Corona-Aufarbeitung

Verdrängen hilft uns nicht weiter

Vor drei Jahren erreichte die Pandemie Deutschland, seither wurde vor allem darüber gezankt. Jetzt ist eine gelassene Manöverkritik fällig.

Text: Georg Mascolo, Illustration: Stefan Dimitrov
19. Januar 2023 - 6 Min. Lesezeit

Leider muss man an das andere Ende der Welt schauen, um zu sehen, wie souverän Politik und Gesellschaft mit einer Pandemie umgehen können. In Neuseeland liegt die Aufarbeitung jetzt in der Hand von exakt drei Personen: einem Wissenschaftler und zwei Ex-Ministern. Niemand hat versucht, erst mal runde Tische einzuberufen, diverse Arbeitsgruppen oder das Gremium (formal eine „Royal Commission“) aufzublähen. Und es spielte auch keine Rolle, ob sich Verteidiger und Kritiker von Corona-Einschränkungen möglichst paritätisch wiederfinden. Untersucht wird der Zeitraum zwischen Februar 2020 bis hin zum Oktober 2022, das Ziel ist ein genauer Blick. Auf die verhängten Lockdowns, die damit verbundenen ökonomischen Folgen und die für Kinder und Jugendliche. Mitte des kommenden Jahres bereits sollen die Ergebnisse vorliegen.

Neuseeland gehört zu jenen Staaten, die in der Pandemie erst gefeiert und später kritisiert wurden. Lange schaute der Rest der Welt mit Bewunderung auf die Insel. Ein bisschen, wie in Deutschland. Bis in den Herbst 2020 war überall die Rede vom „deutschen Wunder“, davon, dass die gut organisierten Deutschen jetzt auch noch Pandemiebekämpfung so gut können. Es folgte ein erster Absturz, es folgten Jahre schwieriger, widersprüchlicher Entscheidungen, es folgten schmierige Masken-Deals, es folgten Insolvenzen, staatliche Förderungen, mal besser, mal schlechter organisiert, es folgten mehr als 160 000 Tote und eine große Zahl an Menschen, die sehr lang unter den Folgen der Krankheit, und manchmal auch der Impfung litten – oder es bis heute tun. Es lief also nicht viel schlechter, aber eben auch nicht mehr besser als in vielen anderen Ländern der Welt.

Warum eigentlich?

Heute ist ein guter Tag, sich diese Frage zu stellen: Es liegt jetzt drei Jahre zurück, dass das Virus erstmals nach Deutschland kam, eine chinesische Mitarbeiterin des Automobilzulieferers Webasto brachte es aus Shanghai nach München. Sie hatte sich bei einem Besuch ihrer Eltern in Wuhan infiziert. Aktuell meldet das RKI nur noch etwa 14 000 Neuinfektionen, Tendenz sinkend, die Pandemie kommt voraussichtlich an ihr Ende. Aber von der neuseeländischen Entschlossenheit zur Aufarbeitung ist in Deutschland so gar nichts zu spüren.

Die Stimmung sei zu vergiftet, und dann ist da noch die Angst vor der nächsten Variante

Vielmehr wirkt es, als wolle man das Thema schnellstmöglich verdrängen. Es gibt vereinzelte Stimmen, wie den Arzt und FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann, der eine Enquetekommission des Bundes wünscht, oder die des bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek, der eine Untersuchung Thema „Kindergesundheit in Pandemiezeiten“ fordert. Für die insgesamt lustlose Debatte über eine Aufarbeitung gilt, was in der Pandemiepolitik zuletzt auch galt: Jeder will etwas anderes. Die bisher durchgeführten Untersuchungen - im vergangenen Jahr durch einen Sachverständigenrat - hatten kein umfassendes Mandat und zu wenig Zeit. Und seit die Gefährlichkeit des Virus verschwindet, erlahmt auch endgültig die notwendige Neugierde zu verstehen, was in diesem Land in den vergangenen Jahren geschehen ist.

