Zweiter Weltkrieg in Griechenland:Wo den Juden furchtbares Unrecht geschah

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Deutsche Sturmgeschütze bei der Fahrt durch den Galerius-Bogen von Thessaloniki. (Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Thessaloniki unter Nazi-Herrschaft war für Jahrzehnte kein Thema. Das ändert sich nun - mit deutscher Unterstützung.

Rezension von Christiane Schlötzer

"Gespaltene Erinnerungen 1940-1950" ist der Titel einer Ausstellung, die in Thessaloniki noch bis Ende Februar zu sehen ist, gestaltet vom Jüdischen Museum der Stadt und dem Goethe-Institut. Dass es diese Veranstaltung überhaupt gibt, ist bereits bemerkenswert, denn Thessaloniki gehört zu den Orten, die der eigenen Geschichte lange Zeit den Rücken zuwandten, der osmanischen, wie der jüdischen. Langsam ändert sich dies, gestützt wird die neue Offenheit von gleich mehreren Veröffentlichungen ( siehe nebenstehenden Text), die nun endlich weitaus zügiger als früher auch auf Deutsch vorliegen.

In "Die Überlebenden" dokumentiert die Historikerin Rika Benveniste ihre eigene Familiengeschichte, führt diese aber auch ins Allgemeine, wenn sie von jenen jungen Juden aus Thessaloniki berichtet, die der Vernichtung entkamen, weil sie sich den Partisanen in den griechischen Bergen anschlossen - ein bislang eher wenig beleuchtetes Kapitel jüdischen Widerstands.

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Als die Andarten, die Partisanen, nach dem Abzug der deutschen Besatzer aus Thessaloniki, am 30. Oktober 1944, im Triumph zurückkehrten, gab es für die Juden unter ihnen keinen Grund, sich als Sieger zu fühlen. Denn viele erfuhren, "dass sie die einzigen Überlebenden ihrer vielköpfigen Familien waren, dass ihre Häuser von ihnen Unbekannten bewohnt wurden und ihr ganzer Besitz gestohlen war", wie Benveniste schreibt.

Von den wenigen griechischen Juden, die das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau überlebten, kehrten später noch weniger zurück, sie wanderten nach Amerika oder Israel aus. Davor lebten viele in Bayern, in Feldafing, in einem Lager für "Displaced Persons". Benveniste zeichnet auch einzelne Schicksale der "Feldafinger" Griechen nach.

Welche Verbrechen von Deutschen in Griechenland begangen wurden, gehörte lange nicht zum deutschen Alltagswissen, erst sehr spät, angestoßen auch durch die Griechenlandkrise und eine teils aggressive antideutsche Rhetorik, begann das Interesse zu wachsen. Die Übersetzung von Benvenistes Forschungsfleiß hat das Auswärtige Amt in Berlin gefördert.

Gleiches gilt für das Tagebuch des Auschwitz-Häftlings Heinz Salvator Kounio, 34 Jahre nach der griechischen Erstveröffentlichung. Kounio, ebenfalls aus Thessaloniki, war im Alter von 15 Jahren mit seiner Familie deportiert worden.

Nüchtern, aber höchst eindringlich schildert er in "Ein Liter Suppe und 60 Gramm Brot" seine mehr als zweijährige Odyssee. Zuletzt steht Kounio mit seinem Vater vor einem Erschießungskommando, er wird durch einen couragierten deutschen Offizier gerettet.

Im Vorwort zur deutschen Ausgabe drückt der 89-Jährige die Hoffnung aus, sein Buch möge jungen Menschen "in einem Land mit so großer globaler politischer Macht" dabei helfen, eine Wiederholung des Geschehens - "egal wo, egal wann" - unmöglich zu machen.

Rika Benveniste: Die Überlebenden. Widerstand, Deportation, Rückkehr. Juden aus Thessaloniki in den 1940er Jahren. Edition Romiosini Berlin 2016, 460 Seiten, 25 Euro.

Heinz Salvator Kounio: Ein Liter Suppe und 60 Gramm Brot. Das Tagebuch des Gefangenen 109 565. Verlag Hentrich & Hentrich Berlin 2016, 256 Seiten, 19,90 Euro.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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