Zweite Amtszeit für US-Präsident:Vier Fehler, die Obama nicht wiederholen darf

100 Mal war Obama Golfspielen, aber nur einmal mit einem Republikaner. In seiner ersten Amtszeit hat sich der wiedergewählte Präsident isoliert. Die riesigen Probleme des Landes kann er aber nur gemeinsam mit dem politischen Gegner lösen. Deshalb muss Obama seine Art ändern, Politik zu machen.

Matthias Kolb, Chicago

Dass Barack Obama ein äußerst selbstbewusster und ehrgeiziger Mann ist, ist hinlänglich bekannt. Er weiß, dass er als erster Afroamerikaner im Weißen Haus einen Platz in den Geschichtsbüchern haben wird, aber das reicht dem 51-Jährigen nicht. Er möchte in Erinnerung bleiben als ein Politiker, der Amerika verändert hat. Abraham Lincoln und Franklin D. Roosevelt, in die Reihe dieser legendären US-Präsidenten möchte sich Obama stellen, wie er in privaten Gesprächen mit namhaften Historikern erklärt hat (Details über die Treffen mit Biografen diverser US-Präsidenten bei der New York Times).

"Wir sind eine amerikanische Familie, und wir werden als Nation und Volk gemeinsam aufsteigen oder fallen", sagte Obama nach seiner Wiederwahl. Auch wenn der Sieg - in absoluten Zahlen - knapp war und die USA ein gespaltenes Land bleiben, zeigen Obamas Worte, dass er seinen Erfolg als Auftrag begreift: Die enormen Probleme - Staatsverschuldung, kaum zukunftsfähige Sozialsysteme, marodes Bildungssystem - sollen gemeinsam gelöst werden. Diese Sicht übermittelte Obama am Mittwoch, bevor er zurück nach Washington flog, per Telefon den Anführern der Republikaner in Repräsentantenhaus und Senat - John Boehner und Mitch McConnell - sowie den Demokraten Nancy Pelosi und Harry Reid.

Wenn Obama als herausragender Präsident in Erinnerung bleiben und er Amerika - zumindest ein wenig - einigen will, dann darf er vier Fehler seiner ersten Amtszeit nicht wiederholen.

[] Obama muss sein Verhältnis zu Republikanern im Kongress verbessern

Die gute Nachricht: Noch schlechter kann die Beziehung zwischen Obama und den Konservativen in Senat und Repräsentantenhaus nicht werden. Der US-Präsident war mit einer Mehrheit in beiden Kammern gestartet und hatte es damals unterlassen, sich regelmäßig mit Spitzen-Republikanern zu treffen. Dies rächte sich 2010, als die Republikaner nach dem Aufstieg der Tea Party und einer Anti-Obama-Stimmung bei den midterm elections das House zurückeroberten.

Dem Bewohner des Weißen Hauses stieß eine Blockadehaltung und Verachtung entgegen, die der Rationalist Obama nicht verstehen konnte. Als seine Kompromissangebote immer wieder zurückgewiesen wurden und die Medien ihn als schwachen Präsidenten darstellten, vor dem in Washington niemand außer den eigenen Mitarbeitern Angst habe, zog sich Obama beleidigt zurück.

Gewiss: Es ist schwer, einen Mann wie den Minority Leader der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, zu umgarnen, wenn dieser als wichtigstes Ziel ausgibt, Obamas zweite Amtszeit zu verhindern. Doch auch zu John Boehner, dem Sprecher des Repräsentantenhauses, und den Strippenziehern Eric Cantor und Paul Ryan hat der Präsident nie einen Draht gefunden - oder sie wie Ryan mitunter öffentlich brüskiert.

Obama muss also versuchen, alte Feindseligkeiten zu begraben, persönliche Kontakte aufzubauen und idealerweise auch einen effektiven Vermittler zum Capitol Hill installieren. Es gilt, die richtige Mischung aus Druck und Verständnis zu finden, er muss die Republikaner zugleich bezirzen und sie mit seinen Forderungen nach höheren Steuern quälen. Die Öffentlichkeit muss spüren, dass er bereit ist, zu jeder Zeit an jedem Ort zu verhandeln - und dass die Konservativen die Blockierer sind.

Erste Äußerungen von John Boehner machen Mut. Er sagte vor Journalisten, er sei angesichts der drohenden "Steuerklippe" zu Kompromissen bereit. Zur Erinnerung: Wenn sich die Parteien bis Jahresende nicht einigen, drohen Steuererhöhungen und Kürzungen beim Militär. Der Sprecher des Repräsentantenhauses kann sich eine Lösung inklusive höherer Staatseinnahmen vorstellen, wenn die Sozialsysteme und das Steuersystem langfristig überarbeitet würden. Obama rief er zu: "Mister President, das ist Ihr Moment. Wir sind bereit, als Amerikaner Verantwortung zu übernehmen." Ähnlich hat Boehner laut National Journal am Mittwoch in einer Telefonkonferenz mit seinen Kollegen argumentiert: "Wenn wir Republikaner nicht gemeinsam handeln, werden wir verlieren."

