Künftige Regierung
Welche CSU-Forderungen im Koalitionsvertrag stehen – und welche nicht

„Law and Order, Hightech und Heimat“, so fasst CSU-Chef Markus Söder den Koalitionsvertrag aus bayerischer Sicht zusammen. Das Werk trage „eine sichtbare bayerische Handschrift“. Aber was ist nun tatsächlich ein Verhandlungserfolg der CSU und bei welchen Punkten musste sie nachgeben?
Ein gemischtes Bild, ein paar Lieblingsprojekte hat Söder durchgesetzt, bei anderen eine Schlappe erlitten. Ein Überblick, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Migration
Die „Migrationswende“ müsse kommen, forderte die CSU im Wahlkampf, mit teilweise noch weitergehenden Forderungen als die CDU. Alexander Dobrindt, CSU-Spitzenkandidat, hatte von einem „Knallhart-Plan“ beim Thema Zuwanderung gesprochen. Nun sollen die Flüchtlingszahlen tatsächlich stark sinken. Manche CSU-Position hat sich durchgesetzt, hinter anderen steht auch noch eher ein Fragezeichen. Zum Beispiel der von der CSU geforderte „faktische Einreisestopp von illegalen Migranten“ durch Grenzkontrollen und konsequente Zurückweisungen enthält im Koalitionsvertrag weiterhin die Formel aus der Sondierung: „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“. Wie dies zu interpretieren ist, möglicherweise auch im Dissens von Union und SPD, dürfte sich noch zeigen. Zur personellen Aufstockung der Bundespolizei (Söder verlangte 10 000 zusätzliche Kräfte) oder zur Ausgestaltung der Grenzkontrollen findet sich im Vertrag nichts.
Punkte machte die CSU beim Aus für freiwillige Aufnahmeprogramme etwa aus Afghanistan (laut Vertrag jedoch: „so weit wie möglich“), beim Ziel von mehr Abschiebungen und der Ausweitung sicherer Herkunftsländer sowie beim Ende des Familiennachzugs; dieser soll für subsidiär Schutzberechtigte erst mal für zwei Jahre ausgesetzt werden. Söders martialische Ankündigung, Ausreisepflichtigen nur noch „Bett, Brot, Seife“ zu geben, ist weniger dramatisch vermerkt: „konsequente Umsetzung der bestehenden Anspruchseinschränkungen“. Künftig einreisende Ukrainer sollen, wie von der CSU gefordert, überwiegend kein Bürgergeld mehr erhalten, sondern niedrigere Summen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Allerdings musste die CSU ihre Forderung begraben, das individuelle Grundrecht auf Asyl zu schwächen. „Das Grundrecht auf Asyl bleibt“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages. Das von der CSU stets arg bekrittelte neue Staatsbürgerschaftsrecht bleibt an sich bestehen, jedoch fällt die „Turboeinbürgerung“ nach drei Jahren wieder weg. Dann sollen, neben anderen Voraussetzungen, regulär fünf Jahre Aufenthalt für den deutschen Pass gelten.
Wirtschaft
„Für die Wirtschaft ist es ein Gesamtbild“, sagte Söder zum neuen Koalitionsvertrag: „Niedrigere Energiepreise, Steuern runter, Bürokratie weg und Technik voran.“ Die Senkung der Energiekosten werde gerade für die viele energieintensiven Betriebe in Bayern von großer Bedeutung sein, sagte Söder, er schätze die Entlastung auf vier Milliarden Euro. Im Koalitionsvertrag findet sich viel von dem, was die CSU für die Wirtschaft forderte, vor allem für die in Bayern starke Automobilindustrie. So gibt es etwa Anreize für den Kauf von E-Autos.
„Steuer nix hoch, aber viel runter“, sagte Söder. Darunter die Unternehmensteuer, aber auch die Einkommensteuer. Überstunden werden steuerfrei und auch die Erhöhung der Pendlerpauschale hat die CSU durchgesetzt. Ein besonderer Wahlkampfhit in den ländlichen Regionen.
Die Bürokratie soll abgebaut werden, das hat sich zwar bislang noch fast jede Regierung vorgenommen, nun soll es aber wirklich gelingen. Außerdem wird das Verbandsklagerecht eingeschränkt, ebenfalls ein Kernanliegen der CSU. „Das heißt, NGOs haben weniger Möglichkeiten zu blockieren“, sagte Söder.
Der Solidaritätszuschlag allerdings „bleibt unverändert bestehen“, so steht es im Vertrag, den hätte die CSU auch gerne abgeschafft.
