Zeugin im NSU-Prozess:Optimales Opfer

Die Ermittler gehen davon aus, dass Beate Zschäpe Sandy N. angesprochen hat, um an ein Handy zu kommen. Nun sagt die Frau im NSU-Prozess aus und macht einen ziemlich hilflosen Eindruck. Die Zeugin gibt Dinge über sich preis, die sie gar nicht hätte sagen müssen.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

Sandy N. läuft durch die Fußgängerzone von Zwickau, da wird sie von einer freundlichen Frau angesprochen. Ob sie helfen könne, ihrer Nichte, die Geburtstag habe, ein Prepaidhandy zu kaufen? Leider, so die freundliche Dame, habe sie ihren Personalausweis vergessen. Nun braucht sie jemanden, der für sie den Kauf abschließt. Sandy N. willigt ein und bekommt dafür ein paar Euro als Belohnung.

Gedacht hat sich Sandy N. nichts dabei. Die Frau sei ihr glaubwürdig vorgekommen, weil sie weitere Geschenke bei sich gehabt habe. So berichtet es Sandy N. am Dienstag im NSU-Prozess. Mittlerweile wisse sie, dass das Handy weiter auf ihren Namen lief. "Und ich hab nicht gedacht, dass da so was bei rauskommt."

Die Ermittler gehen davon aus, dass Beate Zschäpe die Frau war, die Sandy N. angesprochen hatte. Das Handy soll später von Zschäpe oder ihren Freunden genutzt worden sein, der Kaufvertrag ist datiert auf den 10. Februar 2010. Als Belastungszeugin ist Sandy N. jedoch nur bedingt hilfreich, denn weder bei der Polizei noch im Gericht identifiziert sie Zschäpe.

Die Frau, die sie damals gesehen habe, sei schlank gewesen und habe schwarze, nach oben gesteckte Haare gehabt. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie das nicht war", sagt Sandy N. und zeigt auf die Angeklagte. Auch an das Jahr, in dem die Handy-Aktion war, kann sich Sandy N. nicht mehr erinnern. Sie spricht von 2006 oder 2008 und macht einen - in diesem Fall glaubwürdigen - konfusen und hilflosen Eindruck. Sie war das optimale Opfer für die Handy-Aktion.

"Ich bin doch nicht bescheuert"

Es kommt heraus, dass die Zeugin schon seit ihrer Jugend persönliche Probleme hat. Als nach Rauschgiftkonsum gefragt wird, belehrt der Vorsitzende Richter Manfred Götzl die Zeugin vorsorglich, sie müsse sich nicht selbst belasten. Das geht jedoch daneben, weil Götzl die Belehrung sehr kompliziert formuliert. Als Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer darauf hinweist, dass die Zeugin es vielleicht nicht verstanden hat, wehrt diese sich. "Ich bin doch nicht bescheuert."

Sie wolle die Aussage verweigern. Doch dann setzt Götzl erneut an, ihr die juristische Lage zu erklären, und macht es damit nur noch schlimmer. Jetzt gibt die Zeugin Dinge über sich preis, die sie gar nicht hätte sagen müssen. Und sie wirkt frustriert, dass man sie überhaupt in diese Lage gebracht hat.

Es ist im NSU-Prozess nicht das erste Mal, dass das Gericht sich schwer damit tut, sensibel mit Zeugen umzugehen, die von der Situation und der komplizierten Sprache der Juristen überfordert sind. Viele reagieren dann auch gereizt, weil sie wohl das Gefühl haben, sie würden von oben herab behandelt. So kommt die Aufklärung der NSU-Verbrechen am 73. Verhandlungstag wieder mal nur mühsam voran - und hinterlässt nicht nur bei der Zeugin ein ungutes Gefühl.

Außer Sandy N. tritt am Dienstag ein sächsischer Polizist als Zeuge auf. Er hatte Zschäpes Kleidung und ihre Handtasche fotografiert und untersucht, die Zschäpe trug, als sie sich am 8. November 2011 der Polizei stellte. Hundert Fotos von diesen Asservaten werden im Gerichtssaal an die Wände projiziert, mit allen Details: von Zschäpes Socken, ihrer Jacke und ihrem Pfefferspray bis zu den 12,23 Euro, die sie noch bei sich hatte. Die Angeklagte muss mit ansehen, wie ihre letzten Habseligkeiten noch einmal ausgebreitet werden. Sie nimmt es, wie so oft, ohne erkennbare Regung hin.

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