Zentralasien:Russland schickt Fallschirmjäger nach Kasachstan

Nach den schwersten Unruhen seit Jahrzehnten mit Toten und Verletzten bittet die kasachische Regierung ein von Moskau geführtes Militärbündnis um Hilfe.

Russland hat in die seit Tagen anhaltenden Unruhen in Kasachstan eingegriffen und Fallschirmjäger als Teil einer "Friedenstruppe" in das zentralasiatische Land entsandt. Es handle sich um einen internationalen Einsatz auf Bitten Kasachstans, wie das von Moskau geführte Militärbündnis OVKS am Donnerstag mitteilte. Die russische ebenso wie die kasachische Regierung machten ausländische Kräfte für die blutigen Proteste verantwortlich. Die Europäische Union rief zur Zurückhaltung auf und erklärte, die Souveränität Kasachstans müsse gewahrt bleiben.

Es sind die schwersten Unruhen im Land seit Jahrzehnten. Trotz des Eingreifens von Militär und Polizei blieb die Lage sehr unübersichtlich. Landesweit gilt zunächst bis zum 19. Januar ein Ausnahmezustand. Die Proteste hatten sich an der Erhöhung der Treibstoffpreise entzündet. Auch der anschließende Rücktritt der Regierung und die Senkung der Preise für Autogas durch Präsident Kassym-Schomart Tokajew konnten die Menschen nicht wieder beruhigen.

Die Menschen werfen den Behörden und Eliten vor, sich zu bereichern

Viele werfen den Behörden und der Elite des ölreichen zentralasiatischen Landes Bereicherung vor, während die meisten der 19 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner arm bleiben. Die frühere Sowjetrepublik, neuntgrößtes Land der Welt, wurde über Jahrzehnte von Machthaber Nursultan Nasarbajew regiert, der sich auch nach seinem Rücktritt 2019 großen Einfluss bewahrte.

Das russische Außenministerium erklärte, es handele sich um einen aus dem Ausland gesteuerten Versuch, die Sicherheit und Integrität Kasachstans gewaltsam zu unterwandern. Russland und seine Partner würden mit dem Nachbarland die weiteren Schritte beraten. Dem Bündnis OVKS gehören neben Russland und Kasachstan auch Armenien, Belarus, Kirgisistan und Tadschikistan an. Auch diese Staaten hätten Streitkräfte entsandt, hieß es. Sie sollten wichtige staatliche und militärische Einrichtungen schützen und die kasachischen Ordnungskräfte unterstützen.

Die Lufthansa streicht ihre Flüge nach Almaty

In der Wirtschaftsmetropole Almaty kam es den dritten Tag in Folge zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Sicherheitskräften. Wie die Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf das Innenministerium meldete, nahm die Polizei etwa 2000 Menschen fest. In der Stadt waren in der Nähe des zentralen Platzes, wo sich Demonstranten versammelt hatten, eine Explosion und Schüsse zu hören. Die Agentur Tass meldete, Soldaten feuerten auf Demonstrierende und Autos. Zudem hieß es unter Berufung auf das kasachische Gesundheitsministerium, mehr als 1000 Menschen seien während der Proteste verletzt worden. 400 von ihnen müssten in Kliniken behandelt werden. Die Polizei teilte mit, sie habe Dutzende Unruhestifter getötet. Das staatliche Fernsehen berichtete, 13 Angehörige der Sicherheitskräfte seien umgekommen, es seien zwei enthauptete Leichen entdeckt worden. In der Wirtschaftsmetropole seien eine Residenz des Präsidenten und ein Büro des Bürgermeisters in Brand gesteckt worden. In den Straßen standen zahlreiche ausgebrannte Autos. Bis zum Donnerstagnachmittag war der Flughafen, den eine aufgebrachte Menge am Mittwoch zeitweise besetzt hatte, wieder unter Kontrolle des Militärs. Die Lufthansa strich Flüge nach Almaty.

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