Länderfinanzausgleich
Bayern zahlt zu viel, das war ein Mantra der CSU im Wahlkampf. Von der „Melkkuh der Nation“ sprach Söder sogar, ein zentraler Aspekt in der „Benachteiligung Bayerns“. Die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs fordert sie seit vielen Jahren, inzwischen zahlt Bayern mehr als die Hälfte mit zuletzt 9,77 Milliarden Euro. Der Koalitionsvertrag sieht zwar keine grundsätzliche Neuregelung vor, eine Schlappe für die CSU also. Aber zumindest einen finanziellen Ausgleich für die Geberländer.
400 Millionen pro Jahr soll der Bund anteilig erstatten, eingezahlt hatten zuletzt Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg. Die Klage gegen den Länderfinanzausgleich, die Bayern im Juli 2024 beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hat, will Söder aufrechterhalten. „Die Klage bleibt. Das ist eine grundsätzliche Frage“, sagte Söder. Wann das Gericht eine Entscheidung fällt, ist völlig offen.
Bürgergeld
Als „leistungsfeindlich“ und „verfehlt“ prangerte Söder im Wahlkampf das Bürgergeld an, das durfte in keiner Rede fehlen. Nun soll es zu einer neuen Grundsicherung für Erwerbssuchende umgestaltet werden. Vermittlung in Arbeit soll bei arbeitsfähigen Menschen Vorrang haben, schneller als heute soll es Sanktionen geben; bis zum vollständigen Entzug.
Mütterrente
Die Mütterrente ist so etwas wie ein Klassiker der CSU-Forderungen. Nun erhalten auch Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, drei statt maximal zweieinhalb Erziehungsjahre bei der Rente angerechnet. Die Finanzierung erfolgt aus Steuermitteln, heißt es im Koalitionsvertrag, „weil sie eine gesamtgesellschaftliche Leistung abbildet“. Für die CSU-Forderung war im Wahlkampf selbst bei der Schwester CDU kein Jubel aufgebrandet.
Söder hat sich nun aber durchgesetzt. Bei der CSU-Klausur im Januar in Kloster Banz hatte er gesagt: Wer gegen die volle Mütterrente sei, „zeigt, dass er kein Herz hat“. Und angesichts der Kosten für Asyl und Migration müsse man sich das leisten: Es könne ja nicht sein, dass Deutschland für „unsere Mütter“ weniger übrig habe als „für Menschen, die noch nie im Land waren“.
Erbschaftssteuer
Weitere Kröten in Finanzfragen musste die CSU schlucken: Die von der Partei nachdrücklich geforderte Regionalisierung der Erbschaftssteuer – weil nach Söders Worten „eine Gartenlaube in Miesbach“ den gleichen Wert „wie manche Villa in Greifswald“ habe – steht überhaupt nicht im Koalitionsvertrag. Und der Bund will sich an der Übernahme von Altschulden von Kommunen beteiligen. Was die CSU in ihrem Wahlprogramm partout abgelehnt hatte, Bayerns Kommunen würden dadurch „für ihre solide Haushaltsführung bestraft“.
Atomkraft
Bei nahezu jedem Auftritt hatte Söder mit großem Nachdruck gefordert, die Atomkraftwerke in Deutschland wieder ans Netz zu nehmen. Seine ständigen Attacken auf Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hatte er auch damit begründet, dass dieser trotz Energiekrise nicht zurück zur Atomkraft wollte.
Nun hat es das Wort Atomkraft nicht in den Koalitionsvertrag geschafft – und Söder gibt die Pläne einfach auf. „Die Kernenergie war nicht mehr möglich zu machen“, sagte er. Es sei keine politische Mehrheit dafür erreicht worden. „Das ließ sich nicht umsetzen“, sagte Söder. „Und aufgrund des Zeitablaufes, der sich dann irgendwann auch mal ergibt, es dann wirtschaftlich irgendwann auch keinen Sinn mehr macht.“
Gastronomie
Fast so wichtig wie die Autoindustrie sei die Gastronomie für Bayern, sagte Söder. Die CSU hatte im Wahlkampf die dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent gefordert, wie sie während der Corona-Krise eingeführt worden war. Nun hat sie einen Teilerfolg erreicht. Die niedrige Mehrwertsteuer gibt es fortan für Speisen, nicht allerdings für Getränke.
