Süddeutsche Zeitung

Zwist zwischen Hebammen und Krankenkassen:Feindselige Stimmung

Gesundheitsminister Bahr macht Druck: Heute sollen sich Hebammen und Krankenkassen in einem seit Monaten schwelenden Streit über höhere Gebühren und die Prämien für die Berufshaftpflicht auf einen Kompromiss einigen.

Guido Bohsem

Die Stimmung ist gereizt, fast schon feindselig. Seit Monaten schon zoffen sich die Hebammen mit dem Spitzenverband der Krankenkassen. Es geht ums Geld. Um das, was die Kassen zu geben bereit sind und das, was die Hebammen zu verdienen glauben. An diesem Montag soll es eine neue Verhandlungsrunde geben. Allerdings stehen sich beide Seiten nach wie vor unversöhnlich gegenüber. Kaum jemand glaubt daran, dass sich Kassen und Hebammen aus eigener Kraft einig werden. Nachdem Kanzlerin Angela Merkel den Hebammen Unterstützung zugesagt hatte, würden sich diese ohnehin nicht auf einen Kompromiss einlassen.

Das alles kann Gesundheitsminister Daniel Bahr nicht passen - schlechte Stimmung unter den Hebammen nicht und dass die Kanzlerin sich um seinen Job kümmern will, schon gar nicht. Der FDP-Politiker hat deshalb vor der neuerlichen Runde gefordert, endlich einen Kompromiss zu finden. "Die flächendeckende Versorgung mit Hebammenleistungen ist nicht nur mir wichtig", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Deshalb sind jetzt Kassen und Hebammen in der Pflicht, den Verhandlungsprozess zu einem guten Ende zu führen."

Die Kassen verhandeln mit den Hebammen über eine ganze Reihe von Themen, die wichtigsten sind die Anhebung der Gebühren und der Ausgleich für die stark gestiegenen Prämien für die Berufshaftpflicht der Geburtshelferinnen. Die Kassen bieten zusätzlich 1,3 Millionen Euro im Jahr an, die Hebammen wollen vier Millionen Euro. Die Kassen haben bereits mehrmals den vollen Ausgleich der gestiegenen Haftpflicht-Versicherungen angeboten, die für etwa 3000 Hebammen Anfang Juli um 550 auf 4200 Euro im Jahr gestiegen sind.

Hebammen warnen vor Aussterben ihres Berufsstands

Die Hebammen-Verbände halten das Angebot nicht für tragfähig und wollen eine gänzliche andere Regelung. Andernfalls gebe es schon bald keine Hebammen mehr, stehe der gesamte Berufsstand vor dem Aussterben. Nach Darstellung der Kassen entbehrt das jeglicher Realität. So sei die Anzahl der Hebammen zwischen 2009 und 2011 gestiegen und ihre Honorierung sei seit 2007 um mehr als 30 Prozent angehoben worden.

Die Konfliktparteien haben bereits eine Art Mediatorengespräch mit Bahr hinter sich. Doch der Konflikt schwelt trotzdem unvermindert weiter. Zuletzt hätten die Hebammen-Verbände noch nicht einmal mehr auf Terminvorschläge der Kassen reagiert, heißt es in einem Schreiben des GKV-Spitzenverbandes. Die Hebammen hingegen kontern, der Verband habe vertrauliche Informationen weitergegeben und eine - offenbar unerwünschte - Verhandlungspartei eingeladen, den Fachverband für Hausgeburtshilfe.

"Die Regierung hat vielen Forderungen der Hebammen Rechnung getragen", sagte Bahr. Immerhin könnten Kassen und Hebammen-Verbände inzwischen miteinander verhandeln. Das ging lange Zeit nicht. Zudem hat die Regierungskoalition die Kostensteigerungen bei der Berufshaftpflicht ausdrücklich zum Bestandteil der Verhandlungen gemacht. "Wir haben alle Voraussetzungen geschaffen, dass faire Verhandlungen stattfinden können", betonte Bahr. Gegenseitige Vorwürfe würden keinen weiterbringen.

Sollten Kassen und Hebammen kein Ergebnis erzielen, wird es zu einem Schlichtungsverfahren kommen. So sieht es das Gesetz vor. Als Schlichterin ist die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vorgesehen. Bahr hofft jedoch, diese Situation vermeiden zu können. Er setzt stattdessen auf eine Einigung. "Ich erwarte jetzt, dass Kassen und Hebammen zu einem Ergebnis kommen", sagte der Gesundheitsminister.

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SZ vom 09.07.2012/sebi
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