Noch ist sie da - wie schon seit sechs Jahren. Beate Zschäpe, die bekannteste Untersuchungsgefangene Deutschlands, sitzt nach wie vor in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim in München. Im dritten Stock der Frauenhaftanstalt, Blick in den Innenhof, nach Süden. Sie ist mittlerweile die dienstälteste Gefangene in der Untersuchungshaftanstalt. Doch das könnte sich bald ändern. Denn es gibt Gespräche zwischen Bayern und Sachsen, ob sie nicht schon bald in eine vertrautere Gegend verlegt wird - nach Chemnitz, in die dortige Frauenhaftanstalt. Darüber hatte zuerst die Freie Presse aus Chemnitz berichtet. "Es gibt Sondierungen", sagt die stellvertretende Leiterin der JVA Stadelheim.
Eigentlich ist das keine große Sache: Sobald ein Urteil gefallen und es Rechtskraft erlangt hat, werden Untersuchungshäftlinge aus der U-Haft in die Strafhaft verlegt - in das Land, in dem sie zuletzt ihren Wohnsitz hatten. Das ist bei Beate Zschäpe Sachsen. Denn sie hat jahrelang in Zwickau im Untergrund gelebt.
Das Urteil gegen Zschäpe hat noch keine Rechtskraft
Das Besondere in diesem Fall: Zschäpe ist zwar wegen zehnfachen Mordes mit der Terrorgruppe NSU im Juli zu lebenslanger Haft verurteilt worden, aber Rechtskraft hat das Urteil noch lange nicht erlangt. Es gibt noch nicht einmal ein schriftliches Urteil - das wird erst im nächsten Frühjahr erwartet. Und dann erst können ihre Verteidiger die Revision dagegen einlegen. Dann hat wiederum der Bundesgerichtshof reichlich Zeit, um zu entscheiden, ob Zschäpe zu Recht als Mittäterin ihrer Männer Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.
Doch offensichtlich will man das nicht abwarten. Laut Artikel 9 des Bayerischen Untersuchungshaftgesetzes kann man davon Ausnahmen machen - bei wichtigen Gründen. Und die gibt es offensichtlich: Denn Zschäpe sitzt schon sehr lange in U-Haft, sehr viel länger als jede andere Gefangene in Deutschland. Damit sind Einschränkungen verbunden: In normalen Gefängnissen gibt es mehr Möglichkeiten zu arbeiten oder eine Berufsausbildung zu machen und auch die Sportangebote sind umfangreicher. In der U-Haft ist das alles viel eingeschränkter. Und das will man Zschäpe offenbar nicht noch zwei Jahre zumuten, bis das Urteil des Bundesgerichthofs vielleicht kommt. Ihr Anwalt Hermann Borchert hatte bereits im Sommer erklärt, Zschäpe komme wohl bald ins Frauengefängnis Aichach in Schwaben und werde dort vielleicht in der Bäckerei arbeiten. Dazu ist es nicht gekommen. Nun also Chemnitz.
Für Zschäpe hätte die Verlegung durchaus Vorteile: Obwohl sie erklärte, sie habe sich von der rechten Szene losgesagt, hat sie in Chemnitz doch viele alte Bekannte, die ihr beim Gang in den Untergrund und auch danach sehr geholfen haben. Auch ihre frühere beste Freundin Susann Eminger wohnt in der Nähe - was allerdings auch Sicherheitsprobleme aufwerfen könnte. Denn gegen Susann Eminger und acht weitere Verdächtige wird noch wegen Unterstützung des NSU ermittelt. Der Verlegung müssen auch die Bundesanwaltschaft und das Gericht zustimmen. Und auch die beiden Justizministerien in Bayern und Sachsen werden einbezogen. Ob eine Entscheidung schon gefallen ist, will niemand bestätigen. Einige Nebenkläger aus dem NSU-Prozess sehen die Verlegung mit Skepsis. "Zschäpe wäre dann in Chemnitz quasi wieder unter Freunden", erklärte ein Vertreter der Nebenklage.
Sie selbst würde die Verlegung sicher befürworten. Als sie einmal nach Gera in die Haftanstalt gebracht worden war, um ihre Großmutter zu sehen, hatte sie sich auf "Thüringer Bratwürste" gefreut, die sie mag. Die gibt es in München eher selten, in Sachsen oft. Und die JVA Chemnitz kennt sie auch schon. Dort war sie 2011 kurzzeitig untergebracht, als sie sich selbst gestellt hatte. Später hat sie in einem Brief an einen Freund von den schönen, warmen Zellen geschwärmt - während sie im Westen eher fror.