Zeitrechnung:Die Jahresuhr steht niemals still

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Wie der 29. Februar in den Kalender kam.

Von Joachim Käppner

Am Ende verließ den Gelehrten ein wenig die Kraft. Sollte ihm selber die "nöthige Muße" nicht mehr gewährt werden, "so hege ich das Vertrauen, dass sich ein Anderer findet, der allein für sich die Arbeit unternimmt". Diese Worte stellte Hermann Grotefend 1892 seinem aus seiner Sicht offenbar immer noch ausbaufähigen Monumentalwerk "Zeitrechnung des Deutschen Mittelalters und der Neuzeit" voran. Geschichtsstudenten sprechen leidvoll von "dem Grotefend", der bis weit hinter jedes Komma der verlorenen Zeit und ihrer Berechnung nachspürt. Zum Glück kümmert das die wenigsten, die den Schalttag 29. Februar feiern - wie Werbewirtschaft oder Arbeitgeber - oder als Elend beklagen - wie die Bedauernswerten, die streng genommen bloß alle vier Jahre Geburtstag haben.

Das Kalenderjahr ist nämlich nur im Kinderlied eine runde Sache: "Januar, Februar, März, April, / Die Jahresuhr steht niemals still!" Der Versuch, das Jahr nach dem Stand der Himmelskörper zu ordnen, ist Jahrtausende alt und bis zur Einführung des gregorianischen Kalenders 1582 nie völlig zufriedenstellend gelöst worden. Denn die Erde braucht für ihre Reise um die Sonne eben nicht präzise 365 Tage, sondern etwa sechs Stunden länger, wie im Prinzip schon die Ägypter herausgefunden hatten.

Die Römer versuchten es zunächst mit einem kürzeren Jahr und Schaltmonaten. Zur Zeit Julius Cäsars war der Kalender allerdings so durcheinandergeraten, dass eines der Jahre offiziell 445 Tage lang war - weil die pflichtvergessenen Hohepriester den Kalender angeblich nicht pflegten. Auf diese Weise ging das "annus confusionis" in die Annalen ein, das Jahr der Verwirrung. Zu dieser Zeit schrieben Bürger des wachsenden Imperiums Briefe in die Hauptstadt, um herauszufinden, welcher Monat dort gelte, was für Besuche, Steuerabgaben, Einsätze der Legionen und vieles mehr ja nicht ganz unwichtig war. Der Dichter Ovid höhnte: "Auf die Waffen, Romulus, verstehst du dich besser als auf die Gestirne!"

Im Jahr 47 v. Chr. befahl Julius Cäsar dann, einen überarbeiteten, nach ihm benannten Kalender aufzustellen. Roms starker Mann, der auf dem Ägyptenfeldzug nicht nur Kleopatra, sondern auch die nicht minder faszinierende Kalenderkunst der Ptolemäer schätzen gelernt hatte, ließ die aufgelaufenen Zusatzmonate abfeiern und sorgte für Ordnung, auch durch den Schalttag alle vier Jahre.

Dieser Kalender war so präzise getaktet wie Cäsars Schlachtplan bei Pharsalos gegen Pompeius. Jedoch: So wie der Rivale ihm gerade noch entfloh, so entwischten auch dem julianischen Kalender elf Minuten und 14 Sekunden pro Jahr. Eine wichtelhafte Zeiteinheit zwar, über die Jahrhunderte aber kamen wieder etliche überflüssige Tage zusammen. Erst Papst Gregor XIII. ließ 1582 endgültig aufräumen, was ihm von Leuten, die ihren Grotefend womöglich nie zur Gänze begriffen haben, noch heute den Vorwurf der Zeitfälscherei einträgt.

Zurück zum Belegbaren: Jedenfalls gibt es seit damals alle vier Jahre einen zusätzlichen Tag im Februar - allerdings fällt dieser Schalttag drei Mal in 400 Jahren weg. Keine Sorge, das nächste Mal passiert das im Jahr 2100. Die SZ wird rechtzeitig informieren.

© SZ vom 28.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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