Gericht zweifelt Serbien als sicheres Herkunftsland an
Das Verwaltungsgericht Münster hat Zweifel, dass die jüngste Asylrechtsreform mit der Verfassung vereinbar ist. Das Gericht stößt sich an der Einstufung Serbiens als sicheres Herkunftsland (Az.: 4 L 867/14.A). In einem rechtskräftigen Beschluss habe das Gericht dem Eilantrag einer asylsuchenden serbischen Roma-Familie entsprochen und ihr vorläufigen Schutz vor Abschiebung gewährt, teilte ein Gerichtssprecher mit. Es sei unklar, ob der Gesetzgeber das Vorhandensein politischer Verfolgung in Serbien ausreichend geprüft habe.
Die Asylanträge der Familie waren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt worden. Derzeit sprächen erhebliche Gründe dafür, dass die Entscheidungen des Bundesamts aufgehoben würden, erläuterte der Sprecher. Sollten sich die Zweifel des Gerichts im weiteren Verfahren nicht auflösen, werde es diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegen.
Flüchtlinge in Europa:Migranten und Wirtschaft
Woher stammen die Flüchtlinge in Europa? Und wie viel Geld überweisen sie zurück in ihre Heimatländer? Drei Grafiken.
Eilänträge Asylsuchender
Serbien gilt durch die Asylrechtsreform seit dem 6. November 2014 als sicherer Herkunftsstaat. Es sei aber nicht hinreichend erkennbar, welches Gewicht der Gesetzgeber den geänderten serbischen Ausreisebestimmungen und ihrer Anwendung auf die Roma gegeben habe, meinen die Münsteraner Richter. Die Gesetzesmaterialien ließen zudem nicht erkennen, dass der Gesetzgeber die Entscheidungspraxis der Verwaltungsgerichte hinreichend berücksichtigt habe.
So habe das Verwaltungsgericht Stuttgart in mehreren Fällen den Klagen serbischer Asylsuchender stattgegeben. Auch das Verwaltungsgericht Münster selbst habe in einer Vielzahl von Fällen den Eilanträgen von Roma entsprochen.
Im September passierte die umstrittene Asylrechtsreform den Bundesrat. Die Novelle stuft die drei Balkanländer Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer ein. Damit können Asylbewerber aus diesen Ländern künftig leichter zurückgeschickt werden. Dafür sagt die Bundesregierung Erleichterungen für andere Asylbewerber und geduldete Zuwanderer zu. Dass der baden-württembergische Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Bundesrat dem Kompromiss zugestimmt hatte, sorgte bei den Grünen für massiven Streit.
Linktipps:
- SZ-Autor Roland Preuß über die wichtigsten Änderungen durch den Asylkompromiss.
- SZ.de-Autor Thorsten Denkler kommentiert das Chaos bei den Grünen nach Kretschmanns Zustimmung zum Asylkompromiss.