Zu den Unruhen in Ägypten:Beifall aus Teheran

"Sie werden ihren Teil zur Entstehung eines islamischen Nahen Ostens beitragen": Irans Regime erklärt die Proteste in Ägypten kühn als Fortsetzung der islamischen Revolution von 1979. Die Opposition ist da anderer Meinung.

Rudolph Chimelli

In Iran gibt es zu den Vorgängen in Ägypten zwei völlig entgegengesetzte Haltungen. Das Regime erklärt die Bewegung gegen Präsident Hosni Mubarak kühn als Fortsetzung der islamischen Revolution von 1979: Damals hätten die Iraner den Schah gestürzt, einen Vasallen des Westens, heute begehrten die Ägypter gegen den modernen Pharao auf, gleichfalls einen Verbündeten der Amerikaner und der Israelis, wie es der persische Monarch war.

Wahlveranstaltung in Teheran

Das Archivbild zeigt Anhänger von Mahmud Ahmadinedschad bei einer Wahlveranstaltung im Jahr 2009. Die iranische Oppostion wertet die Bewegung in Kairo als Fortsetzung ihrer Proteste gegen die Wiederwahl des Präsidenten vor eineinhalb Jahren, die blutig niedergeschlagen wurden.

(Foto: dpa)

Hingegen sieht die iranische Opposition im ägyptischen Aufruhr gegen den Diktator Mubarak eine klare Parallele zu ihrer eigenen Protestbewegung gegen die Wiederwahl Präsident Mahmud Ahmadinedschads im Sommer des Jahres 2009, die blutig niedergeschlagen wurde.

Im staatlichen Fernsehen sagte Außenminister Ali Akbar Salehi: "Das große revolutionäre Volk der Ägypter ist dabei, Geschichte zu machen. Ich bin sicher, sie werden ihren Teil zur Entstehung eines islamischen Nahen Ostens beitragen - für alle, die Freiheit, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit wollen."

Iran bietet Regimegegnern Hilfe an

Ihr Aufstand zeige die Notwendigkeit der Veränderung und der Beseitigung ungeliebter Regime. Unglücklicherweise sei wieder "die direkte Einmischung einiger amerikanischer Verantwortlicher" festzustellen. Iran aber werde den regimefeindlichen Demonstranten seine Hilfe anbieten. "Wir marschieren an der Seite jener, die Freiheit wollen", betonte der Außenminister.

"Die Ägypter werden selber sagen, welche Art von Demokratie sie möchten", kritisierte auch Parlamentspräsident Ali Laridschani die Ratschläge von amerikanischer Seite. "Sie können nicht durch Kosmetik irgendeine Art von Demokratie schaffen und sie den Nationen der Region aufzwingen." Das Auftreten von Kamelreitern auf Seiten der Pro-Mubarak-Demonstranten verspottete Laridschani in einem Wortspiel als Politik der "Unterdrückung durch Kameltritte".

Kairo oder Teheran?

Die ultrakonservative Zeitung Keyhan erinnert daran, dass die iranische Revolution in dieser Woche ihren 32. Jahrestag feiert. "Jenes Ereignis war ein Schock für den damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter. Heute trifft die gleiche Tragödie Barack Obama." Alle Bewegungen, die gegenwärtig über Grenzen hinweg die arabischen Länder erfassten, seien von der islamischen Revolution Irans inspiriert, hieß es in dem Artikel. Das Blatt vertritt die Auffassung des Geistlichen Führers Ali Chamenei. Er selber hat sich aber zu den Umwälzungen in der arabischen Welt bisher nicht geäußert.

Die beiden unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi forderten die Regierung auf, zum Revolutionstag in Iran Demonstrationen wie in Ägypten zuzulassen. Dann werde offenbar, wer die Unterstützung des Volkes habe. Auch werde sich zeigen, ob das iranische Regime "in einer besseren Lage ist als Mubarak in Ägypten oder Ben Ali in Tunesien". Bei einem Treffen im Haus Karrubis rühmten beide den Aufstand der Ägypter und prophezeiten: "Diktaturen werden früher oder später beseitigt." Von regimenaher Seite wurden Mussawi und Karrubi für ihre Äußerungen alsbald als "grüne Pharaos" verspottet.

Die iranische Protestbewegung hatte diese Farbe zu ihrem Symbol erhoben. Ein populärer oppositioneller Internet-Dienst zeigte ein Foto, auf dem eine empörte Menge zu sehen ist, aber auch Geheimpolizisten mit Prügeln, die auf Menschen einschlagen, Verletzte mit blutenden Wunden, Frauen unter Kopftüchern; dazu wurde lakonisch gefragt: "Kairo oder Teheran?" Denn ohne Partei zu nehmen, erkennen viele Iraner in den aktuellen Fernsehberichten aus Ägypten eigene Erlebnisse wieder.

Andere iranische Oppositionelle heben die Unterschiede zwischen der islamischen Revolution und der ägyptischen Bewegung hervor. Der Schah habe die bürgerlichen Nationalisten der Nationalen Front, die Kommunisten der Tudeh-Partei und linke Guerilla-Gruppen wie die Volksmudschaheddin für seine gefährlichsten Feinde gehalten und einmal gesagt: "Die Mullahs sind erledigt." Ägyptens Präsidenten dagegen hätten den Islamisten immer die meiste Aufmerksamkeit gewidmet.

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