Zoff in der Linkspartei:Ramelow bringt neue Unruhe unter die Genossen

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Bodo Ramelow will die Grabenkämpfe in der Linkspartei mit einer Urabstimmung über die Führungsstruktur beenden - das könnte auch ihm helfen.

Thorsten Denkler, Berlin

Bodo Ramelow schreibt an alle. An die Bundesgremien, die Landesverbände, die Gliederungen, die Strukturen, die Strömungen und alle Abgeordneten in Europa, Bund, Ländern und Kommunen. Bodo Ramelow hat seinen Genossinnen und Genossen in der Linken etwas mitzuteilen. In einem offenen Brief, datiert von diesem Dienstag.

Ungeschönt, unverblümt und vor allem ungefragt schreibt Bodo Ramelow an die Genossen: Der Fraktionschef der Linken im Thüringer Landtag wünscht sich eine Führungsdebatte. (Foto: Foto: ddp)

Er schreibt ihn nicht als Fraktionschef der Linken im Landtag von Thüringen, auch nicht als noch amtierendes Parteivorstandsmitglied. Er schreibt den Brief als "ehemals Parteibildungsbeauftragter der Linken" - und das auch noch "ungefragt und ungebeten, ungeschönt und unverblümt".

Er legt gleich los mit dem Bekenntnis, dass ihm manches an dem "öffentlichem oder parteiinternem Getöse zurzeit ziemlich auf die Nerven geht". Unklar, ob ihn die verbale Breitseite von Noch-Parteichef Oskar Lafontaine vom Wochenende gegen seinen Noch-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, dem Lafontaine Illoyalität vorwirft, zu dem Brief animiert hat. Oder ob Bartschs jüngste "Das- verbitte-ich-mir"-Replik den Mann animiert hat.

Vielleicht meint Ramelow auch die seltsamen Jubelgesänge aus Bayern, als dort vernommen wurde, dass ihr Landeschef Klaus Ernst dem erkrankten Lafontaine im Parteivorsitz nachfolgen soll. Der Jubel erscholl, weil die Bayern den ungeliebten Ernst dann endlich los wären.

Ramelow hält das zwar alles nur für äußere Symptome in einem "inneren Wachstumsprozess der Partei Die Linke". Und dieser sei eben "leider auch mit Spannungen, Widersprüchen und Brüchen verbunden". Aber er findet: "Mehr Gelassenheit tut uns allen gut."

Es folgt die übliche Lobhudelei auf Lafontaine, ohne den es die Linke so nicht gäbe - und auf Gregor Gysi, für den Ähnliches gelte.

Aber: "Durch die Erkrankung unseres Vorsitzenden Oskar Lafontaine und den Wechsel unseres Vorsitzenden Lothar Bisky zur Europäischen Linkspartei haben wir jetzt ein Führungsvakuum, das leider überlagert wird durch ein längeres Zögern in der aktiven Programmdebatte."

Statt jetzt Fahrt rauszunehmen, um die Partei zur Ruhe zu bringen, will Ramelow alles auf einmal: "Wir brauchen deshalb beides! Eine aktive Programmdebatte über unsere Selbstbestimmung und einen Personalvorschlag für den Rostocker Parteitag, der dort auch von den Delegierten mit großer Mehrheit gewählt wird."

Vor allem Letzteres ist insofern interessant, als dass es ja einen Personalvorschlag der Parteispitze gibt - mit Ramelows Zustimmung. Gesine Lötzsch (Frau/Ost) und Klaus Ernst (Mann/West) sollen die Partei als Doppelsitzer führen. Dazu gesellen sich zwei Bundesgeschäftsführer, wieder nach dem Ost/West-, Mann/Frau-Schema.

Dennoch fordert Ramelow von der Partei, dass sie "den Mut zu ungewöhnlichen Entscheidungen" finde auf dem entscheidenden Parteitag in Rostock Ende Mai.

Er selbst unterstütze zwar den bestehenden Personal-Vorschlag. Aber das offenbar nur vordergründig. Er empfiehlt dem Rostocker Parteitag, über die Frage der Doppelspitze eine Urabstimmung abhalten zu lassen. Und das "Geschäftsführer-Tandem" solle aus seiner Sicht "nur eine Übergangslösung bleiben".

Die Idee der Mitgliederbefragung könnte auch aus der Sicht von Bartsch eine Lösung sein, sagte dieser der taz. Alternativ könnte das Konstrukt der Doppelspitze auch einfach befristet verlängert werden.

Ramelow will, was eine Parteispitze sonst nie will: Es wäre gut, "wenn unsere Mitglieder neben der Programmdebatte auch eine Führungsdebatte führen, die gekrönt wird durch eine Urabstimmung, die dauerhaft Klarheit bringt".

Der Brief wirft die Frage nach der Motivlage von Ramelow auf. Auch wenn er es öffentlich bestreitet, werden ihm erhebliche Ambitionen auf den Parteivorsitz zugeschrieben. Eine Urabstimmung, die mit dem Ergebnis endet, dass es nur einen Parteichef geben soll, käme ihm zugute.

Der aus dem Westen zugezogene Ostpolitiker wäre geradezu prädestiniert für dieses Amt.

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