NSU-Prozess:Zschäpes Erklärung: unlogisch, unglaubwürdig, jämmerlich

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Beate Zschäpe inszeniert sich als das gute, brave Frauchen, das nur eines wollte: Liebe. (Foto: Getty Images)

Was die Angeklagte im NSU-Prozess erklären ließ, ist ein sehr fragiles und fragwürdiges Konstrukt. Im Grunde hat sie damit schon alles gesagt.

Kommentar von Annette Ramelsberger

Warum hatte sie 248 Tage lang geschwiegen? Warum hat sie sich die Chance verbaut, von Anfang an zu berichten, was sie wusste? Warum hat sie den Hinterbliebenen nicht sofort gesagt, wie es nach den Morden an zehn Menschen beim NSU daheim zuging?

Warum hat sie ihnen verschwiegen, dass sie immer dagegen war; dass es regelmäßig Streit gab, wenn die Männer wieder auf ihre mörderischen Ausflüge gingen; dass schließlich Schluss war, nachdem auch noch eine deutsche Polizistin getötet wurde, zumindest für sie? Warum sie das alles nicht gesagt hat? Vielleicht, weil das alles so schrecklich unglaubwürdig klingt.

Sie will nur schriftlich antworten. Spontan sein? Wohl viel zu riskant

Was Beate Zschäpe am Mittwoch im NSU-Prozess von ihrem Anwalt erklären ließ, hörte sich an, als wäre sie die eingebaute Opposition im NSU gewesen. Das gute, brave Frauchen, das nur eines wollte: Liebe. Und die deswegen nicht gehen konnte, selbst als sie erkannte, was ihre Männer da taten. Hier wird das Frauenbild der Fünfzigerjahre wie eine Kulisse vor eine knallharte, neonazistische Realität geschoben, die Hunderte Zeugen sehr einhellig bestätigt haben.

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In der Realität nämlich marschierte Beate Zschäpe auf Neonazi-Demos, beteiligte sich an provokativen Aktionen und hatte Waffen in der Wohnung sowie Sprengstoff in der Garage. Außerdem war sie es, die das Enttarnungs-Video des NSU verschickte und die gemeinsame Wohnung anzündete. Das ist mittlerweile nicht mehr zu widerlegen. Und sie hat es auch so eingeräumt.

Auch als sie im November 2011 aufflog, war sie ganz offensichtlich der rechten Szene verbunden. Beim Haftrichter hatte sie es abgelehnt, die Namen von Helfern zu nennen. Als Verräterin wollte sie nicht dastehen. Nun merkt sie, dass alles gegen sie spricht und hat zum letzten Strohhalm gegriffen, der ihr blieb - auf keinen Fall will sie als Mittäterin verurteilt werden.

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Im NSU-Prozess äußert sich die Angeklagte Beate Zschäpe. Ihr Verteidiger Mathias Grasel trägt eine etwa 50-seitige Erklärung im Namen seiner Mandantin vor. Anschließend will Zschäpe schriftlich gestellte Fragen des Gerichts beantworten.

Deshalb hat sie sich von ihren beiden Männern distanziert; darum hat sie sie als gefühllose, keiner Kritik zugängliche Menschen geschildert. Und am Ende zeigte sie sogar Reue und erklärte, sie habe Mitleid mit den Opfern. Eine "moralische Schuld" räumt sie ein, eine tatsächliche nicht.

Es ist ein sehr fragiles, ein sehr fragwürdiges Konstrukt, das Zschäpe da aufgebaut hat - und ihre Aussage schreit danach, nun hinterfragt zu werden. Das ist allen klar, auch dem Gericht. Doch Zschäpe will nur auf schriftliche Fragen antworten - gut vorbereitet durch ihren Anwalt. Das ist rechtlich nicht ausgeschlossen, aber es zeigt dem Gericht auch, dass diese Aussage eben wirklich nur ein Konstrukt ist. Bei der leisesten spontanen Nachfrage droht es zusammenzustürzen.

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Zusammengestellt von Oliver Das Gupta

Das Gericht hat zum einen die Pflicht zur Aufklärung, es muss alles möglich machen, um so viele Erkenntnisse wie möglich zu gewinnen. Es muss sich dabei aber zum anderen nicht selbst in die Hand der Angeklagten begeben. Zschäpe hat eigentlich schon alles gesagt: Ihre Aussage ist eine Ausflucht, in sich unlogisch, unglaubwürdig und mit dem Schnörkel, noch schnell Mitleid mit den Opfern zu zeigen, auch jämmerlich.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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