ausgelöscht wird, erweist sich das Archivieren als eine starke Form des Widerstands, als eine Möglichkeit, entscheidende, subversive und marginalisierte Ausdrucksformen zu bewahren.“ Andrian Kreye

Text: Leon Frei; Illustration: Sead Mujić; Editorial Design: Felix Hunger; Redaktion: Carolin Gasteiger

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