Zweite TV-Debatte vor US-Wahl:Technischer K. o. - Obama schlägt Romney

Der Präsident kontert: Nach dem schwachen Auftritt im ersten Duell präsentiert sich Obama gut vorbereitet und schlagfertig. Sein Herausforderer bringt sich mit einigen Fehlern selbst in arge Bedrängnis - die ihm sogar die Moderatorin vor laufenden Kameras vorhält.

Matthias Kolb, Washington

Nach 90 Minuten TV-Debatte schüttelten sich die Kontrahenten die Hände, dann herzten sie ihre Ehefrauen und Verwandten. Ein Kandidat war bestens gelaunt und scherzte mit den Leuten um ihn herum, während der andere den Ort des Geschehens schnell verließ. In Denver, nach dem ersten TV-Duell, hätte Mitt Romney wohl am liebsten auf der Bühne übernachtet, während der müde wirkende Obama das Weite suchte.

Nach der zweiten Runde in Hempstead auf Long Island (nachzulesen im Liveblog) war es genau anders herum, wie nicht nur Chuck Todd von MSNBC bemerkte: Der Republikaner zog sich flugs zurück und überließ dem US-Präsidenten das Feld. Barack Obama posierte mit einigen Zuschauern für Erinnerungsfotos und grinste so breit, als wüsste er bereits das Ergebnis der Blitzumfragen. Bei CNN sahen ihn 46 Prozent der Befragten als Sieger, 39 Prozent Romney. Wie sich das Duell in den swing states auswirkt, wird erst in einigen Tagen klar sein.

Der Abend an der Hofstra University war in vielerlei Hinsicht anders als der Auftakt. Vor allem weil Obama die Erwartungen der Amerikaner und die Hoffnungen seiner Anhänger erfüllte und äußerst aktiv an der Diskussion teilnahm. Und da Candy Crowley von CNN, die dritte Protagonistin, ihre Aufgabe als Moderatorin ernst nahm und nicht nur als Stichwortgeber agierte, konnte Romney diesmal nicht in die Rolle des Ersatz-Schiedsrichters schlüpfen.

Zweite TV-Debatte vor US-Wahl: Die drei Protagonisten der TV-Debatte. Barack Obama und Candy Crowley sind wohl die Sieger des Abends.

Die drei Protagonisten der TV-Debatte. Barack Obama und Candy Crowley sind wohl die Sieger des Abends.

(Foto: AP)

Die Leistung der drei Protagonisten im Vergleich.

[] Barack Obama: Angriffslustig, grinsend, zufrieden

An Ratschlägen, wie er sich in beiden kommenden Debatten verhalten sollte, hat es Obama wahrlich nicht gemangelt. Vieles hat der 51-Jährige beherzigt: Er blickte nicht nach unten, machte sich keine Notizen, sondern ließ Romney bei dessen Antworten nicht aus den Augen. Er signalisierte 90 Minuten lang: "Ich werde dafür kämpfen, noch vier Jahre zu regieren." Seine Performance wird die vielen Freiwilligen, die bis zum 6. November an Türen klopfen und Stunden am Telefonhörer hängen, wieder motivieren - allein dies ist aus Sicht der Demokraten ein Erfolg.

In Hempstead war sich der Präsident nicht zu fein, auf Romneys Schwachpunkte hinzuweisen: Obama erinnerte an den 47-Prozent-Spruch über die ärmeren Amerikaner, er thematisierte Romney Steuerrate von 14 Prozent, spottete über dessen viele Meinungswechsel und verwies auf jenen berühmten Zeitungsartikel über die US-Autoindustrie mit der Überschrift "Lasst Detroit bankrott gehen". Der letzte Punkt zielt vor allem auf Ohio, den wichtigsten swing state, in dem viele Jobs - wie in Michigan - von GM, Ford und Chrysler abhängen. Und als Romney ihn darauf hinwies, dass der Pensionsfonds des Präsidenten auch in chinesische Firmen investierte, konterte Obama gekonnt: "Meine Rente wird nicht so hoch sein wie Ihre."

Romneys folgenschwerer Patzer

Fehlerlos war Obamas Leistung nicht: Er war sehr aggressiv und kaum einem Zuschauer blieb verborgen, wie wenig er von seinem Widersacher hält. Sein Grinsen war mitunter sehr abfällig, während Romney antwortete. Doch er war in den wichtigen Punkten zur Stelle: Er erzählte von seiner alleinerziehenden Mutter und der hart arbeitenden Großmutter als es um Gleichberechtigung ging und verwies auf das Lilly-Ledbetter-Gesetz für gleiche Entlohnung von Frauen. Als ein Zuschauer nach dem Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi fragte, lobte Obama zunächst die Arbeit der Diplomaten und übernahm dann als Präsident die Verantwortung. Mit schneidender Stimme wies er die Anschuldigung der Republikaner, seine Regierung kläre die Vorfälle rund um den Tod von vier Amerikanern aus politischen Gründen nicht auf, als "beleidigend" zurück. Dieser Auftritt war bereits gelungen - doch ein Patzer Romneys verstärkte ihn.

