Stahlzölle:Kleine Deals erhalten die Freundschaft

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Viertgrößter Stahllieferant Amerikas: Südkoreas Wirtschaft lebt von Exporten – Stahlwerk in Pohang an der Ostküste des Landes. (Foto: Copyright: xDreamstimexIgorspbx/IMAGO/Dreamstime)

Wie flexibel Indien und Japan mit Trumps Zollankündigungen umgehen – ganz im Gegensatz zu Südkorea, das aus der Schockstarre nicht herauszufinden scheint.

Von Thomas Hahn und David Pfeifer

Donald Trump kennt weder Freund noch Feind, wenn es um Zölle geht. Das weiß man inzwischen. Auch in Asien, wo die neuen Abgaben auf Stahl und Aluminium die beiden engsten Verbündeten der USA in der Region, Japan und Südkorea, besonders hart treffen werden und auch Indien – den wichtigsten Antipoden der aufstrebenden Supermacht China, mit der Amerika bekanntlich nicht nur auf dem Kontinent um Macht und Einfluss ringt.

Und so kommt Indiens Premier Narendra Modi an diesem Mittwoch nicht mit leeren Händen nach Washington. Noch am Dienstag wurden Zollsenkungen vorbereitet, die amerikanische Exporte nach Indien erleichtern sollen. Modi kennt seinen Kollegen Trump schließlich. Trumps oberster Wirtschaftsberater Kevin Hassett hatte am Montag in einem Interview mit dem Sender CNBC gesagt, dass der indische Premierminister viel mit Trump zu besprechen habe. Trump sei der Ansicht, dass die USA Zölle erheben sollten, die mindestens den von anderen Ländern erhobenen Zöllen entsprechen, sagte Hassett und fügte hinzu: „Wenn sie senken, werden auch wir senken.“

Die USA sind ein wichtiger Absatzmarkt für die großen indischen Stahlwerke. Der Handel zwischen Indien und China ist etwa gleich hoch wie der zwischen Indien und den USA. Er belief sich 2024 laut US-Statistiken auf mehr als 129 Milliarden US-Dollar, wobei Indien einen Überschuss von gut 45 Milliarden Dollar gegenüber den USA erzielte.

Indien erwägt nun Zollsenkungen – auch für Teslas

Indien erwägt nun laut der Nachrichtenagentur Reuters Zollsenkungen in mindestens einem Dutzend Sektoren, von Elektronik über medizinische und chirurgische Geräte bis hin zu Chemikalien, um die US-Exporte anzukurbeln. Indiens Finanzministerin Nirmala Sitharaman hat im Haushaltsplan für 2025/2026 bereits Maßnahmen angekündigt, die den Export von Harley-Davidson, Tesla und Apple-Produkten nach Indien erleichtern könnten – alles Luxusprodukte, wenn man das indische Grundeinkommen zugrunde legt.

In Delhi will man die Abhängigkeit von Peking senken, das schließt ausdrücklich Smartphones ein, die bislang in großer Zahl von chinesischen Billigherstellern in Indien verbreitet sind. Auch Elektroautos möchte Peking gerne in asiatischen Märkten losschlagen, seit sie in den USA und Europa wiederum mit Strafzöllen belegt werden. Teslas würden gegenüber den chinesischen BYDs und MGs schnell ins Hintertreffen geraten, die beispielsweise in Thailand bereits das Straßenbild prägen. Delhi setzt lieber auf die Produkte des Trump-Beraters Elon Musk.

Modi wird bei seinem zweitägigen Besuch in Washington wohl auch gesteigerte Energie- und Rüstungsimporte vorschlagen. In Delhi ist man in beiden Fragen bislang auf Moskau angewiesen. Die Beziehungen zwischen Indien und Russland sind zwar gewachsen und stabil. Aber nicht zuletzt der Ukraine-Krieg machte Delhi deutlich, dass man sich zu sehr in Abhängigkeit begeben hat. Zumal seit Kriegsausbruch Erzrivale China zum engsten Verbündeten Russlands wurde. Es sind komplizierte Zeiten.

Trump hatte Modi in einem Telefonat kurz nach Amtsantritt aufgefordert, mehr in den USA hergestellte Sicherheitsausrüstungen zu kaufen und sich „in Richtung einer fairen Handelsbeziehung“ zu bewegen. In einer Erklärung vom Montag sagte Modi über Trump: „Dieser Besuch wird eine Gelegenheit sein, auf den Erfolgen unserer Zusammenarbeit in seiner ersten Amtszeit aufzubauen.“

Die Proteste der Opposition in Delhi gegen die Art und Weise, wie indische Einwanderer ohne Papiere seit Montag vergangener Woche von den USA in Handschellen in Militärmaschinen gesetzt und in den Punjab ausgeflogen werden, dürften hingegen kaum ein Thema sein. Angeblich sollen sich mehr als 700 000 Inderinnen und Inder illegal und seit Jahren in den USA aufhalten. Man will eben den alten Bekannten im Weißen Haus nicht herausfordern.

