Zukunftserwartungen:Viele Russen haben Angst vor Armut

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Mit Wladimir Putins autoritärem Stil haben sich viele Russen abgefunden. (Foto: AP)

Wie bewerten Russen ihr Land unter Putin? In einer Umfrage deutet sich an, warum sie sich in ein ziemlich autoritäres System einfinden. Eine andere Studie zeigt: Russen in Deutschland denken anders.

Von Stefan Braun, Berlin

Was Wladimir Putin antreibt - darüber gibt es unzählige Berichte und Interpretationen. Was aber denken die Menschen, die in Russland leben? Welche Erwartungen haben sie - an den Staat und ihre Zukunft? Und wie denken die Russen, die in Deutschland leben? Diesen Fragen sind die Friedrich-Naumann-Stiftung und die Boris-Nemtsov-Stiftung in repräsentativen Studien nachgegangen. Beide liegen der Süddeutschen Zeitung vor - die Resultate sind erstaunlich.

So deutet sich an, wie sehr sich die russische Gesellschaft in ein ziemlich autoritäres System eingefunden hat. Gefragt wurde nach den persönlichen Lebensumständen ebenso wie nach den Erwartungen in Zeiten des Terrors. Außerdem wollten die Frager wissen, wie sehr sich der Staat in das Wirtschaftsleben einmischen sollte. Befragt wurden in Russland rund 1600 Menschen. Fast drei Viertel aller Befragten verdienen nicht mehr als 415 Euro im Monat. Sie erreichen gerade mal den Hartz-IV-Satz von Deutschland.

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Das dürfte erklären, warum eine große Mehrheit am liebsten zur alten Planwirtschaft zurückkehren würde. Knapp sechzig Prozent plädieren für ein System staatlicher Planung und Verteilung. Angesichts der Not vieler kann es nicht überraschen, dass drei von vier eine bessere wirtschaftliche Entwicklung als wichtigstes politisches Ziel betrachten.

Dabei fällt eine Zahl besonders ins Gewicht: Fast 70 Prozent rechnen damit, dass in den nächsten Jahren viele Russen ihre Arbeit verlieren. Fast 96 Prozent aller Befragten sprechen sich denn auch dafür aus, dass der Staat die Preise für Grundnahrungsmittel festlegen sollte - und mehr als 70 Prozent sind der Meinung, dass man nicht auf ehrlichem Wege in Russland Millionär werden könne.

Ähnlich desillusioniert sind die Antworten, wenn es um Sicherheit und den Schutz von Privatsphäre geht. Knapp die Hälfte, 44 Prozent, denkt, dass die Mehrheit ihrer Mitmenschen nicht nach russischen Gesetzen, sondern nach informellen Regeln und Abmachungen lebt. Gerade mal die Hälfte (49 Prozent) glaubt nicht, dass sich der Staat ins Privatleben einmischt; zwei Drittel sind aber der Meinung, dass er im Dienste der Sicherheit ruhig auch alle privaten Daten der Menschen sammeln sollte.

Russen in Deutschland denken anders

Das korrespondiert eng mit der Antwort auf die Frage, ob der Staat im Kampf gegen Terrorismus Recht und Gesetz brechen darf. Eine klare Mehrheit (knapp 54 Prozent) ist dieser Überzeugung. Entsprechend wollen fast 57 Prozent, dass der Staat für Sicherheit und Ordnung sorgt; nur für gut 30 Prozent ist es wichtiger, dass er ihre Rechte und Freiheiten verteidigt.

Durchaus anders denken im Vergleich dazu viele Russen, die in Deutschland leben. Auch wenn die Nemtsov-Stiftung nicht exakt dieselben Fragen stellte, werden Unterschiede deutlich. Vier von fünf Menschen mit russischer Abstammung fühlen sich gut integriert in Deutschland; eine breite Mehrheit steht hinter der Demokratie und informiert sich vorwiegend aus deutschen Medien. Das widerspricht dem zuletzt verstärkt entstandenen Eindruck, die meisten würden sich vor allem über russische Medien informieren.

Allerdings: Nach wie vor hält eine Mehrheit die russischen Medien für glaubhafter. Und wer besonders scharfe Kritiker der Flüchtlingspolitik sucht, wird hier fündig: Eine große Mehrheit will die Grenzen für Flüchtlinge schließen und hält es nicht für möglich, sie zu integrieren.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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