Zusatzrente für EU-Abgeordnete:Notfalls Steuergeld für Pensionen

Weil einem Rentenfonds nach Fehlspekulationen 120 Millionen Euro fehlen, fürchten EU-Parlamentarierer um ihr Ruhegeld.

C. Gammelin

Schlimmer kann es aus Sicht deutscher EU-Parlamentarier kaum kommen. In sechs Wochen wird ein neues europäisches Parlament gewählt, aber offensichtlich weiß nicht einmal die Hälfte der deutschen Wahlberechtigten davon.

Zusatzrente für EU-Abgeordnete: Deutsche Parlamentarier wollen keine "Haushaltsbezuschussung akzeptieren, die Spekulationsverluste ausgleicht".

Deutsche Parlamentarier wollen keine "Haushaltsbezuschussung akzeptieren, die Spekulationsverluste ausgleicht".

(Foto: Foto: dpa)

Dagegen hören sie überall, dass sie mit ihrem Steuergeld die Verluste eines europäischen Pensionsfonds ausgleichen sollen. Dieser sicherte vielen Abgeordneten bisher eine üppige Zusatzrente, ist aber durch riskante Aktiengeschäfte in der Krise drastisch zusammengeschmolzen.

Die notwendigen Mittel des Fonds beliefen sich zur Zeit auf 265 Millionen Euro, jedoch fehlten 120 Millionen Euro, schreibt Klaus Welle, Generalsekretär des EU-Parlaments, an die Kollegen im Präsidium. Schon von 2010 an seien die Pensionszahlungen gefährdet, bis 2023 könnte das Geld "vollkommen aufgebraucht" sein.

Das Präsidium will erreichen, dass mehr als 1000 aktive und ehemalige Parlamentarier, die Beiträge in den Pensionsfonds gezahlt haben, trotz der Verluste auch eine Pension erhalten. Dazu sollen die Auszahlungsmodalitäten geändert werden.

Notfalls sollen aber die Bürger zur Kasse gebeten werden. Finanzielle Folgen für den europäischen Steuerzahler seien zwar "so weit wie möglich" auszuschließen, schreibt Welle. Sollte dennoch Steuergeld benötigt werden, um die Pensionsansprüche zu erfüllen, sollten entsprechende "Lasten gerecht und unter Berücksichtigung der öffentlichen Vermittelbarkeit aufgeteilt werden".

Im Europäischen Parlament ist nun ein offener Streit über die weitere Finanzierung der Zusatzpensionen entbrannt. "Wir sind nicht bereit, irgendeine Haushaltsbezuschussung zu akzeptieren, die Spekulationsverluste ausgleicht", empört sich Martin Schulz, Fraktionsvorsitzender der europäischen Sozialisten.

"Massiven Widerstand" kündigt auch Werner Langen, Chef der Unionsabgeordneten an. Der geplante Griff in die Staatskasse sei ein "Riesenskandal". Seine Fraktionskollegin Inge Gräßle hat zusammen mit den Stimmen der Grünen im Haushaltsausschuss des Parlaments erzwungen, dass die Abgeordneten an diesem Donnerstag darüber abstimmen, "auf keinen Fall Spekulationsdefizite auszugleichen".

Ob das gelingt, ist ungewiss. Die deutschen Abgeordneten stehen mit ihrem Widerstand weitgehend alleine da. Für sie ist der Pensionsfonds nach eigenen Angaben unattraktiv, weil Deutschland das einzige Land ist, das EU-Pensionen mit nationalen Ansprüchen verrechnet. "In Deutschland zahlt der Steuerzahler nur einmal für die Pensionen der Parlamentarier, andere Länder beschränken das nicht", sagt Gräßle.

Der im Jahr 1994 in Luxemburg eingerichtete Pensionsfonds ist nicht nur wegen seiner Spekulationsverluste umstritten. In der Kritik steht die gesamte Finanzierung. Bei einem Monatsbeitrag von knapp 1200 Euro, den der Abgeordnete zahlt, legte der Steuerzahler nocheinmal das Doppelte drauf. Nach zwanzig Jahren soll der Fonds so eine Zusatzrente von mehr als 5500 Euro monatlich garantieren.

Schon 2005 monierte der Europäische Rechnungshof, es fehle eine "ausreichende Rechtsgrundlage". Für das überwiegend mit öffentlichem Geld finanzierte System existieren bis heute weder eine Transparenz-, noch eine Rechenschaftspflicht. Die Liste der Abgeordneten wird weiter geheim gehalten. Nach der Europawahl wird der Fonds für neue Mitglieder geschlossen.

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