[] Obama darf sich nicht im Weißen Haus einigeln

Das Amt des amerikanischen Präsidenten bringt eine gewisse Isolation mit sich: Der mächtigste Politiker der Welt ist ständig vom Secret Service belagert, die Medien überwachen jeden seiner Schritte und zu fast jeder Krise in einem Land dieser Erde muss er Stellung nehmen. Doch Beobachter sind sich einig, dass sich Obama in seiner Amtszeit zu sehr eingeigelt hat.

Es spricht für ihn als Vater, dass er kaum ein Abendessen mit den Töchtern verpasst - doch dem Politiker Obama würde es helfen, öfter mit den Top-Republikanern zu speisen oder ein Glas Rotwein zu trinken. Ein Beispiel, das illustriert, wie sehr sich Obama mit Vertrauten und Gleichgesinnten umgibt: In der ersten Amtszeit ging er mehr als 100 Mal Golf spielen - nur ein Mal bat er mit John Boehner einen Republikaner dazu. Auch Demokraten wie Senats-Majority Leader Harry Reid oder Nancy Pelosi (Speaker of the House von 2007-2011) klagen, dass Obama zu wenig kommuniziere. Dies muss sich ändern, denn für tragbare Kompromisse wird Obama auch den Demokraten einiges zumuten müssen. Und Obama täte auch gut daran, sich öfter mit Vertretern der Wirtschaft zu treffen.

Politik besser erklären

Obama hat Möglichkeiten, hier etwas zu ändern: Er kann bei der Besetzung seines neuen Kabinetts und seines Stabs darauf achten, dass es klare Zuständigkeiten gibt. Bislang gab es mit Valerie Jarrett, seiner Vertrauen und Chef-Beraterin, eine Schatten-Büroleiterin, die oft dazwischenfunkte. Eindeutige Strukturen könnten die Kommunikation mit allen Seiten verbessern.

[] Obama muss seine Politik besser erklären

In Europa gilt Obama als begnadeter Redner, weshalb seine katastrophale Leistung in der ersten TV-Debatte überraschte. Das rhetorische Talent des Präsidenten ist enorm, doch ein herausragender Kommunikator ist er nicht. Es brauchte Bill Clinton, der beim Parteitag in Charlotte die Bilanz von Obamas erster Amtszeit in eine stringente Geschichte packte: Während Romneys Zahlen nicht aufgingen, habe die Wirtschaftspolitik des Präsidenten dafür gesorgt, dass die Folgen der Finanzkrise abgemildert würden und der Aufschwung langsam komme.

Neben seiner Rolle als Oberbefehlshaber müsse Obama zum Erklärer der Nation werden, forderte jüngst das New York Times Magazine. Es sei erstaunlich, dass der talentierte Autor seine Politik nicht in eine gute Erzählung bündeln könnte, die zumindest für einen Teil der Konservativen nachvollziehbar sei, so der Autor Matt Bai. Alle Slogans wie "An economy built to last", "Winning the Future" oder "Forward!" seien dröge und beliebig.

David Gergen, der vier Präsidenten in Sachen Kommunikation beraten hat, fasst es so zusammen: "Man braucht ein Thema, das als eine Art Wäscheleine dient, an der man die Strategien für andere Politikfelder aufhängen kann. Die Obama-Leute haben so etwas nicht." Gergen hat noch einen Fehler bemerkt, den er darauf zurückführt, dass Obama zuvor Senator und nicht etwa Gouverneur war: "Man muss seine Story so oft wie möglich wiederholen, damit sie Wirkung entfalten kann."

Wenn Obama und seine Berater eine griffige, übergreifende Story finden können, wäre möglicherweise auch eine weitere Gefahr gebannt, die in der ersten Amtszeit zu beobachten war: Der 51-Jährige neigte dazu, sich zu verzetteln und viele Projekte gleichzeitig anzugehen, anstatt klare Prioritäten zu setzen. Dies wurde ihm im Wahlkampf - mit Blick auf die Arbeitslosigkeit - oft vorgehalten.

[] Obama darf seine Kernklientel nicht enttäuschen

Zugegeben: Dieser Punkt steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Forderung, Obama müsse ein besseres Verhältnis zu den Republikanern aufbauen. Dennoch sollte der Präsident die Unterstützung, die er von seinen Kern-Wählergruppen - also den Afroamerikanern, Latinos, Studenten und Frauen - erhalten hat, nicht vergessen und gerade in gesellschaftspolitischen Fragen nicht so taktieren, wie er es etwa in Sachen Homo-Ehe getan hat.

Vor allem das Thema Einwanderungsreform beschäftigt viele seiner Anhänger und im konservativen Amerika gibt es laute Forderungen, hier zu einem Ergebnis zu kommen, um das Image der Grand Old Party bei den Hispanics zu verbessern. Auch das Wort Klimawandel sollte Obama wieder öfter in den Mund nehmen und versuchen, die Bürger auf die drohenden Folgen aufmerksam zu machen - angesichts der schockierenden Schäden von Sandy ist die Zeit dafür reif.

Wenn Obama beherzt für diese Anliegen eintritt, könnte er doppelt profitieren: Womöglich gehen dann mehr seiner Anhänger bei den Kongresswahlen 2014 an die Urne, um die demokratischen Kandidaten für den Kongress zu unterstützen. Und er könnte sich unter den Republikanern auf dem Capitol Hill jenen Respekt verschaffen, den er in der ersten Amtszeit als Verhandler verloren hat.

Der Autor twittert unter @matikolb

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