Premier Monti:Italien will den Sanierer behalten

Premier Monti: Auf ihn konzentrieren sich die Hoffnungen der Berlusconi-Gegner trotz seines angekündigten Rücktritts: Premier Mario Monti (hier in Rom mit dem Petersdom im Hintergrund).

Auf ihn konzentrieren sich die Hoffnungen der Berlusconi-Gegner trotz seines angekündigten Rücktritts: Premier Mario Monti (hier in Rom mit dem Petersdom im Hintergrund). 

(Foto: AFP)

Wird Silvio Berlusconi jetzt tatsächlich die Chance erhalten, in Italien noch einmal Chaos anzurichten? Vielen bereitet das Sorgen. Sie hoffen, dass Premier Monti trotz seiner Rücktrittsankündigung nach der Wahl doch noch irgendwie weitermacht. Dafür gibt es mehrere Pläne.

Von Andrea Bachstein, Rom

"Einen schönen Tag noch" - mehr konnten die Reporter Mario Monti nicht entlocken, die ihn beim Sonntagsspaziergang in Mailand verfolgt hatten, um herauszufinden, was ganz Europa dringend wissen möchte: Wird der Mann, der als Regierungschef Italien und die EU in den vergangenen 13 Monaten vor dem drohenden Staatsbankrott seines Landes bewahrt hat, nächstes Jahr aus der Politik verschwinden? Oder kann man weiterhin auf ihn setzen?

In Italien überschlagen sich die Spekulationen, und bei den Staatschefs Europas vertiefen sich die Sorgenfalten bei der Aussicht, dass Ex-Premier Silvio Berlusconi wieder Chaos anrichten könnte.

Mario Monti selbst, dem aufgeregte Gesten wesensfremd sind, hat sich nach der Ankündigung seines Rücktritts erst einmal einen Tag Ruhe gegönnt. Das Privatleben der Familie Monti ist so unspektakulär und bürgerlich, dass Italiens Klatschpresse es längst resigniert als für sie uninteressant bezeichnet hat. In Mailand besuchte der praktizierende Katholik Monti also mit seiner Frau die Sonntagsmesse in der Kirche San Piero in Sala und schlenderte anschließend mit Tochter Federica noch ein bisschen durchs Viertel. Dabei wirkte er gelassen, fast ein wenig befreit. Zu Hause soll währenddessen das Telefon heiß gelaufen sein.

Für den Wirtschaftsprofessor, der in der Regel ein paar Schritte vorausdenkt und möglichst sämtliche Einflussfaktoren einkalkuliert, gibt es jetzt eine Reihe von Optionen. Doch darüber wird er persönlich wohl kein Wort verlieren, im komplizierten italienischen Politikspiel gibt es viele Gründe, seine Absichten nicht frei heraus publik zu machen. Zudem weiß er, dass jedes seiner Worte präzise gewogen und seziert werden wird. Noch kein klares Resultat solcher Untersuchungen liegt vor für das, was er sagte, als er Staatspräsident Giorgio Napolitano von seinem Rücktrittsentschluss informierte - er fühle sich jetzt politisch freier. Ob Monti damit nur sein Regierungshandeln in den verbleibenden zwei, drei Wochen gemeint hat, wird weiter gerätselt. Denn kategorisch ausgeschlossen haben soll er es beim Präsidenten jedenfalls nicht, dass er doch eine politische Aufgabe übernehmen wird.

Staatspräsident Napolitano würde Monti gerne als Nachfolger sehen

Sicher ist nur: Die meisten Italiener wollen, dass Mario Monti weiter daran arbeiten soll, Italien zu sanieren. Ungewöhnlich deutlich hat sich zum Beispiel der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz geäußert. Auch wenn Kardinal Angelo Bagnasco weder den Namen Montis noch den von Berlusconi aussprach, war klar, was er sich wünscht: "Die Opfer, die in einem Jahr gebracht worden sind, darf man nicht dem Verderben überlassen", sagte der Kardinal, und: "Wenn jemand glaubt, er könne sich irgendwie einrichten, während das Haus brennt, ist das unverantwortlich."

