Zentralafrikanische Republik:Jeder Fünfte flieht vor der Gewalt

Zentralafrikanische Republik: Zentralafrikanische Republik: Mit Knüppeln und Pfeil und Bogen bewaffnete christliche Milizen nahe des Flughafens in Bangui

Zentralafrikanische Republik: Mit Knüppeln und Pfeil und Bogen bewaffnete christliche Milizen nahe des Flughafens in Bangui

(Foto: AFP)

Verzweifelte Flüchtlinge kampieren sogar auf dem Flughafen: Nach fast einem Jahr Bürgerkrieg ist die Lage der Menschen in der Zentralafrikanischen Republik verheerend. Die Europäer überlegen derweil, ob sie die französische "Operation Sangaris" mit einer eigenen Mission unterstützen. Doch Berlin schmollt.

Von Daniel Brössler und Ronen Steinke

Eine solche Flüchtlingskatastrophe dürfte einmalig sein. Nicht im Busch oder einer entlegenen Wüste, sondern auf einem internationalen Flughafen kampieren rund 100.000 Menschen, unter Flugzeugwracks oder unter freiem Himmel. Sie sitzen auf dem Gras, teils direkt am Rande der Rollbahn, unübersehbar für jeden Staatschef oder Reporter, der hier einreist. Die meisten leben am Südrand des Terminals, in riesigen Zeltstädten. Es sind Bewohner der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui, die um ihr Leben fürchten. Und am Nordende des Flughafens, getrennt von den Flüchtlingen durch einen Stacheldrahtzaun, steht die französische Armee - die 1600 Mann starke "Operation Sangaris", die seit dem 5. Dezember in der Zentralafrikanischen Republik für Ordnung sorgen soll.

Das Flüchtlingslager ist innerhalb von nur einem Monat auf diese enorme Größe angewachsen, weil bei Kämpfen zwischen christlichen und muslimischen Milizen in dem scheiternden Staat allein seit Dezember 1000 Menschen getötet worden sind. So entfaltet sich eine Flüchtlingskatastrophe, die weltweit nur noch von Syrien übertroffen wird. Jeder fünfte Bürger des Landes ist bereits auf der Flucht, schätzten die UN, insgesamt eine Million Menschen.

Präsident "unfähig" und "machtlos"

Die alte Ordnung löste sich vor neun Monaten auf, als die überwiegend muslimische Séléka-Miliz die Regierung von Präsident François Bozizé stürzte. Eine neue Ordnung hat sich seither nicht eingestellt. Der neue Präsident von Sélékas Gnaden, Michel Djotodia, residiert in einem Militärlager in Bangui und hat kaum Einfluss, "unfähig" und "machtlos" hat ihn der Generalsekretär der Regionalorganisation Eccas deshalb am Donnerstag offen genannt, als die zehn Mitgliedsländer der Regionalorganisation in Tschad einen Krisengipfel abhielten. Politiker in einer solchen Lage sollten "den Platz frei machen für andere, die einen besseren Job machen können".

Die zehn Eccas-Partnerländer diskutierten auch darüber, was nach Djotodia kommen könnte. Etwa könnte der Premierminister beauftragt werden, die Staatsgeschäfte bis zu einem Wahltermin zu führen, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf französische Diplomatenkreise. Doch besteht die Gefahr, dass so erst recht neue Machtkämpfe heraufbeschworen würden. Zwar sind auch bereits 4000 Soldaten der afrikanischen Eingreiftruppe Misca im Land. Aber zuletzt waren die muslimischen Truppen aus Tschad dem Vorwurf ausgesetzt, sie ergriffen Partei - ebenso wie die christlichen aus Burundi.

Wo sind die Europäer?

Angesichts der katastrophalen Lage fragt sich auch: Wo sind die Europäer? Auf französisches Betreiben hin hatten die Staats- und Regierungschefs im Dezember einen Arbeitsauftrag an die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erteilt. Sie sollte einen Vorschlag ausarbeiten, welche europäischen Instrumente genutzt werden können, "um zu den derzeitigen Bemühungen zur Stabilisierung des Landes beizutragen". Dabei ging es ausdrücklich nicht darum, den französischen Einsatz zu europäisieren, sondern womöglich durch eine europäische Mission zu ergänzen. Ganz in diesem Sinne haben Ashtons Diplomaten in einem Papier die Entsendung einer EU-Mission vorgeschlagen - eng abgestimmt mit Afrikanischer Union und Vereinten Nationen.

Auf Beamtenebene wird an diesem Freitag erstmals über das Papier diskutiert, am 20. Januar sollen dann die EU-Außenminister darüber verhandeln. Basis sind zwei Optionen, die Ashtons Leute unterbreitet haben. Option A sieht vor, im Westen des Landes in ausgewählten Städten Stützpunkte zu errichten, um eine Art Sicherheitskorridor an der Grenze zu Kamerun zu schaffen. In Option B würden sich die europäischen Soldaten im Großraum Bangui konzentrieren und die Franzosen etwa von der Sicherung des Flughafens entlasten.

Berlin ist offenbar verärgert

Die Rede ist von 700 bis 1000 Soldaten, wobei unklar ist, welche EU-Länder bereit sein könnten, sie zu entsenden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte beim EU-Gipfel im Dezember bereits klargemacht, dass die Bundeswehr als Truppensteller nicht infrage komme. Auf diesem Kurs blieb am Donnerstag auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). "Bei der Zentralafrikanischen Republik kann ich mir vorstellen, dass mehr dazu beitragen als Frankreich mit seinen Truppen, Deutschland durch seinen Lufttransport", sagte Steinmeier in Berlin. Er gehe davon aus, "dass auch andere bereit sind, da mitzuwirken". Die Botschaft: Deutschland steht einer EU-Mission nicht im Weg, wird aber selbst nichts über die Frankreich bereits angebotene - aber bisher nicht abgerufene - logistische Hilfe hinaus beitragen.

Steinmeier ist offenbar wie Merkel verärgert darüber, dass Frankreich im Alleingang - wenn auch mit UN-Mandat - einen Einsatz beginnt und dann nach europäischer Unterstützung ruft. Man müsse in der EU vereinbaren, wie man mit Fällen umgehe, bei denen "ein Partner ohne Absprachen mit anderen in einen solchen innerstaatlichen Konflikt eingreift", sagte er.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: