Süddeutsche Zeitung

Zentralrat der Juden pocht auf NPD-Verbot: "Neue Dimension von Rechtsterrorismus"

Der Zentralrat der Juden in Deutschland fordert als Konsequenz aus der Mordserie von Neonazis ein verschärftes Vorgehen gegen den Rechtsextremismus. An einem Verbot der NPD führe jetzt "kein Weg mehr vorbei", meint Zentralrats-Präsident Graumann - und bekommt Unterstützung aus der Politik.

Dieses "Flaggschiff" der Rechtsextremisten müsse endlich "politisch und juristisch versenkt werden", sagte Dieter Graumann der Nachrichtenagentur dapd. Nach Einschätzung von Ermittlern gehen sowohl die Tötung einer Polizistin in Heilbronn im April 2007 als auch die sogenannten Döner-Morde an acht Türken und einem Griechen auf das Konto einer Neonazi-Gruppierung.

Graumann sprach von einem "Schock". Wenn sich der Verdacht bestätige, gebe es in Deutschland eine "neue Dimension von Rechtsterrorismus". "Sollten sich die Indizien nun erhärten, haben wir es mit einem widerlichen Rechtsterrorismus zu tun, der offenbar viele Jahre lang fast ungehindert Menschen ermorden konnte, die ihm offenbar nicht lebenswert erschienen", fügte der Zentralratspräsident bei Handelsblatt Online hinzu. Weiter sagte Graumann, jetzt sei die "ganze Gesellschaft" gefordert. Es müsse einen "resoluten Ruck" gegen den Rechtsextremismus geben.

Offensichtlich seien die bisherigen Warnungen des Zentralrates von der Politik nicht ernst genug genommen worden. Er mahnte, es müsse mehr Geld für den Kampf gegen Neonazis zur Verfügung gestellt werden. Notwendig sei eine bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden. Auch gegen die rechte Hooligan- und Musikszene müsse verstärkt vorgegangen werden.

Auch der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner brachte ein Verbot der NPD ins Spiel. Stegner sagte Handelsblatt Online: "Dass über ein Jahrzehnt rechtsextreme Mörder skrupellose Mordtaten verüben können und eher per Zufall entdeckt werden, wirft viele Fragen auf". Er fügte hinzu: "Die NPD als verfassungsfeindlicher politischer Arm der Naziszene bekommt Steuergelder und sollte endlich verboten werden." Dafür müssten Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung gemeinsam sorgen. "Gerade wir Deutschen haben allen Grund, den Kampf gegen Rechts entschlossen zu führen", sagte Stegner.

Herrmann: Neue Dimension rechter Gewalt

Inzwischen spricht auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von einer "neuen Dimension rechtsextremer Gewalt in unserem Land". Hinweise auf weitere Gewalttaten speziell in Bayern gebe es derzeit zwar nicht. "Wir haben keine Steigerung in diesem Bereich beobachten können", sagte der CSU-Politiker in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Dennoch dürfe man die Bereitschaft zur Gewalt im rechten Spektrum nicht unterschätzen. "Das bedeutet, dass wir generell den gesamten extremistischen Bereich immer mit großer Konsequenz beobachten und gegebenenfalls auch überwachen müssen." Ob Fehler seitens des Verfassungsschutzes oder anderer Behörden gemacht worden seien, könne er derzeit nicht beurteilen, sagte Herrmann.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann verlangte unterdessen weitreichende Konsequenzen aus der mutmaßlich rechtsextremistischen Mordserie in Deutschland. "Das ist eine besonders brutale Form von Rechtsterrorismus, wie wir ihn seit Jahrzehnten in Deutschland nicht hatten", sagte der CDU-Politiker der in Berlin erscheinenden Zeitung Welt am Sonntag. Der Zwickauer Fall sei Anlass genug, "alles auf den Prüfstand zu stellen, was den Kampf gegen Neonazis betrifft". Er forderte: "Wir sollten darüber nachdenken , ob wir nicht so etwas wie das Terrorabwehrzentrum auch für den Bereich des Rechts- und Linksextremismus benötigen." Außerdem sollten Durchsuchungen in der rechtsextemistischen Szene verstärkt werden, um Waffen und Sprengstoff aufzuspüren.

Mit den jetzt bekannt gewordenen Fällen wird sich auch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages befassen. Der Vorsitzende Thomas Oppermann (SPD) sagte der Zeitung Bild am Sonntag: "Ich werde in der kommenden Sitzungswoche zu einer Sondersitzung des für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständigen Kontrollgremiums des Bundestages einladen. Ich will wissen, was die Behörden wussten und wie solche Straftaten in Zukunft besser verhindert werden können."

Auch der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, verlangt Informationen über die Ermittlungen gegen die mutmaßliche Terrorgruppe. Der CDU-Politiker fordert im selben Blatt: "Es muss aufgeklärt werden, wie es möglich war, dass das Trio zehn Jahre unbehelligt im Untergrund leben konnte." Die in die sogenannten Döner-Morde verwickelte 36 Jahre alte Thüringerin will Bild am Sonntag zufolge nur aussagen, wenn ihr als Kronzeugin Strafmilderung zugesichert wird. Das Blatt berief sich dabei am Samstagabend auf Ermittlerkreise. Die Frau hatte sich am vergangenen Dienstag der Polizei gestellt, nachdem sie laut Ermittlungen das von ihr und zwei mutmaßlichen Mittätern bewohnte Haus in Zwickau in Brand gesteckt hatte.

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dpa/dpad/Reuters/lala
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