[] Mitt Romney: Kontrolliert, kompetent, kurz unkonzentriert

Obwohl Obama ihm an diesem Abend deutlich stärker Paroli bot als in Denver, machte der Republikaner eine ziemlich gute Figur. Er ist überzeugend, wenn er die Wirtschaftsbilanz der vier Obama-Jahre kritisiert und auf seine Erfahrung als Geschäftsmann verweist - in der CNN-Blitzumfrage wies ihm eine deutliche Mehrheit hier höhere Kompetenz zu. Doch er konnte selten kontern, als ihn Obama mit eigenen Aussagen aus dem Vorwahlkampf der Republikaner konfrontierte, als er um die Unterstützung der konservativen Parteibasis buhlte - das Image des "moderaten Mitt" bekam Kratzer. Und allzu staatsmännisch wirkte Romney nicht, als er immer wieder von Moderatorin Candy Crowley mehr Redezeit einforderte.

Ein Patzer unterlief ihm ausgerechnet bei jenem Thema, mit dem die Republikaner Obama und die Demokraten seit Wochen piesacken: War der Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi vermeidbar? Obama hatte Romneys vorschnelle Kommentare (Details hier) kritisiert und daran erinnert, dass er bereits am Folgetag im Rosengarten des Weißen Hauses von einem Terrorakt gesprochen habe. Romney schaut kurz verwundert, fragt bei Obama nach, der ihn auf das Redeskript verweist. Der Republikaner sagt trotzdem: "Gut, dass wir das im Protokoll haben. Der Präsident hat 14 Tage gebraucht, bis er von einem Terroranschlag sprach." Es ist Moderatorin Candy Crowley, die in einem Live-Factcheck dem Präsidenten recht gibt. Der Clip vom 12. September ist später in allen Analysen der TV-Sender zu sehen - Romneys Argumentation erscheint vielen Zuschauern als parteipolitisch motiviert. Die Nachrichtenseite Politico spricht zu Recht von einem "technischen K. o."

Die Aussage Romneys, ihm seien als Gouverneur von Massachusetts von "Frauengruppen Aktenordner voller Frauen" vorgelegt worden, damit er ihnen Jobs geben könne, entwickelte sich bereits während der Debatte bei Twitter zum Nachfolger der Diskussion um Big Bird von der "Sesamstraße". Dennoch bleibt der Republikaner weiterhin im Rennen: In dem stark polarisierten Land lässt sich ohnehin nur eine Minderheit der Wähler umstimmen und der 65-Jährige hat gezeigt, dass seine eloquente Leistung in Denver kein Zufall war - in den 90 Minuten der letzten Debatte am kommenden Montag kann viel passieren.

[] Candy Crowley: Überlegen und unbestechlich

Anders als in Denver wurde die zweite Debatte als Townhall-Format ausgetragen: 82 Bürger aus dem Bundesstaat New York, allesamt unentschlossene Wähler, hatten Fragen vorbereitet, aus denen die CNN-Journalistin Candy Crowley einige auswählte. Dies zwang Romney und Obama dazu, sich zunächst beim Fragesteller zu bedanken, mehrmals dessen Namen zu nennen und dann eine mehr oder weniger präzise Antwort zu geben.

Wie Martha Raddatz, die Gastgeberin des Vize-Duells, hatte Crowley die beiden Herren ziemlich gut unter Kontrolle und hielt ihre Ankündigung, sie wolle nicht nur eine Mikrofon-Halterin sein, sondern die Diskussion vorantreiben. Für Bob Schieffer von CBS, den Moderator der abschließenden Debatte, kann die Leistung der beiden Journalistinnen eigentlich nur eines bedeuten: Auch er sollte am Montag in Boca Raton eine aktive Rolle übernehmen.

Linktipps:

- Die Washington Post hat bereits die Sieger und Verlierer der zweiten TV-Debatte gekürt - es sind einige Überraschungen dabei.

- Glenn Kessler, der Fact Checker der Washington Post, erläutert in einem ausführlichen Beitrag den Streit zwischen Romney und Obama über den Angriff aus das US-Konsulat in Bengasi und das Wort "Terrorakt".

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