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Zweiter Weltkrieg:Die Welt im Gedenken

Im Mai 1945 endete der Krieg, der weltweit mehr als 60 Millionen Todesopfer forderte. 75 Jahre später wird ihrer trotz der Corona-Pandemie gedacht - zum Beispiel am Miniaturpark in Den Haag, in der Luft über Moskau oder per Livestream aus der Royal Albert Hall.

Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht endete am 8. Mai 1945 der von Hitler-Deutschland entfesselte Krieg in Europa. Er kostete etwa 60 Millionen Menschen das Leben. Unter ihnen waren etwa sechs Millionen europäische Juden, die die Nationalsozialisten in ihrem Rassenwahn ermordet haben. 75 Jahre später wird zum Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkrieges in Deutschland und Europa mit vielen Veranstaltungen gedacht. Viele finden wegen der Corona-Pandemie online statt. Im Bild zu sehen ist das Feuer einer Flamme vor dem Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst am Morgen des 8. Mai.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht vor der Neuen Wache am Boulevard Unter den Linden in Berlin über die Bedeutung des Kriegsendes 1945: "Der 8. Mai 1945 war das Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, das Ende von Bombennächten und Todesmärschen, das Ende beispielloser deutscher Verbrechen und des Zivilisationsbruchs der Shoah. Hier in Berlin, wo der Vernichtungskrieg erdacht und entfesselt worden war und wohin er mit aller Wucht der Zerstörung zurückkehrte - hier in Berlin wollten wir heute gemeinsam erinnern."

Neben dem Bundespräsidenten (Mi.) nehmen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und Andreas Vosskuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, (v.l.) an der Gedenkveranstaltung in der Neuen Wache teil. Sie legen Kränze vor der Plastik "Mutter mit totem Sohn" von Käthe Kollwitz nieder.

Zum Gedenken an den 8. Mai 1945 finden in Berlin auch kleinere Anti-Kriegs-Demonstrationen statt.

Am Sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten an der Straße des 17. Juni, nahe dem Brandenburger Tor in Berlin, legen am Morgen Mitarbeiter der russischen Botschaft Blumen nieder.

Am Brandenburger Tor soll ein bunter, aufblasbarer Panzer des gebürtigen Leipziger Pop-Art-Künstlers Michael Fischer-Art anlässlich des Jahrestages an die Sinnlosigkeit des Krieges erinnern und zu mehr Engagement für den Frieden anregen.

Bereits am Donnerstag sprach Polens Außenminister Jacek Czaputowicz vor der Presse über das Kriegsende. Czaputowicz fordert seit Jahren Reparationen von Deutschland. Mit dem deutschen Überfall auf Polen hatte der Weltkrieg 1939 begonnen. In den folgenden Jahren ermordeten die Nazis mehr als fünf Millionen Polen und verübten in Auschwitz, auf polnischem Boden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Gedenken am Freitagmorgen im nordfranzösischen Lille: Nicht weit von hier fand 1940 die Schlacht von Dünkirchen statt. Der Frankreichfeldzug der Wehrmacht resultierte in der Besetzung Frankreichs. Die Nordhälfte des Landes unterstand einer in Paris residierenden deutschen Militärverwaltung. Im Süden Frankreichs regierte das Vichy-Regime, das mit dem Deutschen Reich kollaborierte. Mehr als 360 000 Franzosen wurden im Zweiten Weltkrieg getötet.

In Paris legt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (Mitte, links) einen Kranz vor der Statue von General Charles de Gaulle nieder. Da die Veteranen des Zweiten Weltkriegs, die noch leben, zur Corona-Hochrisikogruppe gehören, verzichteten die Franzosen auf große, öffentliche Paraden und Feiern.

Weitere Teilnehmer des Gedenkens in Paris neben Macron (l.) sind Yves de Gaulle, ein Enkel des Generals de Gaulle, die früheren französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande sowie die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo (v.l.).

Gorleston-on-Sea in Großbritannien: Bruno Peek steht mit seinem Hund Wilson vor seinem Haus und dekoriert anlässlich des Jahrestages zum Ende des Zweiten Weltkrieges seinen Garten mit kleinen Union Jacks. Im ganzen Land wird seit Donnerstag festliche Beflaggung vorbereitet. Nach der Besetzung Frankreichs und vor dem Kriegseintritt der Sowjetunion kämpfte Großbritannien allein gegen Hitler-Deutschland. Durch die deutsche Bombardierung britischer Städte 1940 und 1941 - auf Englisch auch "The Blitz" genannt - wurden 40 000 Menschen getötet und unzählige Wohnungen, Fabriken und historisches Kulturerbe zerstört. Insgesamt starben im Zweiten Weltkrieg mehr als 330 000 britische Soldaten und Zivilisten.

