Jeweils 2500 Euro für etwa 4000 Überlebende
Mehr als fünf Millionen Soldaten der Roten Armee gerieten während des Zweiten Weltkriegs in deutsche Gefangenschaft. Mehr als die Hälfte von ihnen starb. Zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren erinnerte Bundespräsident Joachim Gauck bei einer Rede im ehemaligen Stammlager 326 in Nordrhein-Westfalen Anfang Mai an das "grauenhafte Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangen". Es sei "eines der größten deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs", das aber bis heute in einem "Erinnerungsschatten" liege.
Besuch im "Stalag 326":Erinnerungslücke
Abschied von einem alten Feindbild: Bundespräsident Gauck gedenkt der lange vergessenen sowjetischen Kriegsgefangenen.
Die Bundestagsfraktionen haben sich jetzt darauf verständigt, den überlebenden sowjetischen Kriegsgefangenen eine Entschädigung zukommen zu lassen. Sie einigten sich auf eine "finanzielle Anerkennungsleistung" in Höhe von 10 Millionen Euro. Wie viele ehemalige Kriegsgefangenen noch leben, sei unklar. Es werde von 4000 ausgegangen, die jeweils 2500 Euro erhalten sollen.
"Ein starkes Signal der Völkerfreundschaft gegenüber Russland"
"Das ist ein spätes und wichtiges Bekenntnis zur historischen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für dieses Kapitel der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik", erklärten die Grünen-Abgeordneten Volker Beck und Sven-Christian Kindler. Zugleich sei es ein "starkes Signal der Völkerfreundschaft gegenüber Russland, Weißrussland und der Ukraine". Der Linken-Innenexperte Jan Korte sagte: "Endlich akzeptiert auch die Union die moralische Verpflichtung der Bundesrepublik, den nur noch wenigen Opfern eine symbolische Entschädigung zu zahlen."
Während sich SPD, Grüne und Linke bereits seit Längerem für eine Entschädigung der ehemaligen Kriegsgefangenen ausgesprochen hatten, scheiterte eine erste entsprechende Initiative vor zwei Jahren am Widerstand von Union und FDP.
"Der Kommunist ist kein Kamerad"
Die sowjetischen Soldaten bekamen in deutscher Gefangenschaft die Folgen der nationalsozialistischen Weltanschauung zu spüren, die die Völker im Osten als minderwertige "Untermenschen" betrachtete. Nach einem Zitat des Generalstabschefs Franz Halder aus dem Jahr 1941 müsse Deutschland im Krieg gegen die Sowjetunion "von dem Standpunkt des soldatischen Kameradentums abrücken. Der Kommunist ist vorher kein Kamerad und nachher kein Kamerad."
Während etwa drei Prozent der gefangenen westalliierten Soldaten die deutsche Gefangenschaft nicht überlebten, waren es auf sowjetischer Seite mehr als die Hälfte. Insgesamt etwa drei Millionen Menschen. Sie verhungerten, erfroren, starben an Krankheiten oder wurden erschossen. Doch von einer Entschädigung, wie sie KZ-Häftlingen zusteht, waren die sowjetischen Kriegsgefangenen bisher ausgeschlossen.
Viele Überlebende erwarteten nach der Rückkehr in die Heimat erneut Lager und Verfolgung. Sie galten in der Sowjetunion als Verräter, weil sie nicht bis zuletzt gekämpft hätten.