Süddeutsche Zeitung

Zoff um Rentengarantie:Olaf Scholz und die Tataren

Der ehemalige Arbeitsminister Olaf Scholz versucht, aus dem Rentenstreit in der Regierung Nutzen zu ziehen. Das zeigt, wie es um seine eigene Glaubwürdigkeit bestellt ist.

Nico Fried

Olaf Scholz ist ein Sozialdemokrat, zu dessen weniger angenehmen Charakterzügen bisweilen die mangelnde Unterscheidung von Selbstbewusstsein und Selbstgefälligkeit gehört. Für so einen Politiker ist es natürlich schwer zu verkraften, dass vor einiger Zeit die Tataren recht behielten und er nicht. Am 27. April 2009 kündigte der damalige Bundesarbeitsminister eine gesetzliche Garantie an, dass die Renten in Deutschland niemals sinken würden. Wie er damals nicht müde wurde zu betonen, sei diese Garantie eigentlich gar nicht nötig, weil nichts darauf hinweise, dass die Renten wegen sinkender Löhne ebenfalls schrumpfen müssten. Es gehe deshalb nur darum, entsprechenden "Tatarenmeldungen" Einhalt zu gebieten, damit die Rentner nicht verunsichert würden.

Gerade mal ein Jahr später ist Olaf Scholz längst widerlegt. 2010 hätten die Renten sehr wohl um einen Prozentpunkt sinken müssen. Wegen der Garantie kommt es nicht dazu. Dafür können die Rentner dankbar sein, nicht unbedingt aber diejenigen, die es bezahlen müssen. Von Scholz jedenfalls könnte man etwas mehr Demut erwarten, nachdem seine Vorhersagen genauso zu Brei geworden sind wie die legendären Steaks unter den Satteln der Tataren.

Stattdessen aber versucht der SPD-Politiker nun, aus dem Renten-Streit in der Regierung Nutzen zu ziehen. Am Wochenende forderte Scholz ein Ende des "törichten Gequatsches" über die Renten-Garantie, meinte aber nicht seine Äußerungen von vor einem Jahr, sondern aktuelle Wortmeldungen in der Koalition. Von Angela Merkel verlangte Scholz, die Debatte zu beenden - es gehe um die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin. Um Glaubwürdigkeit, aha.

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Quelle:
SZ vom 02.08.2010/mel
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