Zum Todestag von Rosa Luxemburg:Ungelöstes Rätsel

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Bizarrer Streit um den Leichnam der Sozialistin Rosa Luxemburg: Angeblich soll die Leiche in der Berliner Charité liegen. Doch nun wurden Dokumente veröffentlicht, die dem widersprechen.

Robert Probst

An diesem Sonntag werden wie jedes Jahr wieder Hunderte zum Städtischen Zentralfriedhof Berlin-Friedrichsfelde pilgern, um an der "Gedenkstätte der Sozialisten" die Erinnerung an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wachzuhalten. Vor 91 Jahren, am 15. Januar 1919, waren die beiden Anführer des Spartakus-Bundes von rechten Freikorpsangehörigen ermordet worden.

Die Gedenkstätte für die Sozialistin Rosa Luxemburg in Berlin - vor 91 Jahren, am 15. Januar 1919, wurde die einstige Revolutionärin ermordet. (Foto: Foto: AP)

Doch seit fast einem Dreivierteljahr überlagert ein bizarrer Streit über den Leichnam der einstigen Revolutionärin Luxemburg das Gedenken. Der Berliner Rechtsmediziner Michael Tsokos hat sich viele Feinde gemacht, seit er Ende Mai behauptet hatte, womöglich in der Charité die Leiche der Sozialistin entdeckt zu haben - 1919 sei also in Friedrichsfelde eine ganz andere Frau beerdigt worden. Pünktlich zum Gedenktag haben nun die Gegner von Tsokos Dokumente vorgelegt, wonach der Mediziner eine ganz falsche Spur verfolge.

Muss die Geschichte umgeschrieben werden?

Dem Torso, der seit etwa 90 Jahren im Museum der Charité liegt, fehlen Kopf, Hände und Füße. Mit der historischen Rosa Luxemburg stimmt in etwa die Größe, das Alter und ein leichter Gehfehler überein.

Die Nachricht wurde 2009 zur Sensation. Musste die Geschichte des Sozialismus umgeschrieben werden?

Doch die wahre Identität der Wasserleiche ist bis heute nicht geklärt. Denn es ist trotz aller Anstrengungen nicht gelungen, einen DNS-Beweis zu erbringen. Dazu wären etwa erhaltene Haare oder Speichelspuren aus der Zeit von vor 90 Jahren nötig gewesen, um sie mit der aus der Leiche extrahierten DNS zu vergleichen. Das Grab in Friedrichsfelde wurde 1935 von den Nazis zerstört.

Nun hat ein Team um die Historikerin Annelies Laschitza und den Autor und Regisseur Klaus Gietinger, der von Anfang an der größte Kritiker des Rechtsmediziners war, eine Sammlung mit 60 zum Teil bereits bekannten, aber noch unveröffentlichten Dokumenten aus dem Jahr 1919 vorgelegt. Darin enthalten sind vor allem Zeugenaussagen und Verhörprotokolle, die nach dem Auffinden von Luxemburgs Leiche - die erst mehr als vier Monate nach dem Mord im Landwehrkanal entdeckt wurde - erstellt wurden. Demnach haben die Sekretärin Mathilde Jacob und die Freundin Wanda Marcusson die Leiche, die dann als Rosa Luxemburg beerdigt wurde, eindeutig an einem goldenen Medaillon, einem blauen Samtkleid und den Strümpfen identifiziert. Gietingers Fazit: "Tsokos' Argumente sind widerlegt." Der Mediziner ignoriere alles, was gegen seine These spreche.

Tsokos hatte stets betont, dass die beiden Obduktionsprotokolle vom Juni 1919 aus seiner Sicht zahlreiche Ungereimtheiten aufweisen; für ihn ein Hinweis auf Fälschung, wohl weil in der extrem aufgeheizten Atmosphäre während der Revolution die politische Führung - damals die SPD - nach dem Leichenfund kein Aufsehen erregen und den weiblichen Körper so schnell wie möglich als Rosa Luxemburg beerdigen lassen wollte. Gietinger hält die Protokolle dagegen für schlüssig.

"Ich würde es genauso wieder machen"

Der Berliner Rechtsmediziner, dem seine Gegner vor allem einen Hang zur Selbstdarstellung vorwerfen, beharrt jedoch auf seiner Sicht: "Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es stimmt." Ein vernünftiger Gegenbeweis, dass der Torso in der Charité nicht Rosa Luxemburg sei, fehle bisher. Die Öffentlichkeit habe er gesucht, weil er für Hinweise auf DNS-Spuren auf deren Hilfe angewiesen sei. Damals, im Mai 2009, habe er sich zudem auf das vorliegende historische Material verlassen; dass nun sieben Monate später neue Dokumente veröffentlicht würden, sei doch seltsam.

Der unbekannte Leichnam soll nun bestattet werden. Tsokos aber hofft weiter auf die winzige DNS-Beweis-Chance. Und er sagt: "Ich würde es genauso wieder machen."

© SZ vom 08.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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