Künstlerische Studiengänge

Auf ins kreative Berufsleben!

Malerei, Zeichnen am iPad, Pädagogik oder das Gestalten von öffentlichen Räumen: Im Bereich der Kunst gibt es viele Möglichkeiten, sich zu spezialisieren. Drei Studierende beschreiben ihren individuellen Weg.

Von Christiane Bertelsmann
12. Mai 2022

Einfach nur Spaß am Zeichnen zu haben, reicht nicht: Wer freie Kunst oder ein künstlerische Spezialgebiet studieren möchte, muss ein Bewerbungsverfahren durchlaufen. Viele Hochschulen verlangen eine Mappe – digital oder analog – mit künstlerischen Arbeiten und ein Motivationsschreiben. Entspricht beides den Vorstellungen der Prüfungskommission, werden die Bewerber an manchen Hochschulen zu einem Gespräch eingeladen. Wenn auch das glattgeht, startet das Studium. Drei Studierende berichten über ihre Erfahrungen mit einem künstlerischen Studium:

"Als Künstler zu arbeiten ist ein Lebensentwurf."

Joel Li Boonma

Der 21-Jährige studiert Grafik und Malerei (Bachelor of Fine Arts) an der Hochschule der bildenden Künste (HBK) Essen.

Dass er unbedingt einmal etwas mit Kunst machen sollte, hat ihm so gut wie jeder aus seinem Umfeld geraten – Lehrer, Freunde, Verwandte. „Auf dem Abiball kam meine ehemalige Klassenlehrerin zu mir und hat auf mich eingeredet, dass ich mich für ein Kunststudium bewerben soll“, sagt Joel Li Boonma. „Ich konnte ja schon in der zweiten Klasse perspektivisch zeichnen. Als Kind hatte ich drei Hauptbeschäftigungen: mit Lego bauen, durch den Wald streifen und zeichnen, malen. Intensiv und exzessiv.“

Und doch entschied er sich nach dem Abitur für etwas ganz anderes: Er schrieb sich für ein Bauingenieursstudium ein und zog dafür nach Weimar. „Nach der Schule dachte ich, das ist genau richtig, etwas Vernünftiges, etwas Bodenständiges“, sagt Boonma. Gleich im ersten Semester kam der Lockdown. Da saß er dann, in einer fremden Stadt, ohne die Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen, mit einem Studienfach, das sich doch nicht so richtig gut anfühlte. „Als Schüler habe ich ein Praktikum bei einem freischaffenden Künstler gemacht. Thomas Kohl war Meisterschüler von Gerhard Richter, Dozent an einer Hochschule. Daran musste ich denken“, erzählt der 21-Jährige. „Als Künstler zu arbeiten ist ein Lebensentwurf, der mir definitiv gefallen würde.“

Also bewarb er sich an Kunsthochschulen, unter anderen bei der HBK Essen. Seine Arbeiten und sein Motivationsschreiben überzeugten die Prüfungskommission so, dass er gleich ein Teil-Stipendium bewilligt bekam. Seit einem Jahr studiert Boonma an der HBK – und hat seine Entscheidung noch keinen Tag bereut: „Hier finde ich den idealen Nährboden, um als Künstler heranzuwachsen.“ Er schätzt die Freiheit, das Interdisziplinäre, die individuelle Förderung. „Für mich als Schaffenden ist das ideal“, sagt Boonma, der auf dem Gelände der HBK, einer ehemaligen Bandweberfabrik in Wuppertal-Barmen, so wie alle anderen Kunststudierenden ein Gemeinschaftsatelier hat.

Was er nach dem Studium machen will, ist klar: als freischaffender Künstler arbeiten. „Die Möglichkeit besteht, dass es klappen kann“, meint er. Und als Alternative? Kunstlehrer.

Aber erst einmal steht die erste große Ausstellung an – mit Leuten aus der Hochschule und einem Dozenten. Den Ausstellungsort suchen sie noch. Hochschulunabhängig soll die Ausstellung sein. Also der erste Schritt ins Leben als freier Künstler.

"Kunst ist ein schöner Weg, um aus dem Alltag rauszukommen."

Katrin Röding

Die 26-Jährige studiert Kunstpädagogik an der LMU München (Bachelor).

Lauter bunte Wunderbäume. Mit Korallenästen, neugierigen Augen in den Astgabeln, dicken brauen Wurzeln und Äpfeln in Knallgrün und Signalrot. Die Kunstwerke hingen in der Kinderklinik München-Schwabing, hergestellt von jungen Patienten. Als Grundlage für die Gute-Laune-Wunderbäume diente ein kleines Heft mit einer Bastelanleitung, das sich Katrin Röding und eine Mit-Studentin ausgedacht hatten.

Röding studiert im Bachelor-Studiengang Kunstpädagogik an der LMU München. „Wir haben schon länger eine Kooperation mit der Kinderklinik“, sagt sie. Normalerweise arbeite man mit den Kindern in der Klinik. „Aber weil fast meine ganze Studienzeit unter Corona-Beschränkungen fiel, mussten wir uns in Zoom-Meetings überlegt, was wir den Kindern im Krankenhaus anbieten können, damit sie etwas Ablenkung haben.“ So kam die Idee, ein Heft zu gestalten, mit dessen Hilfe sich jedes Kind einen Wunderbaum zusammenbasteln konnte.

