"Verräter"-Rufe von Legida - riesiger Gegenprotest in Leipzig
Die Fenster stehen sperrangelweit offen, Geigenmusik schallt durch die Nacht. Sogar "Freude, schöner Götterfunken", Beethovens "Ode an die Freude", die zur Hymne Europas wurde, tönt durch viele Straßen Leipzigs. Dort versammeln sich Leute, die sich als patriotische Europäer bezeichnen: der Leipziger Pegida-Ableger Legida. Es sind zwar immerhin 4800 Menschen, die hier protestieren gegen angeblichen "Asylmissbrauch" und "Ausländer, die sich auf Deutschlands Kosten ein schönes Leben machen". Doch auf der anderen Seite sind es mehr, viel mehr, 35 000.
Bereits vor Beginn der Kundgebung von Legida blockierten Gegendemonstranten die Zugänge. Der Polizei fiel es schwer, Gegner und Anhänger der Bewegung zu trennen. Teilnehmer der Demo mussten per Polizei-Eskorte zur Veranstaltung gebracht werden.
Vor der Demonstration hatte es eine hitzige Debatte darüber gegeben, ob islamkritische Karikaturen - unter anderem von Charlie Hebdo - gezeigt werden durften. Die Stadt wollte das verbieten, musste jedoch unter Protest des Deutschen Journalistenverbands einlenken. Vor Ort sind keine Karikaturen zu sehen. Dafür erschallen "Lügenpresse"-Rufe. Als sich der Zug in Bewegung setzt, rufen Legida-Teilnehmer den Gegendemonstranten zu: "Verräter" und "Wir sind das Volk".
Pegida bekommt in Dresden erneut Zulauf
In Dresden hat Pegida auch beim nun schon zwölften "Spaziergang" weiteren Zulauf bekommen. Die Polizei spricht von 25 000 Teilnehmern, die sich in den frühen Abendstunden an einem Skaterpark versammelten. Dem Aufruf, als Reaktion auf den Terroranschlag in Paris in Trauerflor zu erscheinen, kommen nicht alle Teilnehmer nach. Vereinzelt haben Menschen schwarze Bänder an ihre Deutschlandfahnen gebunden. Andere wiederum sind weniger pietätvoll: "Deitsch on frei wolln mer sei!", prangt auf dem Transparent einer Gruppe aus dem Erzgebirge - ein Zitat des Volksdichters Anton Günther.
In grelles Scheinwerferlicht getaucht beginnt die Kundgebung mit einer Schweigeminute für die Opfer des Attentats auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo. "Dieser Anschlag ist die Daseinsberechtigung für Pegida", verkündet Organisator Lutz Bachmann. Explizit wendet er sich an die Presse: "Danke für die vielen Pegida-Karikaturen in den vergangenen Tagen. Ihr braucht keine Angst zu haben - wir zünden keine Redaktionen an."
Bachmann blickt zufrieden auf die vergangenen Pegida-Demonstrationen zurück und zieht Resümee: "Wir haben Staub aufgewirbelt. Wir haben dafür gesorgt, dass nun in der Politik Themen besprochen werden, die sonst nur in Hinterzimmern beredet werden." Immer wieder skandiert die Menge: "Wir sind das Volk!" Unter aufbrandendem Beifall verliest Bachmann ein Sechs-Punkte-Programm, in dem er unter anderem ein Wiedereinreiseverbot für nach Syrien gereiste Extremisten, mehr Volksentscheide und Mittel für die Polizei und ein "Ende der Kriegstreiberei gegen Russland" fordert.
Nach ihm ergreift Pressesprecherin Kathrin Oertel das Mikrofon. Die 36-jährige Schatzmeisterin der mittlerweile als Verein eingetragenen Bewegung zeigt sich "stolz", ob der anwesenden Menge und kritisierte die von der Stadt Dresden und der sächsischen Landesregierung initiierte Kundgebung, die am Sonnabend ähnlich viele Menschen vor die Frauenkirche zog: "Auch wir zeigen Gesicht für Dresden, Frau Orosz", wandte sie sich in scharfem Ton an die Oberbürgermeisterin.
"Neujahrsputz" gegen Pegida
Die Zahl der Gegendemonstranten an diesem Abend bleibt hinter den Erwartungen zurück. Das Bündnis "Dresden Nazifrei" versammelt etwa 300 Teilnehmer am Theaterplatz, an einem zweiten Treffpunkt an der Synagoge sind es etwa 400. Später am Abend versuchen einzelne Gruppen, zu den Pegida-Demonstranten durchzubrechen. Die Polizei, mit Reiterstaffel und zahlreichen Beamten vor Ort, konnte dies in den meisten Fällen unterbinden.
Lautstarken Protest gibt es erst, als sich der Pegida-Zug, schweigend und mehrere hundert Meter lang, dem Postplatz nähert. Etwa 3000 Menschen haben sich dort eingefunden, der "No-Pegida-Song" der Dresdner Reggae-Band "Yellow Umbrella" ertönt, mittlerweile so etwas wie eine Hymne gegen Pegida: "Wir sollen unterscheiden zwischen Bürgern und Rassisten? Dann unterscheidet bitte auch zwischen Moslems und Islamisten."
Als auf der Abschlusskundgebung der "Patriotischen Europäer" die Namen der Ableger in ganz Deutschland verlesen und bejubelt werden, haben die Gegendemonstranten auf dem Postplatz mit dem "Neujahrsputz" begonnen. In Warnwesten und mit Besen bewaffnete fegen sie symbolisch den "Schmutz" aus ihrer Stadt - bis zum nächsten Montag.
Bärgida-Demonstranten müssen unter dem Druck der Gegendemo umkehren
Bärgida nennt sich der Berliner Ableger der Pegida-Bewegung. Und dessen Anhänger wollten heute Abend vom Kanzleramt zum Alexanderplatz laufen. Angemeldet waren 600 Teilnehmer, etwa 400 sollen gekommen sein. Sehr viel größeren Zulauf hatte auch heute Abend die Gegenveranstaltung. Pünktlich um 17 Uhr fanden sie sich unter dem Motto "No Pegida" zu Tausenden ein. Ihre Strecke führt - parallel zur Bärgida-Demo - vom Bundeskanzleramt zum Roten Rathaus.
Angesichts der großen Überzahl der Gegendemonstranten ließen die Bärgida-Veranstalter zunächst abstimmen, ob man tatsächlich den Protestzug zum Roten Rathaus starten solle. "Laufen, laufen" skandierten die wenigen Anhänger, sodass sich der kleine Zug unter dem Schutz zahlreicher Polizisten schließlich in Bewegung setzte. Weit kam man allerdings nicht. In den Nebenstraßen warteten so viele aufgebrachte Gegendemonstranten, dass die Bärgida-Anhänger wieder umkehren mussten, um zum Brandenburger Tor zurückzukehren.
Im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf protestierten nach Polizeiangaben am Abend etwa 300 Menschen gegen eine neue Flüchtlingsunterkunft. Etwa 90 Gegendemonstranten hätten ihnen gegenübergestanden, sagte ein Polizeisprecher.