Zum Ende der Wehrpflicht:Einmal husten, bitte!

Am Anfang stand der Hodengriff: An diesem Donnerstag endet die Wehrpflicht. Damit fällt auch eines der prägendsten Ereignisse im Leben eines jungen Mannes weg. Von Ausmusterungstipps bis zu den Ausscheidern - zehn Dinge, die wir vermissen werden.

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Am Anfang stand der Hodengriff: An diesem Donnerstag endet die Wehrpflicht. Damit fällt auch eines der prägendsten Ereignisse im Leben eines jungen Mannes weg. Von Ausmusterungstipps bis zu den Ausscheidern - zehn Dinge, die wir an der Wehrpflicht vermissen werden. (Zumindest jene unter uns, die keine Berufssoldaten sind oder werden wollen.) Die Musterung Mit dem Ende der Wehrpflicht fällt eines der wohl prägendsten Ereignisse im Leben eines jungen Mannes weg - der Hodengriff kombiniert mit der Anweisung "Einmal husten, bitte!" Gleichzeitig bedeutet dies auch das Aus für alle Tipps für Totalverweigerer, Kandidaten also, die dem Dienst an der Waffe genauso skeptisch gegenüberstehen wie dem Zivildienst und dabei ein erstaunlich kreatives Potential an den Tag legen - was inzwischen in unzähligen Internetforen dokumentiert ist. Ein besonders hübsches Beispiel dafür liefert etwa der "Freund einer Bekannten" eines Internetnutzers, der mit Teddy unterm Arm und nasser Hose bei besagtem Termin erschienen sei. Nach der Musterung hätte er laut nach seiner Mama geschrien, woraufhin "sie ihn wieder gehen ließen", schreibt der Nutzer. Allerdings war das Risiko, eingezogen zu werden, in den vergangenen Jahren vergleichsweise gering: Nicht einmal mehr jeder Sechste musste in die Kaserne einrücken. Die letzte Generation an Wehrpflichtigen bestand nach Angaben von Peter Tobiasson vom Amt für Kriegsdienstverweigerer eigentlich nur noch aus Freiwilligen.

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Die Tauglichkeitsgrade Bei der Musterung wurden die Kandidaten nach klaren Kriterien eingeordnet - und zwar auf einer Skala von T1 bis zwischenzeitlich T7, wobei T im Bundeswehrjargon für Tauglichkeitsgrad steht. Wer mit T1 in die höchste Kategorie gecastet wurde, entsprach zwar nicht unbedingt dem Klum'schen Schönheitsideal, galt aber als körperlich und geistig soweit makellos - und konnte sich der Bewunderung anderer ehemaliger Wehrpflichtiger sicher sein. Unbestätigten Einschätzungen zufolge erreichten diesen Wert nur drei bis vier Prozent jedes Jahrgangs. Konkret hatte der ideale Wehrpflichtige weder Plattfüße, feste Zahnspangen oder eine Brille, sollte aber das Gardemaß von 1,78 Meter nicht unterschreiten.

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Unsinnige Dienstvorschriften Für ehemalige Rekruten gibt es kaum Amüsanteres, als sich über absurde Dienstvorschriften zu unterhalten, wobei sie da durchaus zu Übertreibungen neigen. Zum Beispiel soll in der Zentralen Dienstvorschrift, im Fachjargon auch ZDv genannt, im Abschnitt 3/11 folgende Anweisung gestanden haben: "Ab einer Wassertiefe von 1,20 m nimmt der Soldat selbständig Schwimmbewegungen auf. Die Grußpflicht entfällt hierbei." Experten wissen natürlich, dass das völliger Blödsinn ist, weil ZDv 3/11 festlegt, wie sich Soldaten im Gelände und im Gefecht zu verhalten haben, wieso soll da also was zu Schwimmbewegungen stehen. Vielmehr stand da: "Bei Erreichen des Baumwipfels hat der Soldat die Kletterbewegungen selbständig einzustellen." Na gut, zugegeben, auch das ist komplett erfunden und hat es inzwischen in die Rubrik "Moderne Sagen" auf dem Online-Portal Wikipedia geschafft.

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Das Erlernen von Dienstgraden Dienstgrade, Rangordnungen und Abkürzungen und Zusätze regeln den Umgang innerhalb der Bundeswehr und ermöglichen das Leben in einer Parallelgesellschaft, die Zivis, Totalverweigerern, Ausgemusterten und den meisten Frauen verschlossen bleibt. Die Soldaten a. D. und d. R. beziehungsweise HptFw a.D. und StFw d. R. halten diese Ordnung aufrecht, indem sie jeden, der angesichts der unzähligen Dienstgrade "Uffz" ächzt, darüber aufklären, dass es sich bei dem Uffz, dem Unteroffizier also, meist um einen der unangenehmeren Zeitgenossen beim Bund handelte; und dass es neben dem Uffz noch einen StUffz gibt, einen Stabsunteroffizier also. Den StUffz von der Luftwaffe erkennt man am Dienstgradabzeichen auf blauem Tuch mit gelbfarbener Paspellierung beim Dienstanzug und stilisierten Schwingen beim Feldanzug. Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU, im Bild), der ein ausgewiesener Kenner von Parallelgesellschaften ist, war einmal ein Uffz, auf dem Bild trägt er eine Hptm-Uniform, inzwischen ist er aber Maj. d. R., was nichts, aber auch rein gar nichts, mit Majonäse zu tun hat.

