Zukunft des Euro nach dem Nein der Slowakei:In fataler Geiselhaft

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Das Nein des slowakischen Nationalrats zum größeren Rettungsschirms zeigt einmal mehr: Das Schicksal des Euro, der zweitgrößten Währung der Welt, hängt vom Geplänkel zerstrittener Parteien in kleinen Ländern ab. Das Zittern wird wohl so lange anhalten, bis die Währungszone endlich ihre Regeln ändert - und nicht mehr ein einziger Staat den ganzen Klub gefährden kann.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Die slowakischen Linken spielen mit dem Euro, um die Macht in Bratislava zu erringen. Zwar wollen sie grundsätzlich den Regeln des erweiterten Euro-Rettungsfonds zustimmen, allerdings nicht sofort. Zunächst verweigertern sie ihre Stimmen, um Premierministerin Iveta Radicova zum Rücktritt zu zwingen. Danach wollen sie ja sagen. Sicher, der Plan folgt üblichen demokratischen Spielregeln. Er hat nur einen Nachteil: Geht das Kalkül nicht auf, gibt es keine Mehrheit für den Fonds - und ohne ihn steht der Euro-Klub vor einem Desaster.

Der Rettungsfonds kann nur genutzt werden, wenn zuvor alle 17 Länder der Euro-Zone seinen Regeln zustimmen. Diese Aufgabe haben 16 Regierungen erledigt, einzig das Votum aus Bratislava fehlt. Es klingt unglaublich, ist aber wahr: Das Schicksal des Euro, der zweitgrößten Währung der Welt, hängt vom interessengeleiteten Geplänkel zerstrittener Parteien in einem kleinen Land ab.

Kein Wunder, dass die Amerikaner verwundert nach Europa blicken. Solche Spiele sind beim Dollar schlicht undenkbar. Verständlich auch, dass asiatische Länder, die bisher viele Milliarden Euro in die Rettung des Euro investiert haben, stets aufs Neue überzeugt werden müssen, dass es eine gute Entscheidung ist, Geld in Euro-Anleihen anzulegen. Und wer reibt sich noch die Augen, wenn die Märkte nervös reagieren? Die Wahrheit ist einfach: Ohne den erweiterten Euro-Rettungsfonds können künftig weder Euro-Länder noch deren Banken gerettet werden - und auch nicht der Euro selbst.

Regierungen aus dem Amt jagen - mithilfe der Euro-Krise

Gewiss, es ist nicht das erste Mal, dass Oppositionsparteien Europas Krise nutzen, um eine Regierung aus dem Amt zu jagen. Auch das gehört zu den Spielarten der Demokratie. Und bisher ist es ja immer gutgegangen. Zwar stürzte Anfang des Jahres der irische Premierminister Brian Cowen über die Spar- und Reformprogramme, die er unterschreiben musste, um im Gegenzug Hilfskredite aus dem bisherigen Euro-Rettungsfonds zu bekommen - doch sein Nachfolger Enda Kenny setzte die strikte Sparpolitik beinahe unverändert fort.

Unter besonders dramatischen Umständen scheiterte im Sommer der sozialistische Premier José Sócrates in Portugal. Noch bevor die Euro-Länder überhaupt die Unterstützungskredite für sein Land zugesagt hatten, musste er sein Amt an den konservativen Wahlsieger Pedro Passos Coelho abgeben - aber auch dieser schwor sein Volk aufs Sparen und Reformieren ein.

Als unsichere Kandidaten gelten zudem die Regierungschefs von Spanien und Italien. Der Sozialist José Luis Rodríguez Zapatero hat für den November Neuwahlen angesetzt und will selbst nicht wieder antreten. In Rom könnte auch Silvio Berlusconi bald abtreten. Wer nach ihm kommt, ist ungewiss. Das Zittern um den Euro wird wohl so lange anhalten, bis der Währungs-Klub endlich seine Regeln ändert - und dafür sorgt, dass nicht mehr ein einziges Land den ganzen Klub gefährden kann.

© SZ vom 12.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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