Bischofssynode in Rom:Das zölibatäre Priestertum wankt

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Die Amazonas-Synode erinnert mitunter an ein Straßenfest, doch für Papst Franziskus (Mitte) stehen weit reichende Beschlüsse an. (Foto: Massimiliano Migliorato/imago)
  • Am Samstagabend soll das Abschlussdokument der sogenannten Amazonassynode veröffentlicht werden.
  • Noch ist unklar, welche Passagen die nötige Zweidrittelmehrheit bekommen werden.
  • Der Text wird erklären, dass der Schutz des Regenwaldes und der Menschen im Amazonasgebiet eine kirchliche Aufgabe ist.
  • Er könnte zudem vorschlagen, dass dort erstmals verheiratete und in der Gemeindearbeit bewährte Männer zum Priester geweiht werden. Selbst über eine Weihe für Frauen zur Diakonin soll diskutiert werden.

Von Matthias Drobinski und Oliver Meiler, Rom

In der goldglänzenden Kirche Santa Maria in Traspontina, gleich beim Vatikan, kann man erleben, wie hart der Kampf ist. Die Vertreter eines indigenen Selbsthilfeprojekts machen dort auf ihre Lage am Amazonas aufmerksam, zeigen Fotos ihrer bedrohten Heimat: verdrecktes Trinkwasser, zerstörte Häuser, Schwerverletzte nach einem Angriff von Holzfällern. In einer Seitenkapelle haben sie der heiligen Barbara zu Füßen gelegt, was sie mitgebracht haben, Federschmuck, das Modell eines Fischerboots, bunte Tücher. Frauen und Männer halten ein regenbogenbuntes Netz und singen. Eine Frau und zwei Männer aber wollen nicht mitsingen. Sie knien auf dem Marmorboden und beten, so laut sie können. Sie laufen laut betend an den Indios vorbei. Sie wollen stören. Für sie ist die Religiosität der Indigenen Heidentum, ihr Protest gegen die Zerstörung des Regenwaldes Kommunismus. In der Nacht zum Montag haben zwei Männer aus der Kirche Holzfiguren nackter, schwangerer Frauen gestohlen und in den Tiber geworfen. Das Video von der Tat wird in den Foren des reaktionären Katholizismus gefeiert.

Es kann gut sein, dass die organisierten Kampfbeter am Samstagabend noch wütender sind. Dann wird das Abschlussdokument der Amazonassynode veröffentlicht. Drei Wochen haben 280 Bischöfe, Beraterinnen und Berater vor dem Papst diskutiert, der meist schwieg; einmal ermunterte er die Teilnehmer, doch mutiger zu reden. An diesem Freitag nun beginnt die komplizierte Abstimmung über den Abschlusstext - jeder Absatz braucht eine Zweidrittelmehrheit der Bischöfe. Und so, wie es aussieht, könnte er einige Weichenstellungen für die katholische Kirche mit sich bringen, auch wenn er formal nur eine Empfehlung an den Papst ist.

Er wird, zum Ärger des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und seines bolivianischen Kollegen Evo Morales, erklären, dass der Schutz des Regenwaldes und der Menschen dort eine kirchliche Aufgabe ist, dass sie Partei nehmen muss für die bedrohte Schöpfung. Der Text wird zudem vorschlagen, dass im Amazonasgebiet, wo bisher nur ein paar Mal im Jahr ein Priester vorbeischaute, erstmals verheiratete und in der Gemeindearbeit bewährte Männer, sogenannte Viri probati, zum Priester geweiht werden. Und selbst über eine Weihe für Frauen zur Diakonin soll diskutiert werden - eine kleine Revolution. Vor 25 Jahren hat Papst Johannes Paul II. solche Debatten für beendet erklärt. Damit geht die Bedeutung der Synode weit über den Regenwald hinaus: Braucht die Kirche eine "Option für die Schöpfung"? Und wenn es im Amazonasgebiet mit seinem dramatischen Priestermangel möglich ist, verheiratete Männer und Frauen in irgendeiner Form zu weihen - warum nicht auch in Europa?

