Zur Person:Präsident auf der Zielgeraden

Andreas Voßkuhle hat gerade bei EU-Themen die Rechtsprechung geprägt. Im Mai 2020 geht er in Pension.

Von Wolfgang Janisch

Andreas Voßkuhle ist auf der Zielgeraden seiner zwölfjährigen Amtszeit angekommen, man merkt das an den Nachrichten aus Berlin. Dort wird bereits sein Nachfolger gesucht, der zuerst Vize und dann, nach Voßkuhles Ausscheiden im Mai 2020, Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden soll. Voßkuhle ist hier nur Beobachter, trotzdem darf man vermuten, dass ihm die Personalie wichtig ist. Die Institution Verfassungsgericht und dieses Präsidentenamt: Wie viel ihm daran liegt, weiß man spätestens, seit er zwei Mal abgelehnt hat, es gegen das Amt des Bundespräsidenten einzutauschen.

Voßkuhle kam 2008 als Überraschungskandidat mit erst 44 Jahren an das Gericht, da hatte er gerade als Rektor der Freiburger Universität angefangen. Auf ihn, damals noch Vize, wartete die Aufgabe, mit dem notorisch zerstrittenen Zweiten Senat ein wenigstens halbwegs konsensuales Urteil zum Vertrag von Lissabon hinzubekommen. Kaum zu schaffen, dachten viele. Aber der große Kommunikator Voßkuhle, der zugleich ein exzellenter Staats- und Verwaltungsrechtler ist, wanderte im zweiten Stock des Richterflügels im Karlsruher Gebäude von Tür zu Tür, beriet mit den Kollegen, schmiedete Allianzen. Am Ende stand ein fast einstimmiges Urteil. Manche hielten es für zu europaskeptisch. Aber damals war die Europaeuphorie eben noch größer.

Europa ist dann auch zu einem zentralen Thema seiner Amtszeit geworden. Zuerst die Verhandlungen über den Rettungsschirm, als der Euro am Abgrund zu stehen schien, dann der Streit um die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Voßkuhles Senat versuchte zu verhindern, dass sich die Befugnisse der Nationalstaaten im EU-Kontext auflösen wie der Würfelzucker im Kaffee; mal verteidigte er die Rechte des Bundestags, mal wertete er die Befugnisse des eigenen Gerichts auf - nicht ganz ohne institutionelles Eigeninteresse, versteht sich.

An drei Tagen im März 2016 stand schließlich die Verhandlung an, deren Unberechenbarkeit den Richtern schon ein wenig Sorge machte: das Verbotsverfahren gegen die NPD. Doch am Ende stand ein Urteil, das auf überraschend viel Akzeptanz stieß: Die NPD ist zwar verfassungsfeindlich, aber zu unbedeutend, um verboten zu werden.

Wenn Voßkuhle in zwei Jahren in Pension geht, ist er 56 Jahre alt. Im besten Alter für weitere Ämter? Er sagt, er freue sich wirklich sehr darauf, als Professor nach Freiburg zurückzukehren.

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