Corona-Aufarbeitung

Verdrängen hilft uns nicht weiter

Vor drei Jahren erreichte die Pandemie Deutschland, seither wurde vor allem darüber gezankt. Jetzt ist eine gelassene Manöverkritik fällig.

Leider muss man an das andere Ende der Welt schauen, um zu sehen, wie souverän Politik und Gesellschaft mit einer Pandemie umgehen können. In Neuseeland liegt die Aufarbeitung jetzt in der Hand von exakt drei Personen: einem Wissenschaftler und zwei Ex-Ministern. Niemand hat versucht, erst mal runde Tische einzuberufen, diverse Arbeitsgruppen oder das Gremium (formal eine „Royal Commission“) aufzublähen. Und es spielte auch keine Rolle, ob sich Verteidiger und Kritiker von Corona-Einschränkungen möglichst paritätisch wiederfinden. Untersucht wird der Zeitraum zwischen Februar 2020 bis hin zum Oktober 2022, das Ziel ist ein genauer Blick. Auf die verhängten Lockdowns, die damit verbundenen ökonomischen Folgen und die für Kinder und Jugendliche. Mitte des kommenden Jahres bereits sollen die Ergebnisse vorliegen.

Neuseeland gehört zu jenen Staaten, die in der Pandemie erst gefeiert und später kritisiert wurden. Lange schaute der Rest der Welt mit Bewunderung auf die Insel. Ein bisschen, wie in Deutschland. Bis in den Herbst 2020 war überall die Rede vom „deutschen Wunder“, davon, dass die gut organisierten Deutschen jetzt auch noch Pandemiebekämpfung so gut können. Es folgte ein erster Absturz, es folgten Jahre schwieriger, widersprüchlicher Entscheidungen, es folgten schmierige Masken-Deals, es folgten Insolvenzen, staatliche Förderungen, mal besser, mal schlechter organisiert, es folgten mehr als 160 000 Tote und eine große Zahl an Menschen, die sehr lang unter den Folgen der Krankheit, und manchmal auch der Impfung litten – oder es bis heute tun. Es lief also nicht viel schlechter, aber eben auch nicht mehr besser als in vielen anderen Ländern der Welt.

Warum eigentlich?

Heute ist ein guter Tag, sich diese Frage zu stellen: Es liegt jetzt drei Jahre zurück, dass das Virus erstmals nach Deutschland kam, eine chinesische Mitarbeiterin des Automobilzulieferers Webasto brachte es aus Shanghai nach München. Sie hatte sich bei einem Besuch ihrer Eltern in Wuhan infiziert. Aktuell meldet das RKI nur noch etwa 14 000 Neuinfektionen, Tendenz sinkend, die Pandemie kommt voraussichtlich an ihr Ende. Aber von der neuseeländischen Entschlossenheit zur Aufarbeitung ist in Deutschland so gar nichts zu spüren.

Die Stimmung sei zu vergiftet, und dann ist da noch die Angst vor der nächsten Variante

Vielmehr wirkt es, als wolle man das Thema schnellstmöglich verdrängen. Es gibt vereinzelte Stimmen, wie den Arzt und FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann, der eine Enquetekommission des Bundes wünscht, oder die des bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek, der eine Untersuchung Thema „Kindergesundheit in Pandemiezeiten“ fordert. Für die insgesamt lustlose Debatte über eine Aufarbeitung gilt, was in der Pandemiepolitik zuletzt auch galt: Jeder will etwas anderes. Die bisher durchgeführten Untersuchungen - im vergangenen Jahr durch einen Sachverständigenrat - hatten kein umfassendes Mandat und zu wenig Zeit. Und seit die Gefährlichkeit des Virus verschwindet, erlahmt auch endgültig die notwendige Neugierde zu verstehen, was in diesem Land in den vergangenen Jahren geschehen ist.