Auch in Japan blieb es verdächtig ruhig nach der schlechten Nachricht aus Washington. Kein Kommentar drang etwa aus der Tokioter Zentrale des weltweit viertgrößten Stahlunternehmens, Nippon Steel. War es Schock? Oder brüteten die Manager noch über die Entwicklungen vom vergangenen Freitag, als Japans Premier Shigeru Ishiba bei Donald Trump war und sie einträchtig erklärten, Nippon Steel werde Amerikas angeschlagene Traditionsfirma US Steel nicht kaufen, sondern nur teuer in sie investieren?

Letzteres ist wahrscheinlicher, denn die Zölle konnte man ja erwarten. Die Aussagen von Trump und Ishiba hingegen passten nicht zur bisherigen Firmenpolitik von Nippon Steel, das mit Expansionen seine Position auf dem Weltmarkt stärken will. Die Zeitung Nikkei berichtete am Wochenende ohne weitere Details, dass Nippon Steel Trump ein neues Übernahmeangebot gemacht habe nach der ursprünglichen Offerte über 14,1 Milliarden Dollar plus 2,7-Milliarden-Investition in die US-Steel-Anlagen. Und wie die Nachrichtenagentur Reuters von zwei nicht genannten Insidern erfuhr, hat Nippon Steel weiter vor, US Steel zu kaufen. Trotz der Zölle oder gerade wegen der Zölle?

US Steel war einmal der Stolz Amerikas. Heute kann die Firma nicht mehr mithalten mit der beweglicheren internationalen Konkurrenz. Nippon Steel halten viele für ihren Retter. Aber kurz vor dem Ende seiner Präsidentschaft untersagte Joe Biden den Kauf wegen „nationaler Sicherheitsbedenken“. Nippon Steel wollte dagegen noch vor Kurzem klagen.

Donald Trump beharrt ebenfalls darauf, dass US Steel keinen nicht-amerikanischen Mehrheitseigner bekommt. Allerdings interessiert ihn das japanische Geld. „Ich mag Investitionen“, sagte er beim Treffen mit Ishiba. Der wiederum wollte den US-Präsidenten offenkundig nicht mit Widerspruch gegen Japan aufbringen. Und so kam es dann wohl zu der etwas vagen Abmachung, über die Nippon Steel nun nachdenken muss. Der japanische Regierungssprecher sagte am Montag, Nippon Steel erwäge „einen mutigen Vorschlag, der sich von allem unterscheidet, was das Unternehmen in der Vergangenheit getan hat“. Trumps neue Stahlzölle sind als Schutz für US Steel gedacht. Dazu will er die Investitionen von Nippon Steel, ohne dass die Japaner die Geschicke der amerikanischen Firma lenken dürfen. Noch klingt der Deal irgendwie etwas einseitig.

Unsicherheit ob der ungewissen Lage herrschte also in Japan vor – in Südkorea dagegen breitete sich Krisengefühl aus. Die Aktienkurse der Stahlunternehmen Posco, Hyundai Steel and Dongkuk Steel fielen wegen Trumps Zollankündigungen. Interimspräsident Choi Sang-mok versammelte seine Spitzenbeamten um sich, um die Folgen zu besprechen. Tags darauf hielt das Handelsministerium eine Notfallsitzung mit Vertretern der Stahlbranche ab und erklärte, man stehe in engem Kontakt mit den Unternehmen und Industrieführern, um die Auswirkungen möglichst klein zu halten.

Südkorea steckt gerade noch mitten in einer Staatskrise

Exporte machen Südkoreas halbe Wirtschaft aus. Für die USA war der Tigerstaat im vergangenen Jahr der viertgrößte Stahllieferant. Außerdem genoss er bisher eine Ausnahmeregelung von den Zöllen, die Trump schon 2018 erhoben hatte. 2,63 Millionen Tonnen Stahl durften südkoreanische Firmen jährlich zollfrei einführen; laut dortigem Eisen- und Stahlverband exportierte Südkorea 2024 2,77 Millionen Tonnen an Stahlprodukten in die USA. An den Zahlen kann man sehen, wie schwer allein die Stahlzölle Südkoreas Wirtschaft treffen würden. Zumal die nationalen Stahlfirmen noch andere Probleme beklagen: Die billige Konkurrenz aus China kostet Aufträge, Arbeiterproteste gegen Einsparungen machen das Geschäft nicht leichter.

Die Unternehmen hoffen, dass die Regierung in Seoul die Trump’schen Abgaben mit klugen Verhandlungen verhindern kann. Aber die Regierung ist ja gerade nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte. Präsident Yoon Suk-yeol hatte am 3. Dezember per Kriegsrecht die Opposition ausschalten wollen und sitzt mittlerweile im Gefängnis. Gegen ihn läuft ein Amtsenthebungs- und ein Strafverfahren. Trumps Zölle kommen für Südkorea zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.

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