Zwischenfall im Schwarzen Meer:Russischer Jet soll kanadische Fregatte provoziert haben

USS GEORGE WASHINGTON (CVN73); Fregatte Toronto

Die HMCS Toronto (Archivbild).

(Foto: U.S. Navy)

Provokantes Signal: Ein russisches Militärflugzeug soll eine kanadische Fregatte im Schwarzen Meer bedrängt haben. Die "HMCS Toronto" ist dort an einem Nato-Manöver beteiligt. Moskau weist die Vorwürfe zurück. Für die EU-Sanktionen gibt es erstmal Aufschub.

  • Ein russischer Militärjet hat nach Angaben des kanadischen Verteidigungsministers Rob Nicholson die Fregatte HMCS Toronto im Schwarzen Meer überflogen und mehrfach umkreist. Russland wies die Vorwürfe zurück.
  • Die EU wollte bereits heute verschärfte Sanktionen gegen Russland verhängen - doch nun verzögert sich die Anwendung um ein paar Tage.
  • Kanzlerin Merkel sieht trotz des Friedensplan keinen Grund, von Sanktionen abzusehen.
  • Russische Staatsbanken, Rüstungsfirmen und Unternehmen aus der Erdölförderung stehen offenbar auf der neuen Sanktionsliste.
  • In einem Telefonat berieten Russlands Präsident Putin und der ukrainische Präsident Poroschenko über eine Lösung der Ukraine-Krise.

"Unnötige Provokation"

"Das ist eine unnötige Provokation", sagte Kanadas Verteidigungsminister Rob Nicholson: Ein russischer Militärjet soll kanadischen Angaben zufolge am Montag eine Fregatte im Tiefflug überflogen und mehrfach umkreist haben. Zwar habe der Jet keinerlei Bedrohung dargestellt, der Vorfall drohe die Spannungen in der Region aber "weiter zu eskalieren", erklärte Nicholson. Die HMCS Toronto nimmt derzeit an einem Nato-Manöver im Schwarzen Meer teil. Diese Nato-Mission sei "ein direktes Ergebnis der militärischen Aggression und Invasion der Ukraine durch das Regime Putins", sagte Nicholson.

Moskau dementierte eine absichtliche Annäherung. Ein Kampfflugzeug vom Typ Suchoi Su-24 und ein Militärtransporter vom Typ Antonow AN-26 hätten sich auf einem geplanten Flug über neutralen Gewässern befunden, zitierte die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti einen Sprecher des Verteidigungsministeriums. Es habe sich um Routineflüge gehandelt, die Flugzeuge hätten nicht Kurs auf die Toronto genommen, zitiert die Nachrichtenagentur Itar-Tass Generalmajor Igor Konaschenkow.

Die stellvertretende Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht kritisierte die Nato-Übung im Schwarzen Meer. Die Nato erschwere dadurch "den Versuch, durch eine Waffenruhe die Situation im Ukrainekonflikt zu entspannen."

EU will abwarten, ob sich Lage verbessert

Die Anwendung verschärfter Russland-Sanktionen verzögert die EU um einige Tage. Das Paket sei aber von den nationalen Regierungen genehmigt worden, heißt es in einer Mitteilung von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Die Atempause soll Russland Zeit zum Einlenken im Ukraine-Konlikt geben. Die neuen Maßnahmen sollten "in den kommenden paar Tagen" in Kraft treten, schreibt Van Rompuy. Mit Blick auf die Situation vor Ort - also in der Ostukraine - sei die EU bereit, "die vereinbarten Sanktionen ganz oder teilweise noch einmal zu überdenken". Nach Angaben eines Diplomaten sollen die EU-Botschafter am Mittwoch wieder über die Lage beraten.

In der vergangenen Woche hatten die Botschafter der 28 EU-Länder verschärfte Sanktionen beschlossen. Die nationalen Regierungen sollten bis Montagnachmittag ihre Zustimmung geben, doch die Frist wurde immer weiter hinausgeschoben. Einige Staaten, darunter Finnland und Italien, drängten auf die Verzögerung, weil sie Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft fürchteten oder dem Friedensplan eine Chance geben wollten, berichteten EU-Diplomaten.Die baltischen Staaten hätten hingegen wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien für eine rasche Anwendung der Sanktionen plädiert.

