Zwischenwahlen in den USA:Im Wahlkampf wird so viel Geld gesammelt wie nie zuvor

Early Voting Begins In Georgia's Gubernatorial Election

In Marietta im US-Bundesstaat Georgia stehen Wähler beim early voting, der vorzeitigen Stimmabgabe, vor dem Wahllokal an.

(Foto: AFP)
  • Die US-Zwischenwahlen werden die teuersten bislang: Experten rechnen mit Spenden und Investitionen von fünf Milliarden US-Dollar.
  • Während die Relevanz von Kleinspendern steigt, bleibt die Abhängigkeit von Interessengruppen ein Problem.
  • Eine Reform der US-Wahlkampffinanzierung ist unwahrscheinlich.

Von Johannes Kuhn, Austin

Noch ist nicht alles addiert, doch Wahlkampf-Analysten sind überzeugt: Das Sommer-Quartal wird alle amerikanischen Rekorde brechen. Noch nie zuvor haben Kandidaten für politische Ämter vor einer Zwischenwahl derart viel Geld eingesammelt. Die Demokraten sind dabei deutlich erfolgreicher: Alleine Senatskandidat Beto O'Rourke erhielt von Juli bis Ende September 38 Millionen US-Dollar.

Insgesamt werden Schätzungen zufolge am Ende gut fünf Milliarden US-Dollar in den Wahlkampf für die Midterms und diesjährigen Gouverneurswahlen geflossen sein, die kostspieligsten Zwischenwahlen aller Zeiten. "Finanziell ähnelt es dieses Jahr eher einer Präsidentschaftswahl", sagt Sarah Bryner von der gemeinnützigen Forschungsgruppe Center for Responsive Politics (CRP), die Lobbyismus in der amerikanischen Politik untersucht.

Werbung wird treffsicherer

Der Unterschied: Dieses Jahr werden die Kleinspenden zu einem wichtigen Faktor - zumindest für die Demokraten. Mehr als 200 Millionen Dollar trieben sie durch Spenden von weniger als 200 Dollar auf, drei Mal so viel wie die Republikaner. "Die Kandidaten können inzwischen mit digitaler Werbung mögliche Spender-Zielgruppen treffsicherer als früher erreichen", sagt Bryner.

Wie bereits 2016 Bernie Sanders signalisieren einige Kandidaten damit ihre Unabhängigkeit. Besagter Senatskandidat O'Rourke beispielsweise weigert sich in seinem Wahlkampf gegen Amtsinhaber Ted Cruz, finanzielle Hilfe von externen Wahlvereinen anzunehmen - den organisierten und regulierten "Political Action Committees" (Pacs) oder den "Super-Pacs", die seit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2010 quasi finanziell unbegrenzte Mittel für Kandidaten einsammeln können, sofern sie diese nur indirekt unterstützen. Einzelpersonen dürfen dagegen nur bis zu 2700 Dollar direkt an Kandidaten spenden.

Lebendige Demokratie und Abhängigkeiten

Wenn also im Falle des Texaners 800 000 Menschen innerhalb von drei Monaten Geld für eine politische Kampagne geben, signalisiert das eine lebendige Demokratie - und die mobilisierende Wirkung eines Donald Trump im Weißen Haus. Selbst in den aussichtslosesten Repräsentantenhaus-Bezirken schicken die Parteien Kandidaten ins Rennen.

Längst hat sich der Wahlkampf nationalisiert: O'Rourke erhält wie die Senatorin Claire McCaskill, die im immer konservativeren Missouri ihren Sitz verteidigen will und mehr als 30 Millionen Dollar gesammelt hat, Unterstützung weit über die Grenzen des eigenen Bundesstaats hinaus.

Doch stärkere finanzielle Beteiligung - egal aus welcher Quelle - bedeutet auch, dass die Rolle des Geldes weiter wächst. Schon bislang waren für einen halbwegs wettbewerbsfähigen Wahlkampf um einen Sitz im Repräsentantenhaus ungefähr eine Million Dollar nötig. Diese Zahl dürfte Ende des Jahres deutlich nach oben korrigiert werden. Mehr Geld bedeutet auch: noch mehr Druck, Geld zu sammeln. Schätzungen zufolge verbringen Abgeordnete und Senatoren in Washington bereits heute jeden Arbeitstag bis zu fünf Stunden damit, um Zuwendungen zu bitten.