Der Bezug zu Menschen, zur Gegenwart, das ist es, was die junge Frau an ihrem Kunstpädagogik-Studium mag – und was ihr vorher fehlte. Da hatte sie ein Kunstgeschichtsstudium begonnen, aber nach ein paar Semestern wieder aufgehört, weil es ihr zu theoretisch war. „Dann habe ich an der LMU Kunstpädagogik als Studienfach für mich gefunden – da kann ich die Kenntnisse aus meinem Kunstgeschichtsstudium einbringen.“ Ihr liegt es, mit anderen Menschen zu arbeiten, auch mit Menschen in Not, mit Flüchtlingen, mit Kindern, die Ablenkung brauchen. „Kunst ist ein schöner Weg, um aus dem Alltag rauszukommen“, findet Röding.

Künstlerisch geht es bei ihr ganz klar in Richtung digitale Kunst: „Ich habe mich schon immer für Fotobearbeitung und für Videos interessiert und zeichne schon lange digital am iPad.“ Bereits als Schülerin brachte sie sich selbst eine Menge mithilfe von Tutorials bei, sodass sie als freie Grafik-Designerin für Münchner Jugendzentren Programme und Plakate entwerfen konnte. Später kamen dann Instagram-Posts dazu.

Mit dem Lockdown war damit erst mal Schluss – „es gab ja keine Veranstaltungen mehr, das war richtig traurig“, sagt Katrin Röding, die inzwischen im sechsten Semester ist und bald mit ihrer Bachelorarbeit anfängt. Nach dem Bachelor will sie als Freelancerin im Bereich Grafik-Design weitermachen – ihre alten Kunden, die Kultur- und Jugendzentren, haben wieder geöffnet. Und noch eine Idee hat Röding: Sie würde gerne ein Kindercafé gründen, in dem Eltern in Ruhe Kaffee trinken können, während sich die Kinder künstlerisch austoben dürfen. „Das gibt es bereits in Japan oder auch in Indonesien und Südkorea“, sagt sie. „Ich bin sicher, das würde auch hier laufen.“ Vielleicht mit bunten Wunderbäumen an Wänden.

"Wir wollen gesellschaftspolitische Themen aufgreifen"

Jonathan Joosten

Der 25-Jährige studiert Public Art and New Artistic Strategies (Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien) als Master-Studiengang an der Bauhaus-Universität Weimar.

Mit Themen wie Stadtplanung, Raumplanung und Raumforschung, Denkmalpflege oder Städtebau kennt sich Jonathan Joosten aus: Seinen Bachelor in Urbanistik hat er bereits in der Tasche. Jetzt studiert er an der Bauhaus-Uni in Weimar Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien – so heißt sein Studiengang auf Deutsch.

Kunst im öffentlichen Raum – da denkt man zunächst an mehr oder weniger gelungene Installationen oder andere Gestaltungsversuche auf öffentlichen Plätzen oder an Gebäuden. „In unserem Studiengang geht es eher nicht darum, irgendetwas zu verschönern oder Statuen aufzustellen“, stellt Jonathan Joosten klar. „Wir wollen gesellschaftspolitische oder auch historische Themen aufgreifen.“ Etwa bei einem Projekt in Leipzig für die ehemalige Stasi-Zentrale, die seit 1989 teilweise leer steht. „Wir haben mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geredet und intensiv zur Geschichte des Ortes recherchiert, aber auch geschaut, was da in der Zwischenzeit passiert ist“, erklärt Joosten. Am Schluss eines solchen Projektes steht dann eine Performance oder ein Video – Formate, die bei einer Auseinandersetzung mit dem Ort helfen sollen. „Mein Medium, um mich künstlerisch auszudrücken, ist die Intervention am jeweiligen Ort. Etwas bauen, etwas verändern – gemeinsam mit Menschen, die dort leben“, beschreibt der Künstler seinen sozialen Ansatz.

Für Architektur und Stadtentwicklung interessiert sich der 25-Jährige schon lange: „Ich bin in Stuttgart aufgewachsen, da waren die Diskussionen über Stuttgart 21 ein sehr prägendes Thema.“ Weil er aber nicht selbst Gebäude entwerfen, sondern lieber dazu lesen und forschen wollte, studierte er zunächst Urbanistik. Von Anfang an engagierte er sich in Weimar bei der Initiative Kollektiv Raumstation, bespielte Brachflächen mit temporären Bauten, organisierte Kunst- und Kulturveranstaltungen.

Urbane Räume neu und anders denken, mit künstlerischen Aktionen füllen – genau das passiert auch in seinem Master-Studiengang Kunst im öffentlichen Raum. „Das ist ein sehr freier Studiengang“, beschreibt ihn Joosten. „Leuten, die viel Struktur brauchen, könnte diese Art zu arbeiten eher schwerfallen.“

Im nächsten Jahr steht ein Auslandssemester in Toulouse an, dann die Masterthesis. Und später? Viele seiner Mit-Studierenden wollen als freie Künstler arbeiten. Joosten hat andere Pläne: „Ich könnte mir vorstellen, in einem Kulturausschuss, einem Stadtplanungsamt oder einer Stadtverwaltung zu arbeiten oder an der Schnittstelle zwischen Denkmalpflege und Kunst im öffentlichen Raum.“

Team
Text Christiane Bertelsmann
Digitale Umsetzung Daniela Gorgs