Zwickauer Neonazi-Terrorzelle:Schüsse aus dem Nichts

Zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und vierzehn Banküberfälle gehen auf das Konto der Zwickauer Terrorzelle. Soweit die Bilanz der Ermittler. Nun überprüfen die Duisburger Staatsanwaltschaft und das Düsseldorfer Landeskriminalamt, ob auch ein bislang ungeklärter Mordanschlag in Duisburg im Jahr 2003 auf das Konto der Neonazis gehen könnte.

Hans Leyendecker

Die Duisburger Staatsanwaltschaft und das Düsseldorfer Landeskriminalamt überprüfen, ob ein bislang ungeklärter Mordanschlag in Duisburg im Jahr 2003 auf das Konto der Zwickauer Terrorzelle gehen könnte, die zwischen 1999 und 2011 zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und vierzehn Banküberfälle verübt haben soll.

Neonazi-Mordserie - Fahndungsfotos

Neonazi-Mordserie - Fahndungsfotos von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe: Weiterer Mordanschlag in Düsseldorf?

(Foto: dpa)

Am 15. Dezember 2003 war auf einen türkischstämmigen Gastwirt im Duisburger Stadtteil Meiderich ein Anschlag mit einem ferngesteuerten Schussapparat verübt worden. Als der Mann morgens sein Auto zurücksetzte, überfuhr er einen Draht, der eine Selbstschussanlage auslöste. Diese war auf die Kopfhöhe des Fahrers ausgerichtet. Weil der Mann sich aber im Moment des Schusses nach seinem heruntergefallenen Handy gebückt hatte, traf ihn der Schuss nur am Arm. In den vergangenen Jahren verfolgten Ermittler etliche Spuren ins wirtschaftliche und private Umfeld des Opfers, zuletzt kam der Fall aber zu den Akten.

Eine Verbindung der Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zum Duisburger Mordanschlag ist laut Aussagen eines Fahnders der Ermittlungseinheit "Trio" als "eher unwahrscheinlich" anzusehen. Derzeit überprüfen Hunderte Ermittler in der Republik Dutzende unaufgeklärter Fälle, für die sich kein schlüssiges Tatmotiv finden lässt oder in denen ein rechtsextremistischer Hintergrund vermutet wird. In keinem dieser Altfälle deutet bisher eine neue Spur auf die Zwickauer Terrorzelle. Im Fall Duisburg hatten Ermittler früh Hinweise gefunden, dass die Selbstschussanlage mehrfach genutzt worden war. Dieser Umstand spreche ebenso gegen eine Verwicklung der Terrorzelle wie der Fakt, dass der Anschlag nicht in der 2007 produzierten Bekenner-DVD der Zwickauer aufgetaucht sei, meint ein Ermittler. Im Jahr 2003 wird den Terroristen bislang nur ein Überfall auf ein Geldinstitut in Chemnitz zugerechnet, bei dem sie nur 435 Euro erbeutet hatten.

Bewährter Freund des Trios

Der als Helfer des mutmaßlichen Terrortrios inhaftierte Holger G. soll die Neonazis noch im Mai 2011 unterstützt haben. Das geht, wie der Spiegel meldet, aus einer Vernehmung des 37-Jährigen hervor. Die drei damals im Untergrund lebenden Terroristen hätten ihn seinen Aussagen zufolge vor gut sieben Monaten im niedersächsischen Lauenau besucht und Hilfe verlangt.

Böhnhardt, der G. ähnlich sieht, nutzte mehr als ein Jahrzehnt im Untergrund die Personalien von Holger G. Selbst beim Anmieten von Wohnmobilen, mit denen die Killer dann zu den Tatorten fuhren, verwendete er G.s Personalien. Böhnhardt nannte sich im Urlaub und auch sonst "Gerri", was ähnlich klingt wie G.s Nachname. Der aus Thüringen stammende G. war ein bewährter Freund des Trios. In den neunziger Jahren gehörte der gebürtige Jenaer der "Kameradschaft Jena" an, in der auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren.

Nach dem Abtauchen der Terroristen Ende Januar 1998 soll G. 3000 Mark für die Untergetauchten gespendet haben. Jahre später ließ er sich einen Reisepass ausstellen, den er Böhnhardt gab. Er versorgte den Freund sogar mit Karten der Krankenkasse und einem Führerschein. Nach eigenen Aussagen hat er 2001 oder 2002 im Auftrag des Neonazis Ralf Wohlleben als Kurier den drei Terroristen eine Waffe nach Zwickau gebracht. G. belastet den früheren NPD-Funktionär Wohlleben stark. Als einziger der bislang vier in dem Fall Inhaftierten spricht G. über das Innenleben des Zwickauer Trios. Er war schon am 5. November, einen Tag nach dem Tod von Böhnhardt und Mundlos, festgenommen worden. Schon in der ersten Vernehmung hatte er erklärt, er habe seinen Freunden Dokumente zur Verfügung gestellt - eine "Gefälligkeit". Alle drei hätten ihn mehrmals in Lauenau besucht

In dieser Vernehmung hatte G. nach Informationen der Süddeutschen Zeitung noch von einem weiteren Treffen mit Mundlos und Böhnhardt "vor circa zwei bis drei Monaten" berichtet. Zschäpe sei bei dieser Begegnung nicht dabei gewesen. Das wäre dann im August oder September 2011 gewesen.

Die in Köln-Ossendorf inhaftierte Zschäpe, die in Einzelhaft ist, leidet wegen der Haftbedingungen mittlerweile an Erschöpfung. Auch nachts brennt in ihrer Zelle das Neonlicht. Sie darf nur einmal am Tag allein eine Stunde Hofgang machen und wurde dabei in der vergangenen Woche mehrmals von Häftlingen bespuckt und beschimpft. Vorigen Freitag brach sie zweimal den Hofgang ab.

Ihre Anwälte Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl haben deshalb am vergangenen Freitagnachmittag eine zehnseitige Haftbeschwerde eingereicht. Die Anstaltsleiterin Angela Wotzlaw erklärte dazu, wie andere suizidgefährdete Häftlinge auch werde Zschäpe mindestens jede Viertelstunde beobachtet. Dazu müsse auch das Licht eingeschaltet sein. Das sei eine Belastung für die Gefangene, aber insgesamt sei sie keinen besonderen Haftbedingungen ausgesetzt. Wer andere Häftlinge bespucke, würde bestraft.

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