Reformversprechen ohne Hoffnung

Der wachsende Einfluss des Geldes und nicht zuletzt von Großspendern wurde in den vergangenen Jahren ausführlich thematisiert. 2016 pumpten alleine 100 US-Superreiche zusammen eine Milliarde Dollar in den Wahlkampf.

Auch 2018 sind die wirtschaftsradikalen Koch Industries und der Casino-Mogul Sheldon Adelson, der dieses Jahr bereits 50 Millionen US-Dollar investiert hat, die republikanischen Königsmacher. Die Demokraten halten zwar offiziell größeren Abstand, der Einfluss der Milliardäre Tom Steyer und Michael Bloomberg ist aber auch dieses Jahr unverkennbar. Dazu kommen auf beiden Seiten noch diverse Wirtschaftszweige und Interessengruppen, deren Spenden politische Abhängigkeiten schaffen.

US-Wähler aus beiden politischen Lagern nennen das inzwischen offen "Korruption". Zwei Drittel der Bevölkerung plädieren für neue Gesetze, um den Einfluss des Geldes zurückzudrängen. Die Chancen dafür stehen allerdings schlecht. Zwar haben die Demokraten angekündigt, im Falle der gewonnenen Mehrheit im Repräsentantenhaus sofort entsprechende Regeln auf den Weg zu bringen. Doch nicht nur Trump und die Republikaner stehen dem entgegen, sondern die Abhängigkeit der meisten Politiker vom großen Geld.

Ohnehin setzen die Urteile des Supreme Courts aus den vergangenen zehn Jahren Regulierungsversuchen enge Grenzen. Die konservative Mehrheit am Obersten Gerichtshof bewegt die Rechtsauslegung sogar in eine ganz andere Richtung. Religiöse Gruppen hoffen bereits darauf, in einigen Jahren wie Unternehmen den politischen Prozess direkt finanziell beeinflussen zu dürfen. "Super Pacs" als "God Pacs", sozusagen.

Trump hat bereits 100 Millionen gesammelt

Reformer setzen deshalb zunehmend darauf, zumindest größere Transparenz zu erreichen. Dabei geht es vor allem um das "dunkle Geld" im Wahlkampf, dessen Herkunft schwer oder erst später zu ermitteln ist. Ein Bundesgericht in Washington verpflichtete jüngst die Wahlvereine dazu, die Geldgeber schneller preiszugeben. Allerdings gibt es weiterhin Schlupflöcher, zum Beispiel, wenn Wahlvereine an andere Wahlvereine spenden und so kein direkter Zusammenhang mehr zum Ursprungsspender festzustellen ist.

Mit dem Aufstieg dieser Organisationen geht auch ein weiterer Machtverlust der Parteien selbst einher, die fortgesetzte Privatisierung der Politik. "Fremdgruppen kümmern sich immer stärker um Felder wie Innovation und Marktforschung", erklärte jüngst Steven Law, Chef des konservativen Super Pacs "American Crossroads", auf einem Forum der Texas Tribune. "Alles Sachen, die Parteien früher selbst erledigt haben, aber heute nicht mehr."

Einige mögliche demokratische Präsidentschaftskandidaten haben angekündigt, 2020 zumindest auf Geld von Wahlvereinen zu verzichten, hinter denen Unternehmen stehen. Ein erster Schritt, wenn auch weitestgehend symbolisch - die nächste Präsidentschaftswahl dürfte nicht weit hinter dem Rekordvolumen von vier Milliarden US-Dollar stehen, das 2016 erreicht wurde.

US-Präsident Donald Trump, der sich bereits am Tag seiner Vereidigung zur Wiederwahl registrierte, hat über sein Wahlkampf-Organisation bereits jetzt 100 Millionen US-Dollar gesammelt.

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