Zypern:Nadelstiche aus Washington

Zypern: Die Basis İncirlik war für die Amerikaner wichtig bei Einsätzen gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat".

Die Basis İncirlik war für die Amerikaner wichtig bei Einsätzen gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat".

(Foto: Vadim Ghirda/AP)

Die USA beenden das Waffenembargo gegen Zypern nach 32 Jahren. Und Ankara lässt Drohnen patrouillieren.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Sie sehen aus wie Flugzeuge, aber sie brauchen keine Piloten. Die Türkei lässt jetzt Drohnen über dem Mittelmeer fliegen, in der Nähe der Insel Zypern. Sie sollen türkische Schiffe unterstützen, bei der Suche nach Gasvorkommen. Die Drohnen werden im türkischen Norden der geteilten Insel stationiert, auf dem Flughafen Geçitkale bei Famagusta, berichtete die türkische Zeitung Hürriyet am Montag.

Damit dürften die Spannungen im Mittelmeer weiter steigen, zumal das US-Repräsentantenhaus vergangene Woche das amerikanische Waffenembargo aufgehoben hat, das seit 1987 für die Republik Zypern, also den griechischen Teil der Insel, galt. Das Embargo wurde vor 32 Jahren verhängt, um einen Rüstungswettlauf auf der schon seit 1974 geteilten Insel zu verhindern und deren Wiedervereinigung zu erleichtern. Alle Friedenspläne für Zypern aber sind gescheitert. Dies dürfte jedoch nicht der Grund für die Aufhebung des Embargos sein, für die sich der griechische Inselteil seit Langem starkmacht. Der US-Senat und Präsident Donald Trump müssen dem zwar noch zustimmen, damit aber wird in Washington gerechnet. Die Maßnahme steht schließlich in einem größeren Zusammenhang, und dabei geht es letztendlich um eine Bestrafung der Türkei.

Denn Ankara hat zwei Batterien des russischen Raketenabwehrsystem S-400 erworben. Die Raketen sind mit Nato-Waffensystemen nicht kompatibel. Die USA fürchten, dass Russland über das empfindliche Radar der Raketen US-Kampfjets ausspionieren könnte. Das Repräsentantenhaus droht Ankara deshalb auch mit wirtschaftlichen Sanktionen, die Trump ebenfalls noch gegenzeichnen müsste.

Die Türkei befindet sich derzeit in einer wirtschaftlichen Krise, amerikanische Sanktionen könnten die Lage deutlich verschärfen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan droht nun im Gegenzug mit der Schließung des von den USA genutzten türkischen Luftwaffenstützpunkts İncirlik und der US-Radarstation Kürecik in der Südostprovinz Malatya. "Wenn sie uns mit der Umsetzung dieser Sanktionen drohen, müssen wir reagieren", sagte Erdoğan dem türkischen Sender A Haber.

Die USA nutzten den Stützpunkt für den Syrien-Krieg, für Einsätze gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Gegenwärtig fliegen sie von dort keine Kampfmissionen mehr. Unklar ist der Status von etwa 50 amerikanischen Atomwaffen des Typs B-72, die in İncirlik lagern. Die könnte die Türkei zwar nicht eigenständig einsetzen, aber die USA würden sie kaum dort lassen, sollten sie keinen Zugriff mehr auf İncirlik haben. Die Türkei ist seit 1952 Nato-Mitglied, sie wurde gemeinsam mit Griechenland in das Bündnis aufgenommen.

Zwischen Griechenland und der Türkei sind die Spannungen zuletzt auch wieder gewachsen. Das liegt unter anderem an dem Streit um die Suche nach Gasvorkommen vor Zypern. Zur gemeinsamen Ausbeutung von Rohstoffen im Mittelmeer hat Ankara mit der Regierung in Libyen jüngst erst gemeinsame Seegrenzen vereinbart, ohne dabei große griechische Inseln - darunter Kreta, Rhodos und Lesbos - zu berücksichtigen. Die EU hat Ankara dafür bereits gerügt.

Wie viel dieses Abkommen mit der Regierung in Tripolis wert ist, scheint allerdings fraglich. Denn Libyens Hauptstadt und die international anerkannte Regierung von Premier Fajis al-Sarradsch stehen derzeit unter Beschuss, durch Truppen von General Khalifa Haftar. Der wiederum hat die Unterstützung Moskaus. Die Türkei hat der Regierung in Tripolis auch militärische Hilfe angeboten. "Eine Niederlage der Regierung gegen Haftar wäre auch für die Türkei eine Niederlage", schreibt Hürriyet. Schließlich sei Libyen derzeit der einzige Verbündete Ankaras im Mittelmeer.

Zu den amerikanischen Nadelstichen gehört noch eine weitere Resolution. Der US-Senat hat sie am vergangenen Donnerstag einstimmig verabschiedet. Darin werden die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich in den Jahren 1915/16 als Genozid bezeichnet. Die Regierung in Ankara nennt die Ereignisse inzwischen zwar eine "Tragödie", lehnt das Wort Völkermord aber entschieden ab, unter anderem weil sie Entschädigungsforderungen fürchtet. Auch hier fehlt noch Trumps Unterschrift.

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