Zivilschutzkonzept:Innenminister in der Kritik - De Maizière stellt Zivilschutzkonzept vor

Interior Minister Thomas de Maiziere presents concept for civil defence in Berlin

Innenminister de Maizière stellt das Zivilschutzkonzept vor.

(Foto: REUTERS)

Nutzt er die Verunsicherung der Menschen aus? Innenminister de Maizière muss sich bei der Vorstellung des Zivilschutzkonzepts verteidigen - und erklärt, was er für den am stärksten gefährdeten Bereich hält.

Von Nico Fried

Wenn Thomas de Maizière ein neues politisches Konzept vorstellt, muss er häufig erst den Schutt wegkehren, zu dem sich einzelne Informationsbrocken zuvor schon aufgetürmt haben. So war es vor zwei Wochen bei seinem Katalog mit Anti-Terror-Maßnahmen, als die ärztliche Schweigepflicht bedrohlich ins Wanken geraten zu sein schien, ehe sich herausstellte, dass sie nicht infrage stand. Und so verhielt es sich auch mit dem neuen Zivilschutzkonzept des Ministers, über das zuletzt ein stetiger Strom an vermeintlichen Details in die Öffentlichkeit geraten war, zu denen am Ende angeblich sogar die Wiedereinführung der Wehrpflicht gehörte. Auch dazu wird es wohl nicht kommen.

Doch der Reihe nach. Thomas de Maizière hat am Mittwoch in ein Wasserwerk geladen, um das neue Zivilschutzkonzept vorzustellen, das zuvor im Kabinett verabschiedet worden war. Es geht um die Vorsorge vor "gefährlichen Lagen", wie der Minister das nennt. Vor allem die wachsende Verletzbarkeit der Infrastruktur, zu der auch die Wasserversorgung gehört, erfordere "vielfältige Vorsorge", so de Maizière.

"Mit kühlem Kopf auf Katastrophenszenarien vorbereiten - das macht jedes Land", sagt er. Mit Panikmache, wie sie ihm vorgeworfen wurde, habe das gar nichts zu tun. Vielmehr hat sich der Minister gleich zwei Sprichworte zurecht gelegt, um die Motivation zu erläutern: "Der kluge Mann baut vor", lautet das eine, wobei de Maizière, der seit elf Jahren unter der politischen Fuchtel einer Kanzlerin steht, nicht vergisst, auch "die kluge Frau" noch zu erwähnen. Das zweite Sprichwort lautet: "Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste." Da freilich lässt er den Vater weg.

Die Opposition wirft dem Minister vor, die Verunsicherung der Menschen auszunutzen

Das letzte Konzept des Bundes zum Zivilschutz entstand Mitte der 90er-Jahre. Darin seien noch Behörden wie der Deutschen Bundespost Aufgaben zugewiesen worden, die es heute nicht mehr gebe, wie Christoph Unger amüsiert vermerkt, den der Minister mitgebracht hat. Unger ist Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). 2012 erteilte dann der Haushaltsausschuss des Bundestages der Regierung den Auftrag, ein neues Konzept zu erarbeiten. Im Frühjahr sei ein Entwurf an die Länder gegangen, so de Maizière, später habe man darüber auch schon auf der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern gesprochen.

Jenseits der Einzelheiten war de Maizière zuletzt auch wegen des Zeitpunktes in die Kritik geraten, zu dem er das Konzept ins Kabinett gebracht hat. Vor allem Oppositionspolitiker von Grünen und Linken warfen dem Minister vor, aus der Verunsicherung der Menschen nach den Terroranschlägen von Ansbach und Würzburg und dem Amoklauf in München politisches Kapital mit Blick auf die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin schlagen zu wollen. Natürlich wies de Maizière auch diesen Vorhalt zurück.

Ex-Regierungsbunker bei Bad Neuenahr-Ahrweiler

Notrationen von Lebensmitteln, aufgenommen im ehemaligen Regierungsbunker bei Bad Neuenahr-Ahrweiler.

(Foto: Thomas Frey/dpa)

"Der Beschluss heute ist mitnichten irgendeine Reaktion auf eine aktuelle Bedrohungslage", so der Minister. Es gebe keinen Grund, in den Zeitpunkt "irgendetwas hineinzuinterpretieren". Das Konzept habe mit der Terrorlage "nichts zu tun, sondern mit vielen denkbaren Großgefahren für unser Land". Die Bedrohungslage habe sich, worauf er immer wieder hingewiesen habe, auch gar nicht verändert, so de Maizière, deshalb sei es letztlich sogar egal, ob er das Papier "im Mai, jetzt, oder im Oktober" präsentiere. Wenn ein Konzept fertig sei, komme es ins Kabinett. "Die Arbeit ist getan, es war jetzt entscheidungsreif und deshalb stand es auf der Tagesordnung".

Die Stromversorgung gilt als der am stärksten gefährdete Infrastrukturbereich

Für den Bund sei es darum gegangen, Vorsorgepläne in mehreren Bereichen zu erarbeiten, zum Beispiel dem Erhalt der Staats- und Regierungsfunktion. Das bedeute, dass nach einem Brand oder einer Explosion in einem Ministerium, dessen Arbeit auch in einem anderen Gebäude fortgesetzt werden könne. Zweitens gehe es um die Versorgung der Bevölkerung. BBK-Präsident Unger beschreibt die Stromversorgung als den am stärksten gefährdeten Infrastrukturbereich, nicht zuletzt durch Cyber-Angriffe, wie man sie etwa in der Ukraine erlebt habe, wo das Elektrizitätsnetz in weiten Teilen lahmgelegt worden sei. Ein Ausfall der Stromversorgung, so Unger, "würde uns existenziell treffen". Minister de Maizière assistiert an dieser Stelle mit dem Hinweis auf den Roman "Blackout" von Marc Elsberg, in dem Hacker das Stromnetz in Europa lahmlegen, kein Wasser mehr aus der Leitung fließt, die Tankstellen kein Benzin haben und am Ende die Kühlsysteme von Atomkraftwerken versagen. Freilich, so gibt de Maizière zu, habe er das Buch gar nicht gelesen, es sei ihm aber "empfohlen worden".

Ein weiterer Bereich der Vorsorge sei der Zivilschutz, in dem es darum gehe, wie Menschen gewarnt, gerettet und betreut werden könnten, welche Gesundheitsvorsorge erforderlich ist, oder wie die Bargeldversorgung aufrechterhalten werden könne - und eben auch, welche Vorsorge die Menschen selbst treffen könnten. Das war noch so ein Punkt, der zuletzt für Aufregung gesorgt hatte. Richtig sei, so de Maizière, dass einen Teil der Vorsorge auch die Bevölkerung leisten könne. Aber der Eindruck, die Regierung rufe zu Hamsterkäufen auf, "ist falsch". Die Hinweise ähnelten vielmehr einer kleinen Reiseapotheke, wie man sie vor dem Urlaub anlege. Und was ist nun mit der Wehrpflicht? Deren Wiedereinführung stehe überhaupt "nicht zur Debatte", so der Minister. Richtig ist allerdings, dass sie im Zusammenhang mit funktionierenden Postdiensten erwähnt wird. Ein wahrlich komisches Beispiel. Dabei, so de Maizière, gehe es allgemein darum, dass amtliche Bescheide auch in Krisensituationen zugestellt werden müssten, "auch wenn der Liebesbrief dann mal eine Woche nicht ankommt".

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