Sie ist immer noch da im Haus ihres Vaters. An den Wänden hängen viele Fotos von ihr, auf einer hölzernen Vitrine neben dem Esstisch stehen Bilder, über dem Sofa zwei Aquarelle, die sie gemalt hat. Auf dem Küchentisch liegt ihre Doktorarbeit, unvollendet.
Wolfgang Bürner, 70 Jahre alt, ist ein schmaler Mann mit wirren grauen Haaren und einer weichen Stimme. Sein Haus steht am Stadtrand von Nürnberg, es ist eine frühere Scheune, die umgebaut wurde. Bürner ist Arzt, für Psychiatrie und Psychosomatik, hat erst in Kliniken gearbeitet, dann in der eigenen Praxis. Jahrzehntelang hat er Kranke begleitet und therapiert. Dann wurde seine Tochter krank. Eine schwere Psychose, sie hörte Stimmen.
Mit 32 Jahren nahm sie sich das Leben. Am 12. November 2011 wurde sie tot auf dem Gelände des Klinikums Nürnberg-Nord aufgefunden. Nicht weit von der Station 30A der Psychiatrie, wo sie die vorangegangenen drei Monate verbracht hatte.
Fast zehn Jahre ist das her, aber wenn ihr Vater über sie spricht, klingt es, als wäre sie noch hier: „Die Julia ist wirklich der liebste und wichtigste Mensch in meinem Leben, schon immer. Ich war dabei, als sie geboren wurde, und hab mich sofort verliebt in sie, Wahnsinn! Und das ist immer so geblieben.“