Wichtig für die Gastronomie ist außerdem die neue flexiblere Arbeitszeitregelung. So soll es künftig keine Höchststundenzahl pro Tag mehr geben, sondern eine wöchentliche Höchstarbeitszeit. Das wird dann wichtig, wenn ein Fest in einem Wirtshaus – auch für die Bedienungen – mal länger dauert.
Cannabis-Legalisierung
Die Cannabis-Legalisierung hätte die CSU in Bayern am liebsten gar nicht erst eingeführt und tut seitdem alles, um sie zumindest so kompliziert wie möglich zu gestalten. Nicht zufällig gibt es in Bayern bislang nicht einen genehmigten Klub für den Anbau von Cannabis. Abgeschafft wird das Gesetz dennoch nicht. Eine Kommission soll das Gesetz überprüfen.
Agrardiesel
Die Streichung der Agrardiesel-Rückvergütung war der Tropfen, mit dem die Ampel-Regierung vor eineinhalb Jahren für viele Bauern das Fass zum Überlaufen brachte. Traktoren-Konvois samt Straßenblockaden und andere wütende Proteste waren die Folge. Prompt versprachen Söder und viele andere Unionspolitiker, die Streichung rückgängig zu machen, sowie sie an der Regierung seien. Die CSU hievte die Zusage sogar an die erste Stelle des Landwirtschaftskapitels in ihrem Bayernplan für die vorgezogene Bundestagswahl.
Jetzt wird das Versprechen eingelöst. „Aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit werden wir die Förderung des Agrardiesels in der jetzigen Form beibehalten“, heißt es im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Auch ansonsten finden sich im Koalitionsvertrag eine Reihe Punkte aus dem CSU-Wahlprogramm, zum Abbau der Agrarbürokratie etwa oder zur Aufnahme des Wolfs ins Bundesjagdgesetz. Selbst wohlwollende Beobachter meinen jedoch, dass es abzuwarten bleibt, was aus den Vereinbarungen wird.
Heizgesetz
Die Streichung von Robert Habecks heiß umstrittenen Heizgesetzes kann sich Söder ebenfalls ans Revers heften. Wenngleich nur zusammen mit Unionschef Friedrich Merz, der es in den letzten Jahren mindestens so heftig angeprangert hatte wie Söder. Unter den Stichworten „Beendigung des Hineinregierens in den Heizungskeller“ hatte es der Streit darum sogar in das Wahlprogramm der CSU geschafft. Folgerichtig heißt es nun im neuen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD: „Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen.“ Das neue Gebäudeenergiegesetz, das an dessen Stelle treten soll, soll „technologieoffener, flexibler und einfacher“ werden. Die „zentrale Steuerungsgröße“ soll die „erreichbare CO₂-Vermeidung“ werden, heißt es weiter. Da die Förderung klimafreundlicher Heizungen, also auch der Wärmepumpe fortgesetzt werden soll, dürfte sich zumindest zunächst jedoch wenig ändern, sagen Beobachter.
Queer-Politik
Laut dem Koalitionsvertrag soll bis Ende Juli das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel evaluiert werden, das unter anderem Änderungen von Geschlechtseinträgen auf dem Amt erleichtert. Das CSU-Wahlprogramm wollte das Gesetz eigentlich gleich ganz abschaffen, sah etwa auch Jugendschutz und Erziehungsrecht der Eltern untergraben. Es sei nicht zum Schlimmsten gekommen, heißt es nun in Queer-Verbänden, aber mit dem Vertrag drohe eher ein Rückschritt bei sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Deren grundsätzlichen Schutz hatte Söder aber auch in seiner Regierungspolitik in Bayern betont.
Wahlrecht
Eine Strophe im langen Klagelied der CSU über die vermeintliche Benachteiligung Bayerns widmete sich dem Wahlrecht. Nach der Reform durch die Ampel schaffte es nicht mehr jeder Kandidat mit den meisten Erststimmen in den Bundestag, ein Umstand, der in Bayern ausschließlich die CSU betrifft. Die Abschaffung des Wahlrechts forderten sowohl CSU wie auch CDU. Nun sieht der Koalitionsvertrag vor, dass eine Kommission Vorschläge machen soll, „wie jeder Bewerber mit Erststimmenmehrheit in den Bundestag einziehen kann“ – und dennoch nicht wieder größer wird. Dabei soll auch gleich mitgeprüft werden, wie mehr Frauen ins Parlament kommen können und ob das Wahlrecht auf 16 Jahre gesenkt wird. Das wiederum hält die CSU für keine gute Idee.