Merkel hält Sanktionen trotz des Friedensplans für notwendig

Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte am Dienstag im RBB-Inforadio, die EU wolle trotz des Friedensplans an den Sanktionen festhalten. Russland sei bis jetzt mit Waffen und Truppen an dem Konflikt in der Ostukraine beteiligt. "Wir wollen jetzt Taten sehen", sagte Merkel. Wenn die zwölf Punkte des Plans von Russlands Präsident Wladimir Putin und seinem ukrainischen Kollegen Petro Poroschenko umgesetzt würden, könne man auch über die Aufhebung von Sanktionen reden.

Ein für Ende September in Mecklenburg-Vorpommern geplantes deutsch-russisches Wirtschaftstreffen soll trotzdem stattfinden. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) begründete das mit den Wirtschaftsinteressen seines Bundeslandes. An dem Russland-Tag wird auch Altkanzler Gerhard Schröder teilnehmen.

Ziel der Sanktionen sind unter anderem Staatsbanken

Die neuen EU-Wirtschaftssanktionen sollen sich laut Diplomaten unter anderem gegen Staatsbanken, Rüstungsfirmen und Unternehmen aus der Erdölförderung richten. Die EU will ihnen den Zugang zu europäischen Krediten erschweren. Zudem soll das Exportverbot für Technologie zur Erdölförderung ausgeweitet werden, ebenso die Beschränkungen zur Ausfuhr militärisch nutzbarer Güter. Rund 20 Personen soll die EU mit Konten- und Einreisesperren belegen. Betroffen wären ostukrainische Separatisten und Meinungsführer aus der russischen Politik und Wirtschaft.

Moskau droht mit Gegensanktionen

Der russische Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew hatte dem Westen bei neuerlichen Sanktionen mit einem Überflugverbot gedroht. In der russischen Wirtschaftszeitung Wedomosti sprach Medwedjew über eine mögliche Sperrung des Luftraums für europäische Fluggesellschaften auf dem Weg nach Asien. Seine Hoffnung: Die durch den Umweg verursachten Kosten könnten "viele Airlines, die ohnehin ums Überleben kämpfen, in den Bankrott treiben".

Vor einem Monat hatte der Kreml einen Importstopp für Lebensmittel aus Ländern ausgesprochen, die Sanktionen gegen Russland verhängt hatten. Schon damals brachte Premier Medwedjew ein Überflugverbot ins Gespräch. Flugzeuge aus Europa müssten dann einen Umweg von 4000 Kilometern nehmen. Allerdings kassiert Russland derzeit auch Überfluggebühren in Höhe von 225 Millionen Euro im Jahr. Auch über weitere Gegensanktionen wird Medienberichten zufolge in Russland nachgedacht. Der ehemalige russische UN-Diplomat Sergej Ordschonikidse sprach von einer möglichen Einstellung der Titan-Lieferungen, um dem Flugzeugbauer Airbus zu schaden.

Putin und Poroschenko wollen Dialog fortsetzen

Russlands Präsident Wladimir Putin und sein ukrainischer Kollege Petro Poroschenko setzen nach Angaben des Kremls und des Präsidialamtes in Kiew ihren Dialog über den Ukraine-Konflikt fort. Bei einem Telefonat am Montag hätten die beiden Staatschefs über Schritte beraten, die eine friedliche Beilegung der Krise im Südosten der Ukraine erleichtern sollten, teilte die Kreml-Pressestelle mit. Poroschenko hat inzwischen den Chef seiner Militäraufklärung, Generaloberst Sergej Gmysa, entlassen. Das teilte die Präsidialkanzlei in Kiew mit. Gmysa war noch von Poroschenkos umstrittenen Vorgänger Viktor Janukowitsch ernannt worden. Die prorussischen Separatisten hatten die Armee am 24. August mit einer Offensive überrascht und ihr mehrere Niederlagen beigebracht.

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