Donald Trump ist schuld, dass die Konservativen und Rechten in Nordirland bald wieder die orange drum schlagen werden, die orangefarbene Trommel, so sagt es einer aus der EU am Donnerstag. Offiziell kommentieren will die Lage in Nordirland erst mal niemand, sensibles Thema, mal wieder. Die Zölle, mit denen der US-Präsident gerade die Welt entsetzt, haben zahlreiche unerfreuliche Konsequenzen, auch für die ohnehin schon komplizierteste Region des Vereinigten Königreichs.
Die orangefarbene Trommel ist dabei symbolisch gemeint; die Orangemen sind die nordirischen Unionisten und Protestanten, also jene, die unbedingt wollen, dass Nordirland weiterhin Teil des britischen Königreichs bleibt. Am Ostermontag beginnt in Nordirland die Marching Season, die Jahreszeit der Märsche, in der die Orangemen mit Trommeln und Fahnen monatelang immer wieder historische Ereignisse im Kampf gegen die Nationalisten und Katholiken feiern. Die Märsche sind umstritten, die Katholiken fühlen sich immer noch davon provoziert. Für die Konservativen und die Rechten der Reform-Partei aber sind sie ein Symbol der unbedingten Einigkeit des Königreichs.
56 Prozent der Nordiren wären lieber in der EU geblieben
Um nun zu verstehen, was genau Donald Trump mit der Bedrohung dieser Einigkeit zu tun hat, muss man zunächst zurückblicken auf das Jahr, in dem so viele britische Probleme der Gegenwart ihren Ursprung haben: 2016.
Damals hat sich eine knappe Mehrheit der Briten bekanntermaßen für den Ausstieg aus der Europäischen Union entschieden. Ausgerechnet an der inneririschen Grenze verläuft seitdem (beziehungsweise seit dem Inkrafttreten des Brexit 2020) die einzige Landgrenze zwischen dem Nicht-EU-Mitglied Vereinigtes Königreich und der EU. An jener Grenze also, die nach den einst jahrzehntelangen blutigen Kämpfen zwischen Protestanten und Katholiken als heikles Gebiet gilt.
Jahrelang versuchten die Tory-Regierungen von Boris Johnson und folgende, eine Lösung dafür zu finden, dass Waren zwischen EU-Ländern und Drittländern kontrolliert werden müssen, ohne aber den Frieden an der irischen Grenze zu gefährden. Das kleine Nordirland wurde so zu einem komplexen, aber dadurch umso offensichtlicheren Paradebeispiel für die Folgen des Brexit. Dass 56 Prozent der Nordiren sowieso lieber in der EU geblieben wären, macht die Sache nicht einfacher.
Brexit-Befürworter feiern schon eine Art Wirtschaftsparadies
Etwas besser wurde es erst, als sich Johnsons Nachnachfolger Rishi Sunak vor zwei Jahren mit der EU auf das sogenannte „Windsor Framework“ einigte, einen Zusatz zum schon bestehenden Regelwerk für den Handelsverkehr zwischen EU, Nordirland und Großbritannien. Seitdem gilt die Regel: Waren, die aus Großbritannien nach Nordirland gelangen und dort bleiben, werden über eine green lane abgefertigt, also ohne Kontrollen. Nur Waren, die danach weiter auf den EU-Markt gelangen, werden kontrolliert. Dadurch sind Grenzkontrollen an der inneririschen Grenze nur noch in Ausnahmefällen nötig.
Nordirland hat damit aber auch den Vorteil, dass die Region gleichzeitig Zugang zum EU-Binnenmarkt sowie zum britischen Markt hat. Und genau das ist nun der Grund, weshalb Nordirland schon bald politisiert werden dürfte: Belfast, das jedenfalls ist eine dieser Tage oft zu hörende Sorge, könnte zu einer Art Boxring der Brexit-Ideologen werden.
Weil Donald Trump die EU mit 20 Prozent Zöllen auf alle Waren außer Autos (25 Prozent) belegen will, das Königreich aber nur mit zehn Prozent, beginnen die Brexit-Befürworter bereits, Nordirland als eine Art Wirtschaftsparadies zu feiern: als einzige Region innerhalb des EU-Marktes mit nur zehn Prozent Zöllen auf US-Waren. Nur, an der Grenze zwischen Irland und Nordirland könnte es dann wieder kompliziert werden.
20 Prozent und zehn Prozent: unterschiedliche Zölle auf demselben Markt
Wie die britische Regierung auf die Zölle reagieren wird, ist noch unklar, man wolle „kühlen Kopf“ bewahren, sagte Premierminister Keir Starmer bislang. Sollte die EU aber wie erwartet Gegenmaßnahmen ergreifen, etwa ähnlich hohe Gegenzölle festsetzen, würden diese dann auch für US-Waren in Nordirland gelten. Denn im „Windsor Framework“ wurde festgelegt, dass Waren, die aus der EU nach Nordirland kommen, EU-Regeln unterworfen sind. Das heißt: Firmen in Nordirland wären im Nachteil gegenüber ihren Kollegen in Großbritannien, für sie würden dann auch die von Trump aufgesetzten EU-Zölle von 20 Prozent gelten, doppelt so viel wie für die britischen Kollegen. Dass Waren mit unterschiedlichen Zöllen belegt im britischen Markt wären, das sei natürlich problematisch, sagte am Donnerstag ein EU-Diplomat.
Die Lage sei „sehr ernst“, sagte Premierminister Starmer im Unterhaus, die Interessen Nordirlands stünden „im Zentrum unserer Bemühungen“. Nordirische Wirtschaftsvertreter haben sich bereits schriftlich an die EU gewandt, in den Gesprächen mit den USA und eventuellen Entscheidungen bitte die Situation in Nordirland zu bedenken.
Die nordirischen Regierungsparteien, die sich die Macht als Folge des 1998 festgelegten Friedensabkommens gleichmäßig aufteilen müssen, reagierten entsprechend besorgt – und in leicht unterschiedlichen, ihrer Ideologie entsprechenden Nuancen. Das, was in Washington verkündet worden sei, „erzeugt Instabilität“, sagte die nordirische Regionalregierungschefin Michelle O’Neill von der proirischen Partei Sinn Féin bei einer Pressekonferenz. Die stellvertretende Regierungschefin Emma Little-Pengelly von der probritischen Democratic Unionist Party sagte, Nordirland dürfe nicht zum „Kollateralschaden von Gegenmaßnahmen in Brüssel“ werden.