Ein unverheirateter Mann ohne Kinder gelte wenig, sagen indigene Synoden-Teilnehmer

Selten hat es in einer Bischofssynode im Plenum und in den Arbeitsgruppen so offene Debatten gegeben, berichten Teilnehmer, "von der Naturmedizin bis zum Frauenpriestertum war alles dabei", sagt Pater Michael Heinz, Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Adveniat, der als Experte geladen war. Immer wieder hätten die indigenen Teilnehmer, vor allem die Frauen, aus ihrem Leben erzählt; Menschen würden mit dem Tod bedroht, wenn sie sich den Ausbeutern des Waldes in den Weg stellten - und bei den indigenen Völkern gelte ein unverheirateter Mann ohne Kinder wenig. Bei der möglichen Weihe der Viri probati gab es auf der Synode breite Zustimmung. Offen ist aber die Frage, ob der Dispens vom Zölibat lediglich im Einzelfall genehmigt wird oder ob am Amazonas tatsächlich eine neue reguläre Form des Priesterlebens entsteht. Beim Frauendiakonat war die Debatte kontroverser. Einige Bischöfe wünschten, darüber in einer gesonderten Synode zu reden, die Mehrheit aber brachte das Thema in den Entwurf des Abschlussdokuments.

Das ist ein Risiko: Es hadert ja durchaus eine Reihe von Bischöfen mit der Weihe verheirateter Männer zum Priester oder von Frauen zur Diakonin. Sie befürchten, dass dies der Anfang vom Ende des zölibatären, den Männern vorbehaltenen Priestertums ist, das für sie zur Identität der katholischen Kirche gehört. Konservative Kritiker der Synode werfen gerade den Deutschen vor, weniger den Regenwald als vielmehr das aufmüpfige Kirchenvolk daheim im Sinn zu haben. "Der Amazonas mündet in den Rhein", titelte eine italienische katholische Zeitung.

Konservative Kritiker befürchten den Anfang vom Ende des katholischen Priestertums

Solche Positionen waren bei den Beratungen eine Minderheit - doch besonders strittige Passagen könnten trotzdem die nötige Zweidrittelmehrheit verfehlen. Entsprechend angespannt waren die Beratungen über den Entwurf des Abschlussdokuments, der auf heftige Kritik aus allen Lagern stieß. Die einen monierten, der aus Brasilien stammende Kurienkardinal Claudio Hummes, ein Freund des Papstes, habe als Diskussionsleiter der Synode den Text weitgehend vorgegeben. Andere fanden ihn an vielen Stellen zu unkonkret und überhaupt einen blutarmen Bürokratentext. Es gab zahlreiche Änderungsanträge. Eine Redaktionsgruppe versucht nun, den Wust zu einer Erklärung zu ordnen, die konservative Bischöfe nicht vor den Kopf stößt und doch die Gläubigen in aller Welt inspiriert; die Hölle in ein Paradies zu verwandeln, erscheint dagegen einfach.

Birgit Weiler, eine Ordensfrau, die seit fast 30 Jahren im Amazonasgebiet lebt, arbeitet daran mit. Wie der Text jetzt aussieht, am Tag vor der Abstimmung? Sie lächelt und schweigt. Und redet dann doch: Statt dass nur zwei- bis dreimal im Jahr ein zölibatärer Priester vorbeischaue und die Messe feiere, bräuchte es vor Ort geweihte verheiratete Frauen und Männer. Das allein aber genüge nicht - insgesamt müsse sich das Verständnis vom Amt ändern: "Wir brauchen keinen Klerikalismus für alle", sagt sie, "es geht um den Dienst am Menschen."

Und um Dienst an der Umwelt: "Kippt das Ökosystem Regenwald, hat das Auswirkungen auf die ganze Welt", sagt sie. Und das Gold im Bankdepot, das Soja, das an die Rinder verfüttert werde, das alles trage zur Zerstörung des Waldes und seiner Bewohner bei. "Wir müssen unseren Lebensstil ändern", sagt sie, "auch da ist Amazonas ein Laboratorium für die ganze Kirche."

© SZ vom 25.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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