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Haar- und Barttracht Auch viele leidgeprüfte Eltern werden die Wehrpflicht vermissen. Haben sie sich doch jahrelang mit den Frisuren ihres Zöglings herumgeschlagen: Lange Haare, farbige Haare, Muster in den Haaren, sogar Dauerwellen! Die Bundeswehr hat all diese rufschädigenden Geschmacksverirrungen beendet - klar und eindeutig. In der Zentralen Dienstvorschrift 10/5 steht: "Die Haar- und Barttracht muss sauber und gepflegt sein. Modische Frisuren sind erlaubt; ausgenommen sind Frisuren, die in Farbe, Schnitt und Form besonders auffällig sind (z. B. Punkerfrisuren, Irokesenschnitte, grell gefärbte Haarsträhnen, Ornamentschnitte). 2. Das Haar von Soldaten muss am Kopf anliegen oder so kurz geschnitten sein, dass Ohren und Augen nicht bedeckt werden. Es ist so zu tragen, dass bei aufrechter Kopfhaltung Uniform- und Hemdkragen nicht berührt werden. (...) Wenn sich der Soldat einen Bart wachsen lassen will, muss er dies während seines Urlaubs tun." Doch dieses Bild beweist: Selbst das Militär schützt vor Ausschweifungen bei der Haarpracht nicht.

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Der Spind Jeder Raum musste mit anderen gemeinsam genutzt werden: Das Bad, die Toilette, die Stube, im Wachlokal sogar die Betten. Einzige Ausnahme: der Spind, das letzte Refugium des Wehrpflichtigen. In dem (zumeist) Blechschrank bringt der Soldat seine Kleidung unter, dazu ein paar persönliche Habseligkeiten. Das alles wird gerade in der Grundausbildung gern und ausgiebig vom Uffz (siehe Dienstgrade) inspiziert. Die Kontrolle befindet den Zustand oft für zu unordentlich oder gar als verdreckt. In diesem Fall bekommt der Soldat einen Anschiss - auch Fön genannt - und darf sich als Schütze Arsch fühlen. Manchmal erachtet der Herr Vorgesetzte den Spind auch für passabel. Hochglanzaufnahmen nackter Frauen (oder Herren) an der Innenseite der Spindtür können helfen, den Kontrolleur milde zu stimmen.

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Geländespiele Der Dienst außerhalb geschlossener Räume gehört mit zu den Erlebnissen, der dem Wehrpflichtigen am nachhaltigsten in Erinnerung bleibt. Nächtliche Orientierungsmärsche, bei dem Vorgesetzte die ächzende Truppe durch die Pampa und manchmal nicht mehr heraus führen, zählen ebenso dazu wie Biwaks. Die legendären Winterlager überzeugen immer wieder mit sinnvollen Tätigkeiten. Ob der Rekrut dazu verdonnert wird, trotz gefrorenem Bodens eine Latrine auszuheben oder nächtelang als menschgewordener Schneemann in der Schützenmulde liegt und nach einem imaginären Angreifer späht: Am Ende kommt der Spieß mit warmem Essen und macht die bibbernden Soldaten glücklich. Auch Herzgulasch und Champignons können munden.

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Die Wochenendheimfahrer Es gibt böse Zungen, die behaupten, dass es diese Wochenendheimfahrer beim Bund nie gegeben habe. Schließlich seien die Soldaten die meiste Zeit ihres Dienstes zu betrunken zum Autofahren gewesen. Das ist natürlich Blödsinn, wozu gibt es denn schließlich Züge. Hier traf man solche Wesen durchaus an, wobei in diesen Situationen der erdig gefleckte Tarnanzug oder noch viel früher das Oliv das Gegenteil von dem bewirkte, wozu er eigentlich gedacht war: Der Soldat stach aus der Masse der anderen Reisenden hervor. Diesen Anblick wird es künftig nicht mehr geben. Dabei werden Wochenendheimfahrer manchmal verzweifelt gesucht - zum Beispiel als WG-Mitbewohner in Großstädten. Oder in der Mitfahrzentrale diverser Provinzuniversitäten.

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Das Maßband Ein schöner Brauch, der inzwischen auch in anderen Situationen des Alltags Verwendung findet, etwa in der Schule. Mit dem Maßband werden die letzten 150 Tage brutto mitgezählt, Wochenenden und Urlaubstage werden vorher gelocht (das Maßband minus die gelochten Tage entspricht dann der Nettodienstzeit). Jeden Tag nach Dienst wird ein Zentimeter abgeschnitten. Das Maßband muss immer mitgeführt werden, Nichtmitführen zieht Geldstrafen nach sich, meist abzuleisten in Biereinheiten, es muss ja schließlich alles seine Ordnung haben. Soldaten a. D. sollen die Tradition inzwischen auch in die Arbeitswelt übertragen haben: Manch einer zählt so heimlich die Tage, die ein unliebsamer Kollege noch bis zu seiner Rente hat.

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Die Ausscheider oder Abgänger Am Anfang steht der Hodengriff, am Ende thematisieren die fertigen Soldaten ihre Hoden auch ganz gerne selbst - wenn sie als Ausscheider in Rudeln durch die Straßen ziehen und singen: "Kling Glöckchen klingelingeling, kling Glöckchen kling. Ihr habt so viele Tage, wie am Sack die Haare; Ich hab nur noch Stunden, Minuten und Sekunden. Kling, Glöckchen ..." Dazu tragen sie komische weiße Pullis, die mit Glöckchen und geklauten Dienstgradabzeichen behangen sind. Auch so eine Welt, die Außenstehende nie verstehen werden. Dafür beruhigte ihr Anblick das eigene schlechte Gewissen nach einem ausufernden Abend.

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