Zwei Jahre Schwarz-Gelb:Koalition im Pech, Merkel im Glück

Wenn Schwarz-Gelb mit den Händen etwas aufbaut, reißt es irgendein Hintern wieder ein: Gemessen am schlechten Eindruck, den die Koalition macht, bleibt erstaunlich wenig an Angela Merkel hängen. Ihr Umgang mit der Guttenberg'schen Plagiatsaffäre war unverschämt, die Kehrtwende in der Atompolitik atemberaubend - doch die Kanzlerin regiert einfach weiter. Wie macht sie das bloß?

Nico Fried

Eigentlich war diese Koalition von Beginn an am Ende. Union und FDP als politische Einheit sind selten ihrer Vorstellung von einer guten Regierung gerecht geworden. Das galt schon für den Koalitionsvertrag. Es gilt seit zwei Jahren für manche Reformen, es gilt in vielen Fällen für das Personal und in viel zu vielen Fällen für das Benehmen. Zu viel von dem, was sie vorhatte, hat die Koalition nicht erreicht. Zu wenig von dem, was sie erreicht hat, erzielt Wirkung, um das schlechte Image verbessern zu können. Diese Koalition regiert seit zwei Jahren hinter ihrem eigenen Anspruch her. Und wenn sie mit den Händen etwas aufbaut, reißt es irgendein Hintern meistens wieder ein.

Abstimmung über Stärkung des Euro-Rettungsschirms

Wie schafft es Angela Merkel, anrüchige Entscheidungen einfach verduften zu lassen?

(Foto: dpa)

Eigentlich war diese Koalition von Beginn an am Ende. Aber warum ist sie dann immer noch da?

Angela Merkel ist als Kanzlerin ein Glücksfall - jedenfalls für diese Koalition. Natürlich: Eine Regierungschefin trägt nicht immer die Schuld, aber qua Amt trägt sie auf jeden Fall die Verantwortung für ein schlechtes Erscheinungsbild, für handwerkliche Fehler, für unterlassene oder falsche Entscheidungen. Merkel hält das nicht auf. Sie hält sich nicht damit auf. Merkel regiert einfach weiter. Ihr Stoizismus ist außerordentlich, ihre Gelassenheit bemerkenswert, ihr Fell ist so dick wie es bei Helmut Kohl der Bauch war. Sie zieht diese Koalition hinter sich her. Schritt für Schritt, manchmal enervierend in ihren geduldigen Beschwichtigungen, bisweilen frappierend in ihrer gespielten Naivität.

So viel ist weg - Merkel noch da

Als Merkel 2005 Kanzlerin wurde, sagten viele Wissende voraus, die erste Krise werde sie umhauen. Es kamen die Finanzkrise und die Wirtschaftskrise, und Angela Merkel wurde wiedergewählt. Es kam die Euro-Krise, und Angela Merkel ist immer noch da. In zwei Jahren schwarz-gelber Koalition ging Merkel mit Horst Köhler ein Bundespräsident verloren, mit Guido Westerwelle ein Koalitionspartner, mit Karl-Theodor zu Guttenberg ein Star. Sie verlor eine Serie von Landtagswahlen, mehrere Ministerpräsidenten und mit Fukushima eine ihrer politischen Überzeugungen. So viel ist weg, Merkel noch da.

In gewisser Weise gilt auch ein Umkehrschluss: Diese Koalition ist ein Glücksfall - jedenfalls für Merkel. Kohl hatte Genscher. Schröder hatte Fischer. Angela Merkel I hatte die Sozialdemokraten. Merkel II hat nur noch Merkel. Es gibt keinen Partner auf dem Niveau, das man politische Augenhöhe nennt. Wenn etwas gelingt, wie jetzt der Euro-Gipfel, gehört der Erfolg allein der Kanzlerin. Wenn etwas misslingt, sind stets mindestens zwei Streitende zu sehen, aber nirgends Merkel.

Merkels Riecher für Krisen

Beispiel Steuerpolitik. Aus einer Steuerreform wurde in zwei Jahren noch nicht einmal ein Steuerreförmchen. Aus der Gemeindefinanzreform wurde ein Fehlschlag. Von der Steuervereinfachung blieb dem Normalbürger die Wohltat, nur noch alle zwei Jahre die Steuererklärung ausfüllen zu müssen - bis auch diese Regelung wieder kassiert wurde. Und wer ist schuld?

Immer die anderen: Die Steuerentlastung zerfiel im Kleinkrieg zwischen Wolfgang Schäuble und der FDP. Die Vorratsdatenspeicherung ist zwischen Innen- und Justizministerium blockiert, die Pflegereform zwischen CSU und FDP, die Frauenquote zwischen CDU und CDU; wegen des Libyen-Einsatzes und seiner Bewertung stritt sich der alte mit dem neuen FDP-Chef über die Richtlinienkompetenz in der Außenpolitik, die beide nicht haben. Diejenige, die sie hat, schwieg die meiste Zeit.

Gemessen am schlechten Eindruck, den diese Koalition macht, bleibt erstaunlich wenig an der Kanzlerin hängen, selbst nach persönlichen Fehlern: In ihren Sparbeschlüssen duldete sie eine soziale Schieflage. Die Aufspaltung Karl-Theodor zu Guttenbergs in den Minister und in den Akademiker war unverschämt, ihr Beschluss zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke rücksichtslos, die Kehrtwende in der Atompolitik im Tempo atemberaubend und in der Begründung unglaubwürdig. Doch wie Jean-Baptiste Grenouille in Patrick Süskinds Roman Das Parfum scheint Angela Merkel über eine Essenz zu verfügen, mit der die Anrüchigkeit mancher politischen Entscheidung einfach verduftet.

Dieser Koalition stieg am Anfang die Euphorie des Sieges zu Kopf, aber sie hatte kein Ziel vor Augen. Sie bekam es schließlich von außen aufgedrückt. Die Euro-Krise wurde zur Schlagzeile über der zweiten Amtszeit der Kanzlerin und fast den vollen zwei Jahren ihrer schwarz-gelben Koalition. Der Bungalow, in dem die Regierung vor sich hinwerkelte, sich beschimpfte und nur gelegentlich etwas Vorzeigbares präsentierte, bekam plötzlich ein Obergeschoss aufgesetzt.

Da drin arbeitet Merkel gegen die Schuldenkrise an. Alle schwarz-gelbe Politik ist nichts im Vergleich zu dieser Krise. Aber ohne eine Lösung dieser Krise ist die meiste Politik nichts mehr. Merkels Schicksal als Kanzlerin entscheidet sich nicht im Parterre, sondern im ersten Stock. Angesichts der Größe der Aufgabe ist das ihr Pech - angesichts des Zustandes ihrer Koalition ihr Glück.

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