Süddeutsche Zeitung

Zwickauer Neonazi-Trio:Der Weg der Mordwaffe

Es ist die Pistole, mit der die Zwickauer Terrorzelle neun Morde begangen haben soll. Insgesamt 26 Mal feuerten die Täter damit auf ihre Opfer. Nun ist es den Ermittlern gelungen, den Weg der Ceska, Kaliber 7.65, zu rekonstruieren. Helfer Carsten S. hat gestanden, den Neonazis ihre wichtigste Tatwaffe überbracht zu haben.

Hans Leyendecker

Eine Waffe gab einer Mordserie den Namen: "Ceska-Morde" werden in amtlichen Unterlagen die Hinrichtungen von neun Migranten durch die Zwickauer Terrorzelle genannt. In jedem der neun Morde zwischen September 2000 und April 2006 schossen die Mörder mit einer tschechischen Ceska, Modell 83, Kaliber 7.65 Millimeter.

Insgesamt feuerten die Mörder sechsundzwanzig mal mit dieser Waffe auf die Opfer. Nur beim ersten und beim dritten Mord schossen sie auch noch mit einer Bruni 315 Automatik.

Seit ein paar Tagen scheint der Weg der Waffe klar zu sein. Der jetzt wegen Beihilfe zu neun Morden verdächtige Carsten S. hat gestanden, Ende 1999 die Waffe den Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt übergeben zu haben. Die beiden lebten damals gemeinsam mit Beate Zschäpe in einem Versteck in Chemnitz und sollen die Terrorvereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gegründet haben.

Im Untergrund konnten sie sich auf ihre braunen Kameraden verlassen. Das Geld für den Kauf der Ceska soll Carsten S. nach seinen Aussagen von dem früheren NPD-Funktionär Ralf Wohlleben erhalten haben, der ebenfalls wegen Verdachts der Beihilfe zu den Morden einsitzt. Wohlleben steht außerdem im Verdacht, 2001 oder 2002 einem Kurier eine weitere Waffe für die Zelle gegeben zu haben.

Ursprünglich waren die Fahnder davon ausgegangen, dass Carsten S. der Beschaffer der durch den Kurier überbrachten Waffe gewesen sei. Seit Beginn der Terror-Ermittlungen im November gehen Strafverfolger der Bundesanwaltschaft und die Ermittlungseinheit "Trio" allen Spuren der insgesamt zwanzig Waffen nach, die zuletzt im Besitz der Zwickauer Mörder waren. Aber keine andere Waffe hat sie so beschäftigt wie die Ceska 83.

Waffe aus der Schweiz

Der tschechoslowakische Hersteller hatte in den achtziger Jahren von dieser Waffe, zu der ein Schalldämpfer gehört, nur 55 Exemplare gefertigt. 31 der Pistolen waren an die Stasi verkauft worden; der Rest wurde an einen Händler im solothurnischen Derendingen in der Schweiz verkauft.

Früh stand fest, dass es sich bei der Tatwaffe um keines der Stasi-Schießgeräte handeln konnte und dass die Waffe aus der Schweiz stammen musste. Die gesuchte Waffe tauchte dann im Brandschutt von Zwickau auf. Zwar hatten die Terroristen die Seriennummern der Waffe auf dem Lauf und auf dem Verschluss herausgeschliffen. Erst durch Ätzen wurde die Seriennummer wieder sichtbar: 034678.

Diese Waffe, das stand dann fest, war von dem Schweizer Händler mit der Post an einen Waffenliebhaber aus dem Berner Oberland verschickt worden. Der Mann war schon vor Jahren von Ermittlern zu der Ceska 83 befragt worden. Er hatte damals angegeben, eine solche Waffe nicht bekommen zu haben.

Am 20. Januar 2012 wurde er dann, die deutschen Behörden hatten ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz gestellt, kurzzeitig inhaftiert. Er gab an, er habe das Paket mit der bei dem Händler in Derendingen bestellten Waffe zwar bekommen, aber ungeöffnet an einen Mann weitergereicht, der mit ihm manchmal beim Stammtisch zusammensitze.

Die Ermittler warteten die Rückkehr dieses Mannes aus dem Urlaub ab und nahmen ihn dann auf dem Zürcher Flughafen fest. Er bestreitet, die Waffe bekommen zu haben. Die Fahnder gehen allerdings davon aus, dass der Mann, der mit einer Deutschen verheiratet ist und in Deutschland einmal in ein Waffenverfahren verwickelt gewesen sein soll, mehr über den Weg der Ceska weiß.

Mit einer konfrontativen Gegenüberstellung der beiden Stammtischler kamen die Schweizer Ermittler nicht weiter. Sie haben mittlerweile gegen den zweiten Mann ein Verfahren wegen Verdachts der Beihilfe zum Mord eingeleitet. Aber in diesem Fall gilt, mehr noch als sonst, die Unschuldsvermutung. Der übelklingende Verdachtsvorwurf der Schweizer kann auch mit Verjährungsfragen zusammenhängen.

Parallel zu den Schweizer Ermittlungen befragten die Strafverfolger der Bundesanwaltschaft einige Zeugen in Deutschland nach den Waffen. Ende Januar erklärte ein Zeuge nach einigem Zaudern, Carsten S. habe eine Waffe für die Zelle besorgt. Zwei Tage später, am 1. Februar, wurde der in Düsseldorf lebende Carsten S. festgenommen.

Kontakt zur Terrorzelle

Sein Name findet sich in den alten Akten der Thüringer Ermittler zu der späteren Zwickauer Zelle. Carsten S. war in den Jahren 1999 und 2000 im rechtsextremistischen "Thüringer Heimatschutz" aktiv und gehörte zeitweise auch der Jugendorganisation der NPD an. Er stand in engem Kontakt zu Wohlleben, der eine Schlüsselrolle beim Untertauchen der Zelle gespielt haben soll.

Carsten S. soll, den Papieren der Fahnder zufolge, zeitweilig der Einzige aus dem rechtsextremistischen Umfeld der Terrorvereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" gewesen sein, der unmittelbaren Kontakt zur Zelle hatte. Er brach dann im Jahr 2000 die Beziehung zu sämtlichen rechten Kameraden ab, soll aber bis 2003 noch private Kontakte gepflegt haben.

Dann zog er ins Rheinland und begann ein anderes Leben. Er hatte mit Neonazis nichts mehr zu tun und arbeitete vorwiegend in sozialen Organisationen, bis ihn die Schatten der Vergangenheit einholten. Carsten S. ist jetzt einer von dreizehn angeblichen Helfern und Unterstützern der Zelle, aber keiner packt so aus wie er. Die Ermittler sollen durch seine Aussagen ganz neue Einblicke in die Frühphase der Terrorvereinigung erhalten haben.

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