Süddeutsche Zeitung

Zeuge belastet bayerische Kultusministerin schwer:Hohlmeier soll illegale Machenschaften gesteuert haben

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Ein Kronzeuge im Untersuchungsausschuss belastet die bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier schwer. Sie habe nicht nur von den Stimmenkäufen und gefälschten Aufnahmeanträgen in der Münchner CSU gewusst, sondern sei selbst "Dirigentin der gesamten Operation" gewesen.

Von Kassian Stroh

Erstmals kritisierte am Donnerstag auch ein führender CSU-Mandatsträger die Ministerin. Hohlmeiers Verhalten in der Affäre sei ein "Abgrund von Lüge und Täuschung", sagte der Chef der Münchner CSU-Rathausfraktion, Hans Podiuk. Die vormalige Chefin der Münchner CSU habe ihn daran gehindert, gegen den Fälscher Junker vorzugehen, sagte Podiuk der Süddeutschen Zeitung.

Die bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier hat nach Aussage eines Zeugen im Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags schon frühzeitig von gefälschten Aufnahmeanträgen und Stimmenkauf in der Münchner CSU gewusst. "Ja, sie hatte Kenntnis, verhindert hat sie's nicht", sagte der Zeuge Maximilian Junker. Die Strauß-Tochter sei die "Dirigentin der gesamten Operation" gewesen. Hohlmeier bestreitet dagegen, von den Manipulationen gewusst zu haben. Der frühere JU-Ortschef Junker war 2004 wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Vor den Wahlfälschungen habe es "eine Art Befehlsstruktur" gegeben, sagte der 24-jährige Junker. "Allen Beteiligten war bekannt, dass Frau Hohlmeier ganz oben saß." Junker berichtete, ein Telefonat Hohlmeiers mit dem CSU-Landtagsabgeordneten Joachim Haedke mitgehört zu haben. Dabei habe Haedke die damalige Münchner CSU-Chefin informiert, dass sich der Preis für Mitgliederkäufe auf 500 Euro pro Kopf erhöht habe. Junkers Schlussfolgerung: Hohlmeier habe von den Machenschaften nicht nur gewusst, sondern sie auch nicht verhindert.

Haedke habe sie bei dem Telefonat "nicht frisch in Kenntnis gesetzt", sondern einen "Bericht zur Lage" gegeben. Nach Junkers Darstellung sagte Haedke in dem 40-minütigen Gespräch: "Moni, du kannst dir gar nicht vorstellen, was für einen finanziellen Aufwand wir betreiben." Daraufhin habe er sich "die ganze Zeit dafür entschuldigt, dass das jetzt so teuer wird", berichtete Junker.

Hohlmeier habe auch nachgefragt, wie viele Neumitglieder mit dem Geld schon gewonnen worden seien, sagte Junker. Die ersten fünf Minuten des Gesprächs habe er über den Lautsprecher des Telefons mithören können, dann habe Haedke diesen ausgeschaltet. Am Ende des Gesprächs habe Haedke zu ihm gesagt: "Oh, das hättest du jetzt gar nicht hören sollen. Vergiss es einfach wieder."

Dass Hohlmeier die Vorgänge gesteuert habe, habe Haedke ihm und auch seiner damaligen Freundin mehrmals erzählt. Er selbst habe nie mit Hohlmeier gesprochen, sagte Junker. Auch habe er von ihr kein Geld erhalten, um Mitglieder zu werben oder zu kaufen. Haedke habe ihm erzählt, dass von der Ministerin "hohe Beträge" aufgewendet worden seien.

"Die Monika wird uns alle decken"

Über die Motive der an den Manipulationen Beteiligten sagte Junker, Hohlmeier habe dereinst Ministerpräsidentin werden wollen. Haedke habe ihm erzählt, dass für diesen Fall Hohlmeiers Mannschaft bereits stehe. Auch ihm sei eine Parteikarriere in Aussicht gestellt worden.

Wiederholt hätten Haedke, der frühere CSU-Stadtrat Christian Baretti und auch der frühere Chef der Münchner Jungen Union, Rasso Graber, ihm gesagt: "Wenn das rauskommt, wird die Monika uns alle decken." Später sei er bedrängt worden, nicht auszusagen.

Hohlmeier war im Juni 2003 zur Chefin der Münchner CSU gewählt worden, um Ruhe in den skandalgeschüttelten Bezirksverband zu bringen. Mit den gekauften Stimmen waren in München im Sommer 2002 und im Februar 2003 parteiinterne Wahlen für die Aufstellung von Abgeordneten manipuliert worden. Fünf Beteiligte wurden im vergangenen Jahr wegen Urkundenunterdrückung oder -fälschung zu Geldstrafen verurteilt.

Die Staatsanwälte und die Richterin in diesem Prozess hatten Haedkes Aussage bereits in der vergangenen Woche vor dem Untersuchungsausschuss als glaubwürdig dargestellt. Auch Junker war zu einer Geldstrafe verurteilt worden, gilt aber nicht als vorbestraft. Deshalb konnte er vom Untersuchungsausschuss nicht vereidigt werden.

Hohlmeiers Anwalt Peter M. Huber, der wie die CSU-Abgeordneten versuchte, Junker in Widersprüche zu verwickeln, sagte, Junker eigne sich nicht als "Kronzeuge". Der 24-Jährige sei verbittert und habe wohl eine Reihe Rechnungen offen, weil er von seinen Parteifreunden im Stich gelassen worden sei. Die Landtags-Opposition hingegen forderte die Entlassung Hohlmeiers. Junkers Aussage sei "stimmig und glaubwürdig".

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SZ vom 15.4.2005
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