In der leeren Royal Albert Hall gab die Mezzosopranistin Katherine Jenkins am Donnerstagabend ein halbstündiges Gedenkkonzert, das online live übertragen wurde.

Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, platzierte am Freitagmorgen eine Kerze am Grab des Unbekannten Kriegers in der Westminster Abbey. Queen Elizabeth II. will um 22 Uhr eine Fernsehansprache halten - genau 75 Jahre nach der Ansprache ihres Vaters, König George VI., im Radio. Während des Zweiten Weltkriegs machte Elizabeth eine Ausbildung zur Lastwagenfahrerin und -mechanikerin in der Armee. Als Nazi-Deutschland kapitulierte, mischte sie sich unerkannt unter die Feiernden in London.

Bernard Morgan, 96 Jahre alt, salutiert während der Gedenkminuten vor seinem Haus in Crewe, Großbritannien. Morgan rückte während des Krieges mit der 2nd Tactical Air Force den britischen Landstreiftkräften nach und hatte die Aufgabe, Meldungen zu ent- und verschlüsseln.

In ungewöhnlich großem Abstand - dem Coronavirus geschuldet - salutieren Angehörige der britischen Armee während der Gedenkveranstaltung vor dem "Cenotaph", dem Kriegsdenkmal von Whitehall.

Maschinen der Kunstflugstaffel Red Arrows der Royal Air Force fliegen während der Gedenkveranstaltung über London hinweg.

Auch in Schottlands Hauptstadt Edinburgh bleiben die an den Feierlichkeiten Beteiligten auf Abstand: Schottlands Erste Ministerin Nicola Sturgeon (Mi.) während der Gedenkminuten vor St Andrew's House, dem schottischen Regierungssitz.

Eigentlich wollte Kremlchef Wladimir Putin den 75. Jahrestag des Sieges über Hitler mit der größten Militärparade der Geschichte feiern - mit Gästen aus aller Welt. Die Russen feiern den Sieg über Nazi-Deutschland einen Tag später als in Deutschland, weil bei der Kapitulation am 8. Mai 1945 in Moskau schon der neue Tag angebrochen war. Wegen der Corona-Pandemie werden die Festlichkeiten am 9. Mai nun kleiner ausfallen. Putin, der einen Kranz am Ewigen Feuer in Moskau niederlegen will, hat trotz der Corona-Pandemie Höhepunkte angekündigt. In mehreren russischen Städten sind Feuerwerk und Flugparaden der Luftstreitkräfte geplant. Im Bild zu sehen ist eine Übung dafür am Montag in Moskau.

Auch in Sankt Petersburg wurde die Flugschau bereits geübt. Der Hitler-Stalin-Pakt zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion war eine Voraussetzung, die mit zum deutschen Angriff auf Polen beitrug. 1941 überfielen die Deutschen die Sowjetunion. Die Ostfront bildete bis zum Ende des Krieges die wichtigste Landfront der Alliierten im Kampf gegen das Deutsche Reich und seine Verbündeten. In der Sowjetunion forderte der Zweite Weltkrieg mehr als 27 Millionen Todesopfer - das sind mehr als in jedem anderen Land.

Am 4. Mai 1945 wurden die Niederlande, Dänemark und Norddeutschland durch eine Teilkapitulation der Wehrmacht befreit. Die Niederländer gedachten deshalb bereits am Montag der Kriegsopfer. Das öffentliche Leben stand am Montagabend um 20 Uhr für zwei Schweigeminuten still. König Willem-Alexander und seine Frau Máxima legten auf dem Dam, dem zentralen Platz in Amsterdam, einen Kranz am Denkmal für die Kriegsopfer nieder. Wegen der Corona-Maßnahmen fand die zentrale Feier erstmals auf einem fast menschenleeren Platz statt. Die Niederlande waren 1940 von Nazi-Deutschland angegriffen und fünf Jahre lang besetzt worden. Mehr als 220 000 Niederländer fielen dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer.

Auch die jährliche Veranstaltung zum Gedenken an die minderjährigen niederländischen Opfer am Miniaturpark Madurodam findet in einer abgewandelten Form statt. Die 1952 eröffnete Anlage ist nach dem im Konzentrationslager Dachau an Fleckfieber verstorbenen Widerstandskämpfer George Maduro benannt. Die "Bürgermeisterin" der Anlage, die 16-jährige Busra, legte am 4. Mai einen Kranz nieder.

Belgiens Königin Mathilde, König Philippe und Premierministerin Sophie Wilmes (vordere Reihe, v.l.) begehen das Gedenken an das Ende des Krieges am Grab des Unbekannten Soldaten in Brüssel.

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