Buch Zwei

Kinderarbeit

Eltern filmen ihre Kinder und posten die Clips auf Youtube und Instagram. Der Alltag wird zur Schau gestellt, die Kleinen werben für Nagellack, Spielzeug, Mixer. Wie Familien ihre Töchter und Söhne vermarkten.

18 Minuten Lesezeit

Von Ulrike Heidenreich und Thorsten Schmitz

Miley hat gerade Schleim gemacht, auf dem Esstisch zu Hause. Richtig schön ekligen Schleim. Sie nimmt Glitzerkleber, genauer: Glitter Glue der Marke Elmer’s, manscht rum, quiekt ein paar „Iiiihs“. Ein Bastelspaß für ein neun Jahre altes Kind, das eine Faszination für Glibberschleim hat, wie so viele in seinem Alter. Was bei Miley allerdings anders ist: Beim Schleimmachen schauen ihr 633 176 Menschen zu.

Ihre Mutter Aynur Henle, 48, sitzt mit am Tisch. Sie quiekt und blödelt wie ihre Tochter. Die 633 176 Menschen schauen nicht heimlich von hinten über die Schulter zu, sondern frontal von vorne, gut ausleuchtet, Licht und Make-up stimmen. Papa Robert Henle, 43, hält die Kamera auf Mutter und Tochter drauf.

Jede Woche stellen Mileys Eltern zwei neue Videos auf ihre Youtube-Seite. Die Klickzahlen sind gigantisch. Das Video zum Beispiel, in dem das Kind mit dem älteren Bruder eine „Play-Doh Knetmasse Challenge“ veranstaltet – Motto: Wer knetet am besten? –, wurde bislang über 1,7 Millionen Mal aufgerufen. Im Oktober feierte sie mit Freundinnen ihren neunten Geburtstag nach, Partymotto war „Polizei“. Man sieht darin, wie Miley Kerzen auspustet, Kuchen isst, Geschenke auspackt. Sie bekommt einen Drogeriemarkt-Gutschein, ein Minipink-Parfum, Geld. Bislang haben knapp 700 000 Menschen das Video aufgerufen. In der Kommentarspalte fragt einer: „Wer war das 4. Mädchen bei minute 1:05?“

„Mileys Welt“ gehört zu den Marktführern der Familienvlogs, der Familienvideoblogs. Es gibt etwa 1600 Videos von ihr. Die Branche der kindlichen Youtuber, der sogenannten Mini-Influencer, ist im Laufe dieses Jahres geradezu explodiert. 30 000 Kinder-Influencer sind inzwischen in Deutschland auf Youtube, Facebook und Instagram, ein großer Teil von ihnen ist minderjährig. Abgeleitet vom englischen Verb „to influence“ (beeinflussen) werden so Kinder und Jugendliche bezeichnet, die in Videos oder auf Fotos Produkte anpreisen. Die Werbebranche ist begeistert. Nirgends kommt sie so günstig so direkt an die Zielgruppe ran. Die Einnahmen aller Youtuber in Deutschland liegen bei 560 Millionen Euro. Es wird geschätzt, dass die Summe bis 2020 auf eine Milliarde Euro anwächst.

"Und jetzt geht's ran ans Mixen!"

Mavie Noelle ist zehn Jahre alt. Vor vier Jahren haben ihre Eltern einen Youtube-Kanal für sie eingerichtet, „weil sie es wollte und weil sie den Mut dazu hatte“, sagt Anja van Onna, ihre Mutter. Beim Telefongespräch lenkt die Versicherungskauffrau aus Köln sehr schnell selbst das Thema auf die Kritik an den Mini-Influencern. Öfter lese sie in den Kommentaren, sie enthielten Mavie eine Kindheit vor, sie arbeite viel zu viel, sie sei nur vor der Kamera, anstatt im Wald spazieren zu gehen. „Stimmt ja gar nicht!“, sagt van Onna. Mavie verbringe mehr Zeit beim wöchentlichen Turnen als mit den Aufnahmen ihrer Videoclips.

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