Süddeutsche Zeitung

Zeitumstellung:Es ist kompliziert

  • In einer Online-Umfrage hat sich eine breite Mehrheit gegen die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit ausgesprochen.
  • Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, die Umstellung rasch abzuschaffen.
  • Doch so leicht lässt sich das wohl nicht umsetzen. In der EU fürchten einige ein ziemliches Durcheinander.
  • Österreich hat derzeit den EU-Ratsvorsitz und schlägt vor, erst 2021 zu entscheiden.

Von Thomas Kirchner, Straßburg

Geht es nach der EU-Kommission, stellen die Europäer am Wochenende zum letzten Mal die Zeit um. Im September hatte die Behörde vorgeschlagen, das Ritual rasch abzuschaffen, am besten schon vor der Europawahl im kommenden Frühjahr. Anschließend solle jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden, ob er dauerhaft Sommer- oder Winterzeit einführen will. Die Kommission stützte sich auf eine Online-Befragung, bei der 84 Prozent für das Ende der Umstellung plädierten. 4,6 Millionen Europäer hatten abgestimmt, unter ihnen drei Millionen Deutsche. "Die Leute wollen das, also machen wir das", verkündete Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Als wäre es ganz einfach.

Inzwischen ist klar: Es ist kompliziert. Es wird nicht so schnell gehen. Es könnte ein ziemliches Durcheinander entstehen.

"Die Kommission macht es sich zu leicht", sagt ein EU-Diplomat. Der Zeitplan sei jedenfalls nicht einzuhalten; weder hätten sich alle Mitgliedstaaten intern schon festgelegt, noch sei klar, wie sie gemeinsam weiter vorgehen sollten. "Es stellen sich zwei Fragen: Will man das Ende der Umstellung? Und wenn ja: In welche Zeitzone ordnet sich ein Land ein?" Beides könne nicht nacheinander entschieden werden, sondern müsse "aus einem Guss" sein.

Bisher gibt es drei Zeitzonen in der EU. Die mittlere umfasst 16 Staaten, unter ihnen Spanien und Deutschland. Portugiesen, Iren und Briten sind eine Stunde hinterher; Finnen, einige Osteuropäer, Griechen und Zyprer eine Stunde voraus.

Derzeit besprechen die Staaten das Thema in Arbeitsgruppen, überlegen, welche Folgen ihre Entscheidung haben könnte. Manche schwanken, Portugal möchte gar keine Zeitumstellung. Unter den Befürwortern gehen die Ansichten auseinander: Die Staaten im Osten hätten gerne eine dauerhafte Sommerzeit. Dann bliebe es abends länger hell. Franzosen und Spanier hingegen favorisieren die permanente Winterzeit. In Galicien wäre es im Winter sonst morgens um zehn noch dunkel. Die Bundesregierung scheint sich festgelegt zu haben. "Die große Mehrheit der Deutschen will nicht mehr alle sechs Monate an den Uhren drehen, und die meisten wünschen sich eine dauerhafte Sommerzeit", sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Jüngste Umfragen bestätigen ihn. Allerdings denkt ihnen zufolge nur der jüngere Teil der Deutschen so. Die Älteren sind eher für die Winterzeit. Etwa ein Drittel der Befragten berichtet von körperlichen Beschwerden durch die Umstellung.

Idealerweise machen nun nicht alle Staaten, was sie wollen, sondern sprechen sich ab, so dass möglichst große zusammenhängende Gebiete dieselbe Zeit haben. "Will man Zeitzonen, die mitten durch Europa gehen, etwa entlang der deutsch-französischen Grenze?", fragt der Diplomat. "Und was ist mit den Benelux-Staaten?" Für die Bürger wäre ein häufiger Zonenwechsel unangenehm, theoretisch könnte es passieren, dass man auf einer Bahnfahrt von Hamburg nach Paris drei Mal die Uhr umstellen muss. Im Bahnverkehr entstünde ansonsten kein großes Problem, im Luftverkehr wohl eher. Der drohende "Flickenteppich" brächte die Flugplanungen "erheblich durcheinander", erklärte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft laut dpa. Ganz Europa brauche eine einheitliche Regelung.

Das hält der EU-Abgeordnete Peter Liese, der für das Ende der Zeitumstellung kämpft, für unnötig. "Wo wäre das Problem, wenn Deutschland und Frankreich unterschiedliche Zeiten hätten? Zwischen Schweden und Finnland oder Spanien und Portugal ist es ebenso." Die Bedenken würden übertrieben, man fürchte sich vor dem Neuen und übersehe das Problem mit dem Alten. "Die Sommerzeit wurde eingeführt, um Energie zu sparen. Das hat nicht funktioniert", sagt der CDU-Politiker. Er selbst plädiert für die Rückkehr zur Normal-, sprich Winterzeit. Schlafforscher stimmen zu. Liese hofft, dass die Wissenschaftler die Bundesbürger noch überzeugen.

Am Montag besprechen die Verkehrsminister das Thema. Österreich hat derzeit den EU-Ratsvorsitz und schlägt vor, erst 2021 zu entscheiden - um Zeit zum Überlegen zu gewinnen.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2018/lalse
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