Theoretisch könnte Monti als Regierungschef der Kandidat einer Partei oder einer Wahlliste werden. Er könnte auch wieder als parteiloser Regierungschef vom Parlament gewählt werden, wenn dort kein anderer Kandidat eine Mehrheit bekommt oder aber ausreichend viele Abgeordnete sich auf ihn verständigen. Als Minister könnte er dann in die nächste Regierung berufen werden, aber er gilt auch als Kandidat für das höchste Staatsamt: Die Amtszeit von Präsident Giorgio Napolitano endet Mitte Mai 2013, und Napolitano gehört wohl zu denen, die Monti nicht ungern als seinen Nachfolger sehen würden.

Und genau deshalb ist die Lage so unübersichtlich und jede seiner Bewegungen so heikel, denn nicht alle Optionen sind miteinander zu verbinden. Die christdemokratische Partei UDC des umtriebigen Pierferdinando Casini arbeitet schon seit Monaten darauf hin, dass Mario Monti der Kandidat für das Amt des Premierministers wird. Luca di Montezemolo, Verwaltungsratsvorsitzender von Ferrari, trommelt für eine Wahlliste, auf der Monti ganz oben stehen soll. Und noch ein Mann mit bekanntem Namen hat Großes vor. Der in größtem Krach aus Berlusconis Partei geschiedene Präsident des Abgeordnetenhauses, Gianfranco Fini, will Monti mit seiner kleinen Partei FLI unterstützen. Es ist ein gemäßigtes, liberal-konservatives Lager, das darauf hofft, dass Monti endlich Ja sagt.

Wahrscheinlich ist eine große Koaliton - gegen Berlusconi

Auf eine Mehrheit haben UDC und FLI, die auf enttäuschte Berlusconi-Anhänger hoffen, allerdings nach bisherigen Umfragen keinerlei Aussichten. Sie bräuchten einen großen Koalitionspartner. Das könnte nach Berlusconis Rückkehr nur die sozialdemokratische PD sein. Deren Vorsitzender Pierluigi Bersani hält im Parlament bisher weiter loyal zu Monti und kündigte auch an, die Grundzüge von dessen Politik weiterzuführen, sollte er selbst gewählt werden. Dann, so Bersani im Interview mit dem Wall Street Journal, würde er sogar versuchen, Monti weiterhin viel Einfluss zu geben.

Zwei Dinge schloss Bersani in diesen Tagen allerdings aus: Dass er Monti den Vortritt lassen würde, falls er selbst gewählt werden sollte. Und dass er noch einmal einen überparteilichen Premier für wünschenswert hält, wenn die Wahl ohne klaren Sieger ausgehen sollte. Das macht die Wahrscheinlichkeit auf eine weitere Amtszeit Montis als Premier bereits ziemlich klein.

Doch es ist noch vertrackter: Sollte Monti sich überreden lassen, für ein bürgerliches Parteienbündnis zu kandidieren, ist es vorbei mit seiner jetzigen Freiheit. Und die wiederum braucht er eigentlich noch für den Rest seiner jetzigen Amtszeit. Aber noch viel mehr bräuchte er sie, wenn sich doch die Situation ergeben sollte, dass nach den Wahlen erneut ein parteiloser, überparteilicher Regierungschef gesucht werden muss.

Ja zu Monti heißt auch ja zu Montis Reformen

Auch für die ehrenvollste Option wäre es ungünstig, wenn Monti sich vor den Karren einer Partei spannen lassen würde: für die Idee, Staatspräsident zu werden. Der Staatspräsident muss über den Parteien stehen, da wäre Monti wenig glaubwürdig, wenn er direkt aus dem Getümmel eines Wahlkampfs in dieses Amt wechseln wollte. Giorgio Napolitano soll deshalb auch betrübt gewesen sein, als Monti nicht kategorisch ausschloss, in die Politik zu wechseln. Bisher hat Monti nur wissen lassen, er werde im Wahlkampf "nicht umhin können, zu verteidigen, was wir für unser Land getan haben".

Doch egal, wie die nächsten Rochaden aussehen werden, er wird eine Hauptrolle im Wahlkampf spielen. Denn die Haltung der Parteien zu Monti ist eng verknüpft mit deren Haltung zu Montis Reformen. Gerade hat Mario Monti noch gesagt, dass er am liebsten zurückkehren würde zur Bocconi. Das heißt, er würde am liebsten wieder Wirtschaftsprofessor an der berühmten Mailänder Universität werden. Zu verstehen wäre es. Doch in diesem Fall geht es nicht nur darum, was zu verstehen ist.

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